Leitsätze:
1. Bei der Umgebung des Kollwitzplatzes (hier: Wörther Straße) handelt es sich nicht um eine „bevorzugte City-Lage“.
2. Die Wörther Straße ist keine „besonders ruhige Straße“.
AG Mitte vom 21.3.2012 – 17 C 380/11 –
Mitgeteilt von RA Henrik Solf
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Parteien stritten um die Einordnung der Wohnung in den Berliner Mietspiegel 2011.
… Insbesondere folgte das Gericht dem Vermieter nicht in seiner Auffassung, die Wohnung befinde sich in bevorzugter Citylage. Eine bevorzugte Citylage solle nach der Orientierungshilfe zum Berliner Mietspiegel vorliegen bei der Nähe zu repräsentativen, überregional ausstrahlenden Einkaufs-, Dienstleistungs- und Wohnstandorten. Nach der Rechtsprechung sei die bevorzugte Citylage bei einer besonders attraktiven Lage gegeben (AG Schöneberg MM 2004, 238), die aufgrund ihrer Bekanntheit, ihrer Historie, ihren Sehenswürdigkeiten, Einkaufsmöglichkeiten und Kultureinrichtungen überregionale Bedeutung habe (AG Schöneberg MM 2010, 182). Gemeint seien hiermit die auch und vor allem von Touristen aufgesuchten (vgl. LG Berlin GE 2008, 542) besonderen Lagen und Institutionen in Berlin. Insbesondere seien dies die Lagen um die Friedrichstraße, Unter den Linden, Brandenburger Tor und Kurfürstendamm.
Nach diesen Grundsätzen liege die Wörther Straße nicht in einer bevorzugten Citylage. Zwar sei dem Vermieter zuzugeben, dass der Ortsteil Prenzlauer Berg – insbesondere in der Lage um den Kollwitzplatz, die Schönhauser Allee sowie rund um den U-Bahnhof Eberswalder Straße – sich bei Touristen in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreue. Auch seien dort diverse Kultureinrichtungen zu finden, etwa die vom Kläger angeführte Kulturbrauerei. Allerdings könne dies allein nicht dazu führen, die Lage rund um die Wörther Straße zu einer bevorzugten Citylage wie den oben beispielhaft genannten zu erklären. Es befänden sich in der näheren Umgebung der Wörther Straße keine repräsentativen, historisch bedeutsamen Sehenswürdigkeiten, die aufgrund ihrer Historie überregionale Bedeutung haben und so eine Citylage begründen könnten. Zu diesen Sehenswürdigkeiten gehörten beispielsweise Bauwerke wie das Brandenburger Tor, repräsentative Gebäude der Friedrichstraße und Unter den Linden bis hin zum Alexanderplatz mit dem Fernsehturm sowie das Regierungsviertel und das westliche Zentrum um den Kurfürstendamm. Einrichtungen vergleichbarer überregionaler Strahlkraft fänden sich um die Wörther Straße nicht. Vom Vermieter vorgebrachte Einrichtungen wie das Stadtbad Oderberger Straße oder der Thälmann-Park seien unbestritten bedeutsam für die Bewohner des Bezirkes, vermögen aber eine bevorzugte Citylage nach obigen Maßstäben nicht zu begründen. Selbiges gelte für die Kulturbrauerei und den nahegelegenen Jüdischen Friedhof; auch diese gehörten nicht zu den oben genannten oder vergleichbaren überregional und historisch bedeutenden Sehenswürdigkeiten.
Hinzu komme, dass das Merkmal der bevorzugten Citylage schon nach Sinn und Zweck der Orientierungshilfe zum Berliner Mietspiegel eng auszulegen sei. In der Großstadt Berlin wäre es denkbar – verglichen mit kleineren Städten – fast die gesamten inneren Bezirke zur bevorzugten Citylage zu erklären. Das sei aber nicht der Sinn des Merkmals. So finde sich die vom Vermieter zuvorderst vorgebrachte Gaststätten- und Kneipenkultur der Gegend rund um den Kollwitzplatz in ähnlicher Form beispielsweise auch nicht in anderen Lagen Berlins, ohne dass dies allein auf eine besonders hervorgehobene, repräsentative Lage innerhalb Berlins schließen ließe.
Auch das zweite Merkmal der Merkmalsgruppe 5 (besonders ruhige Straße) sei nicht gegeben. Dabei sei insbesondere zu beachten, dass dieses Merkmal bei Berliner Straßen nur in Ausnahmefällen erfüllt ist, so zum Beispiel bei Sackgassen (AG Schöneberg GE 08, 675). Die Wörther Straße verbinde dagegen den Kollwitzplatz westlich mit der Schönhauser Allee und in Richtung Osten mit der Prenzlauer Allee, und es bestünden schon aufgrund dieser Verbindungseigenschaft zwischen den beiden Alleen erhebliche Zweifel an der Aussage des Vermieters, es gebe nahezu keinen Durchgangs-, sondern nur Anliegerverkehr. Der Vermieter selbst trage zudem vor, dass der Kollwitzplatz ein geschäftiger Ort mit einer lebendigen Gaststättenszene und einem Wochenmarkt sei.
30.01.2013