Leitsätze:
Der Berliner Mietspiegel 2021 ist taugliches Begründungsmittel im Sinne des § 558 a Abs. 2 BGB.
Ob ein als formales Begründungsmittel tauglicher Mietspiegel auch für die Ermittlung der zwischen den Parteien streitigen ortsüblichen Vergleichsmiete geeignet ist, kann dahinstehen, wenn gemäß § 287 ZPO eine richterliche Schätzung auf Grundlage eines Vorgängermietspiegels möglich ist.
LG Berlin vom 9.6.2022 – 67 S 50/22 –
Urteilstext
Gründe:
I.
Der Tatbestand entfällt gemäß §§ 540 Abs. 2 ZPO, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO.
II.
Die Berufung ist begründet.
Die Klägerin kann von dem Beklagten die Zustimmung zur begehrten Mietererhöhung gemäß §§ 558 ff. BGB verlangen.
Das mit dem Berliner Mietspiegel 2021 begründete Mieterhöhungsverlangen vom 18. Juni 2021 ist formwirksam.
Gemäß § 558 a Abs. 1 BGB ist das Mieterhöhungsverlangen dem Mieter in Textform zu erklären und zu begründen. Dem wird das Erhöhungsverlangen der Klägerin gerecht, auch wenn es sich bei dem von ihr herangezogenen Berliner Mietspiegel 2021 um keinen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel i.S.d. §§ 558c, 558d BGB handeln und die Klägerin auch die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 50 EGBGB nicht für sich beanspruchen können sollte.
Die Berufung rügt zu Recht, dass die in § 558a Abs. 2 BGB genannten Begründungsmittel nicht abschließend sind (allg. Auffassung, vgl. nur BT-Drucks 7/2011, 10; Emmerich, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2021, § 558a Rz. 78; Fleindl, in: BeckOGK BGB, Stand: 1. April 2022, § 558a Rz. 78). Die gesetzliche Begründungspflicht verfolgt allein den Zweck, dem Mieter erste Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens zu geben (vgl. Emmerich, a.a.O.; Fleindl, a.a.O., § 558a Rz. 32). Diesen Mindestanforderungen zur Vermittlung eines ersten Anhalts genügt der Berliner Mietspiegel 2021 auf jeden Fall, selbst wenn er den Mietspiegel 2019 nur linear fortschreiben und damit womöglich von einem kürzeren als dem in § 558 Abs. 2 BGB n.F. ausgewiesenen Bezugszeitraum ausgehen sollte.
Die von der Klägerin verlangte Miete von 328,70 EUR (7,64 EUR/qm) überschreitet auch die ortsübliche Miete i.S.d. § 558 Abs. 2 BGB nicht. Insoweit bedarf es keiner Entscheidung der Kammer, ob der als formales Begründungsmittel taugliche Berliner Mietspiegel 2021 ebenfalls geeignet ist, der Kammer jedenfalls im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO die Ermittlung der zwischen den Parteien streitigen ortsüblichen Vergleichsmiete zu erlauben. Denn es steht ihr frei, die Vergleichsmiete hier gemäß § 287 ZPO unter Zugrundelegung des für eine richterliche Schätzung geeigneten Berliner Mietspiegels 2019 zu bestimmen (vgl. Kammer, Beschl. v. 2. Juni 2022 – 67 S 259/21, BeckRS 2022, 12182, Tz. 32). Unter Zugrundelegung des dort einschlägigen Mietspiegelfeldes und des wechselseitigen Parteivortrags ergibt sich zum Stichtag 1. September 2018 eine ortsübliche Vergleichsmiete von 345,29 EUR (8,03 EUR x 43 qm). Die Kammer kann mit dem für eine Schätzung nach § 287 ZPO ausreichenden Überzeugungsgrad überwiegender Wahrscheinlichkeit aufgrund des allgemeinen Preisanstiegs ebenfalls davon ausgehen, dass die ortsübliche Vergleichsmiete für mit der streitgegenständlichen Mietsache vergleichbaren Wohnraum im Zeitraum 1. September 2018 bis zum Zugang des Mieterhöhungsverlangens im Juni 2021 nicht von 8,03 EUR/qm auf die von der Klägerin lediglich verlangten 7,64 EUR/qm und damit um nahezu fünf Prozent gesunken ist. Angesichts dieser erheblichen Differenz kann es die Kammer – ein weiteres Mal im Wege der Schätzung – für gegeben erachten, dass es für die zutreffende Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete unter Zugrundelegung des Berliner Mietspiegels 2019 unerheblich ist, dass diesem ein Bezugszeitraum von lediglich vier Jahren zu Grunde liegt, während § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB in seiner ab dem 1. Januar 2020 geltenden Fassung auf die in den letzten sechs Jahren vereinbarten oder geänderten Entgelte abstellt.
Da auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen der §§ 558 ff. BGB – unstreitig – erfüllt sind, schuldet der Beklagte gemäß § 558b Abs. 2 Satz 1 BGB seine Zustimmung zu der von der Klägerin verlangten Mieterhöhung ab dem aus dem Tenor ersichtlichen Zeitpunkt.
Die Entscheidung zu den Kosten und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 713 PO. Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen, bestanden nicht. Denn die Tauglichkeit anderer als in § 558a Abs. 2 BGB genannter Mittel zur Begründung eines Erhöhungsverlangens ist grundsätzlich geklärt und wirft allein tatrichterlich zu beantwortende Fragen auf, denen keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und die auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.
04.12.2022