Leitsatz:
Die Senkung der Betriebskosten nach § 560 Abs. 3 BGB ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Alt-Mietvertrag keine wirksame Anpassungsklausel in Bezug auf die Erhöhungsmöglichkeit der Bruttokaltmiete wegen gestiegener Betriebskosten enthält.
AG Charlottenburg vom 22.3.2016 – 206 C 566/15 –
Mitgeteilt von RA Johann Heinrich Lüth
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Parteien waren durch einen alten Mietvertrag aus West-Berliner Zeiten verbunden, der noch die damals übliche Bruttokaltmiete enthielt. Diese Bruttokaltmietvereinbarungen genießen weiterhin Bestandsschutz. Betriebskostensteigerungen oder -ermäßigungen werden hier nicht durch Abrechnung, sondern durch Betriebskostenerhöhungs- beziehungsweise -senkungserklärungen an die Mieter weitergegeben. Vielfach scheitert eine Erhöhung aber an der hierfür notwendigen Wirksamkeit einer mietvertraglichen Anpassungsklausel. So auch im vorliegenden Fall. Deshalb berief sich der Vermieter auf die unwirksame Erhöhungsklausel, als der Mieter die Senkung der Betriebskosten wegen Ermäßigung derselben verlangte.
Dem folgte das Amtsgericht nicht. Ermäßigen sich die Betriebskosten, so sind die in der Bruttokaltmiete enthaltenen Betriebskosten vom Zeitpunkt der Ermäßigung an entsprechend herabzusetzen. Die Ermäßigung ist dem Mieter unverzüglich mitzuteilen (§ 560 Abs. 3 BGB).
Voraussetzung dafür ist nicht, dass zuvor eine Mieterhöhung gemäß § 560 Abs. 1 BGB durchgeführt wurde. Die Ermäßigung ist auch nicht auf den Umfang beschränkt, in dem die Miete zuvor wegen gestiegener Betriebskosten erhöht worden ist. Und die Unwirksamkeit der Erhöhungsklausel spielt bei der Betriebskostensenkung keine Rolle.
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
…
Der Kläger hat gegen den Beklagten zu 1) gemäß § 560 Abs. 3 BGB i.V.m. Art. 229 § 3 Abs. 4 EGBGB Anspruch auf Abgabe einer auf Herabsetzung der Bruttowarmmiete gerichteten Willenserklärung.
Gemäß Art. 229 § 3 Abs. 4 2. HS EGBGB ist bei einem am 01. September 2001 bestehenden Mietverhältnis, bei dem eine Bruttomiete oder eine lnklusivmiete vereinbart ist, die Regelung des § 560 Abs. 3.BGB entsprechend anzuwenden; d.h., dass in Übereinstimmung mit der bisherigen Bestimmung in § 4 Abs. 4 MHG im Falle einer Verringerung der Betriebskosten die Miete vom Zeitpunkt der Ermäßigung an·herabzusetzen ist.
Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite handelt es sich um ein am 01.09.2001 bestehendes Mietverhältnis. Der Umstand, dass es auf ein Jahr befristet war und sich jeweils um 6 Monate verlängern sollte, wenn es nicht gekündigt wird, führt nicht dazu, dass alljährlich ein neuer Mietvertrag abgeschlossen wird; dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut selbst, wonach sich das (ursprüngliche) Mietverhältnis gerade verlängern sollte.
Dahin stehen kann, ob der Mietvertrag einen wirksamen Erhöhungsvorbehalt hinsichtlich der Betriebskosten vorsieht. Denn ein solcher Änderungsvorbehalt ist nach § 560 BGB nur für eine Erhöhung der Betriebskostenpauschale (bzw. hier des Betriebskostenanteils) durch den Vermieter erforderlich,·nicht aber für den Anspruch des Mieters auf Senkung der Betriebskosten (Palandt, 75. Auflage, Rn. 6 zu § 560 BGB): Dies ist auch gerechtfertigt, da eine Erhöhung der Betriebskosten nicht immer auf dem Wege des § 560 Abs. 1 BGB umgesetzt wird. Vielmehr fließen erhöhte Betriebskosten in Altfällen regelmäßig auch indirekt in eine Erhöhung nach § 558 BGB ein, wenn die Miete – wie hier – anhand eines Nettomietspiegels erhöht wird und im Rahmen dessen die tatsächlichen Betriebskosten aus dem vorangegangenen Zeitraum zwecks Umrechnung der vereinbarten Brutto- in eine Nettomiete in Abzug gebracht werden.
Die Zustimmung zur Erhöhung der Miete gemäß § 558 BGB führt nicht dazu, dass ein Anspruch gemäß § 560 Abs. 3 BGB ausgeschlossen wird. Dieser Erklärungswert kommt der Zustimmungserklärung nicht zu, zumal dem Mieterhöhungsverlangen vom 21.02.2011 die Betriebskosten aus dem Jahr 2010 zugrunde lagen und es hier um eine Ermäßigung der Betriebskosten im Verhältnis 2011/2012 geht.
Die Betriebskosten sind·hier unstreitig im Jahr 2012 gegenüber dem Vorjahr um 0,08874 €/m² im Monat gesunken. Der Beklagte zu 1) wäre daher gemäß § 560 Abs. 3 i.V.m. Art. 229 § 3 Abs. 4 EGBGB verpflichtet gewesen, die Bruttomiete unverzüglich durch entsprechende Erklärung gegenüber dem Kläger entsprechend herabzusetzen.
Soweit der Kläger einwendet, die Betriebskosten hätten sich ab dem Jahr 2013 schon wieder erhöht, ist dies unerheblich. Entweder der Vermieter ist berechtigt, eine·Erhöhung der Bruttomiete wegen gestiegener Betriebskosten vorzunehmen, dann ist es ihm unbenommen, dies umzusetzen. Scheitert eine Erhöhung an einer wirksamen Mehrbelastungsklausel, muss der Vermieter dies hinnehmen -zumindest bis zur nächsten Erhöhung nach § 558 BGB, in die dann erneut die aktuellen Betriebskosten einfließen.
Nach § 560 Abs. 3 BGB in entsprechender Anwendung ist die Miete vom Zeitpunkt der Ermäßigung an herabzusetzen. Danach kommt es für den Zeitpunkt der Ermäßigung auf den Zeitpunkt an, in dem objektiv eine Verringerung der Aufwendungen eingetreten ist, und nicht auf den Zeitpunkt der Kenntnis des Vermieters von der Ermäßigung, so dass die Miete auch entsprechend rückwirkend herabzusetzen ist (Staudinger/Birgit Weitemeyer (2014) BGB §·560, m.w.N.).
Der Kläger kann von dem Beklagten zu 1) auch bereits jetzt Rückzahlung der aufgrund der Senkung der Betriebskosten zuviel gezahlten Beträge (8 x 8,42 € für Januar bis August 2012) verlangen, und zwar im Wege des Schadensersatzes gemäß §§ 280 II, 281 BGB. Erfüllt der Vermieter seine Pflicht, trotz Absinkens der Betriebskosten die Miete gemäß § 560 Abs. 3 8GB abzusenken, nicht, so steht dem Mieter die Möglichkeit offen,·die sich aus dieser Pflichtverletzung ergebenden Zahlungsansprüche dem Vermieter gegenüber direkt im Wege der Zahlungsklage durchzusetzen (LG Berlin, Urteil vom 15.05.2007, 65 S 334/06, recherchiert unter juris). Dann aber kann der Mieter die Klage auf Abgabe einer Erklärung nach § 560 Abs. 3 BGB auch mit der Zahlungsklage verbinden. …
06.06.2018