Leitsatz:
Grundsätzlich führt es nicht zum Verlust der Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB (Leistungsverweigerungsrecht bei Überschreiten der Opfergrenze), dass der Vermieter den zum Mangel der Mietsache führenden Umstand (Errichtung eines Neubaus direkt an der Grundstücksgrenze) vorsätzlich herbeigeführt hat. Es obliegt in einem derartigen Fall der wertenden Gesamtbetrachtung des Tatrichters, ob er angesichts der von ihm zu berücksichtigenden Gesamtumstände des Einzelfalls die Einrede für begründet erachtet.
BGH v. 22.1.2014 – VIII ZR 135/13 –
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Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Es ging um den republikweit bekannten Fall der in Folge eines Neubaus auf dem Nachbargrundstück zugemauerten Küchen- und Toilettenfenster. Das Landgericht Berlin (vom 7.5.2013 – 63 S 387/12 -, in MM 6/13, Seite 9) hatte den Anspruch der Mieterin auf Rückbau des Neubaus wegen Überschreitens der sogenannten Opfergrenze nach § 275 Absatz 2 BGB abgewiesen. Zwar sei zugunsten der Mieterin eine vorsätzlich mietvertragswidrige Errichtung des Neubaus zu unterstellen. Aber der Erfolg der erstrebten Mangelbeseitigung stehe in keinem Verhältnis zum Aufwand der Mängelbeseitigung, der sich wegen des dafür erforderlich werdenden Teilabrisses des neu errichteten Gebäudes zumindest auf einen namhaften sechsstelligen Betrag belaufe. Zwischen dem Mangelbeseitigungsaufwand und dem Mangelbeseitigungserfolg bestehe daher ein krasses Missverhältnis, zumal von den Beeinträchtigungen nicht zentrale Wohnräume, sondern allein Funktionsräume betroffen seien. In die wertende Gesamtbetrachtung sei einzubeziehen, dass die Mieterin den Baufortschritt hingenommen habe, ohne den Vermieter auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Der BGH erkannte in dieser die Gesamtumstände des Einzelfalles berücksichtigenden Abwägung des Landgerichts keine Rechtsfehler.
03.06.2014