Leitsätze:
Das Vorkaufsrecht des Mieters nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB entsteht bei dem Verkauf eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten ungeteilten Grundstücks im Grundsatz nur dann, wenn sich der Veräußerer vertraglich zur Durchführung der Aufteilung gemäß § 8 WEG verpflichtet und ferner die von dem Vorkaufsrecht erfasste zukünftige Wohnungseigentumseinheit in dem Vertrag bereits hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar ist.
Es entsteht in der Regel nicht, wenn erst die Erwerber Wohnungseigentum begründen sollen, und zwar auch dann nicht, wenn diese beabsichtigen, die neu geschaffenen Einheiten jeweils selbst zu nutzen („Erwerbermodell“).
BGH v. 22.11.2013 – V ZR 96/12 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 15 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Wohnung befand sich in einem Mehrfamilienhaus mit insgesamt vier Wohnungen. Der Eigentümer verkaufte das Haus am 11.3.2009 für 120.000 Euro ungeteilt an drei Erwerber, nachdem das Landratsamt zuvor die Abgeschlossenheitsbescheinigung erteilt hatte. Die Erwerber ließen noch am Tag des Verkaufs beim selben Notar eine Teilungsvereinbarung gemäß § 3 WEG beurkunden. Danach übte die Mieterin gegenüber dem Verkäufer ihr Vorkaufsrecht nach § 577 Absatz 1 Satz 1 BGB aus und zwar des Inhalts, dass zwischen ihr und dem Verkäufer ein Kaufvertrag über ihre Mietwohnung zum Preis von 30.000 Euro zustande gekommen sei.
Der BGH entschied, dass der Mieterin kein Vorkaufsrecht zustehe.
Das Vorkaufsrecht erstrecke sich nicht auf den Erwerb des gesamten Hauses. Der Mieter solle auch keinen bloßen Miteigentumsanteil an der Immobilie, sondern nur das Eigentum an der von ihm gemieteten Wohnung erwerben können. Weil das Vorkaufsrecht einen Vertrag zwischen Mieter und Verkäufer nach den Bedingungen des mit den Erwerbern geschlossenen Kaufvertrages entstehen lasse, müsste sich der Verkäufer gegenüber den Erwerbern verpflichtet haben, die Aufteilung in Wohnungseigentum vorzunehmen. Das sei hier nicht der Fall gewesen.
Im Einzelfall könne das Vorkaufsrecht allerdings entstehen, wenn ein Rechtsmissbrauch festzustellen sei. Dies setze voraus, dass die Parteien des Kaufvertrags nur zur Ausschaltung des Vorkaufsrechts bewusst auf eine an sich beabsichtigte Teilung durch den Veräußerer verzichteten und die Teilung den Erwerbern überließen. Hier habe das Berufungsgericht jedoch festgestellt, dass der Verkäufer über die bloße Kenntnis von der Absicht der Erwerber hinaus kein eigenes Interesse an der Aufteilung hatte; seine Kenntnis reiche als solche nicht aus, um einen Rechtmissbrauch anzunehmen.
Die Entscheidung des BGH ruft nochmals in Erinnerung, dass die zum 1.5.2013 in Kraft getretene Regelung zum „Münchner Modell“ (BGH: „Erwerbermodell“) nur die Kündigungssperrklausel bei Umwandlung auf solche Fälle erweitert (siehe § 577 a Abs. 1 a BGB), nicht jedoch das mieterseitige Vorkaufsrecht einbezieht. Insoweit ist aus Mietersicht auch hier der Gesetzgeber gefordert.
31.12.2017