Leitsatz:
Zur Berücksichtigungsfähigkeit von Mieterleistungen als abwohnbarer Baukostenzuschuss.
BGH v. 15.2.2012 – VIII ZR 166/10 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 11 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Ein Zwangsverwalter verlangte vom Mieter Räumung des Mietgrundstücks wegen angeblicher Mietrückstände. Im Mietvertrag aus dem Jahre 2001 hieß es: „Die Parteien vereinbaren, dass der Mieter die in der beigefügten Liste aufgeführten Arbeiten in der vorgegebenen wertmäßigen Größenordnung bis zum 31. Dezember 2005 ausführt. Die Verrechnung des Wertes erfolgt unter Berücksichtigung eines Zinssatzes von 5,5 % mit der monatlichen Miete…“
Nach den Behauptungen des Mieters führten die Vermieter am 29.10.2005 eine Schlussabnahme durch und stellten dabei Baukosten von 320 500 Euro fest.
In einem vom Mieter und den Vermietern unterzeichneten Schriftstück hieß es dazu:
“ – festgestellte Baukosten 320 500 Euro
– bereits abgewohnt zwei Jahre
– Mietzeit 18 Jahre + 3 Jahre wegen Nichtnutzbarkeit wegen der Bauzeit
– Das Abwohnen der Baukosten nach Anhang beginnt am 1.1.2004 und endet am 31.12.2023 […]“
Nachdem der Mieter unter Hinweis auf die von ihm vorgenommenen Arbeiten und die mit den Vermietern getroffenen Vereinbarungen eine Mietzahlung an den Zwangsverwalter verweigert hatte, kündigte dieser unter dem 28.7.2006 das Mietverhältnis wegen der ausstehenden Mieten für die Monate Juni und Juli 2006 fristlos.
Vor dem Bundesgerichtshof erhielt der Mieter Recht: Er habe bis Ende 2023 an den Zwangsverwalter oder dessen Nachfolger keine Mieten mehr zu bezahlen. Er sei deshalb auch nicht in Zahlungsverzug geraten. Die Kündigung des Zwangsverwalters sei unwirksam.
Zwar sei nach § 1124 Absatz 2 BGB, der gemäß § 146 Absatz 1, § 148 Absatz 1 Satz 1, § 20 ZVG auch in der Zwangsverwaltung eines Grundstücks gegenüber dem eingesetzten Zwangsverwalter Anwendung finde, eine (Voraus-)Verfügung über Mietforderungen dem Grundpfandgläubiger beziehungsweise Zwangsverwalter gegenüber unwirksam und könne ihm deshalb nicht als Erfüllung entgegen gehalten werden, soweit sie sich auf die Miete für eine spätere Zeit als den zur Zeit der Beschlagnahme beziehungsweise Anordnung der Zwangsverwaltung laufenden Kalendermonat beziehe. Eine Ausnahme von dieser Regel bildeten jedoch Baukostenzuschüsse. Ein Baukostenzuschuss könne in Geld- oder Sachmitteln oder in Arbeitsleistungen erbracht werden.
Die Vorzugsstellung derartiger abwohnbarer Baukostenschüsse liege darin begründet, dass der Mieter durch tatsächliche Leistungen, die an sich vom früheren Eigentümer und Vollstreckungsschuldner hätten aufgebracht werden müssen, einen Sachwert schafft, der dem Grundpfandgläubiger in Form einer Wertsteigerung des Grundstücks zugute komme.
Denn es sei mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zu vereinbaren, wenn der Grundpfandgläubiger oder Zwangsverwalter sich gleichwohl auf eine durch § 1124 Absatz 2 BGB begrenzte Berücksichtigungsfähigkeit einer in solchen Leistungen liegenden Mietvorauszahlung berufen könne. Fazit: Abwohnbare Baukostenzuschüsse von Mietern gehen in der Zwangsverwaltung nicht verloren.
13.01.2013