Leitsatz:
Allein die anlässlich einer Anhörung gemäß § 28 VwVfG erfolgte Mitteilung der Behörde an den Mieter, dass die beantragte Nutzungsänderung nicht genehmigungsfähig sei, vermag einen Mangel des Mietobjektes im Sinne des § 536 BGB nicht zu begründen und damit auch eine außerordentliche Kündigung nach § 543 BGB nicht zu rechtfertigen; dem Mieter ist es grundsätzlich zuzumuten, eine Bescheidung seines Nutzungsänderungsantrages abzuwarten.
BGH vom 20.11.2013 – XII ZR 77/12 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 13 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Parteien stritten um Mietzahlungen und die Wirksamkeit der von der gewerblichen Hauptmieterin ausgesprochenen Kündigung ihres Geschäftsraummietvertrages.
Grund für die mieterseitige Kündigung am 6. September 2010 war folgender Sachverhalt: Die Untermieterin hatte beim zuständigen Landkreis die Genehmigung einer Nutzungsänderung beantragt. Mit einem als „Anhörung gemäß § 28 VwVfG“ bezeichneten Schreiben vom 15. Juli 2010 teilte der Landkreis der Untermieterin mit, dass der Antrag nicht genehmigungsfähig sei, weil das Vorhaben der Bebauungsplanfestsetzung („Fläche für den Gemeinbedarf Schule“) widerspreche und eine seinerzeit beabsichtigte Planänderung, aufgrund derer der Neubau der vorhandenen Gebäude genehmigt worden sei, nicht zum Abschluss gebracht worden sei.
Am 5. Oktober 2010 erteilte der Landkreis dann doch die Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung. Der BGH entschied, dass zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs kein Mangel vorlag, der die Kündigung gerechtfertigt hätte.
Außer reinen Beschaffenheitsfehlern der Mietsache könnten zwar unter anderem auch behördliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen ihre Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch in einer Weise aufheben oder mindern, dass sie einen Mangel im Sinne von § 536 BGB begründen. Letztere stellten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings nur dann einen Mangel dar, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben. Durch die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen und Gebrauchshindernisse müsse der Mieter in seinem vertragsgemäßen Gebrauch darüber hinaus auch tatsächlich eingeschränkt werden. Diese Voraussetzung sei regelmäßig nur dann erfüllt, wenn die zuständige Behörde die Nutzung des Mietobjekts durch ein rechtswirksames und unanfechtbares Verbot bereits untersagt habe. Dem Mieter sei es deshalb grundsätzlich zuzumuten, die behördlichen Anordnungen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Vorliegend hätte die Mieterin deshalb den Fortgang des Verwaltungsverfahrens abwarten müssen. Eine Kündigung des Mietvertrags wäre erst nach erfolglosem Beschreiten des Rechtsweges gegen den Bescheid der Behörde begründet gewesen.
22.11.2016