Leitsatz:
Eine sogenannte mietvertragliche Schriftformheilungsklausel hindert den Grundstückserwerber für sich genommen nicht, einen Mietvertrag, in den er nach § 566 Abs. 1 BGB eingetreten ist, unter Berufung auf einen Schriftformmangel zu kündigen, ohne zuvor von dem Mieter eine Heilung des Mangels verlangt zu haben.
BGH v. 22.1.2014 – XII ZR 68/10 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 16 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Im Gewerbemietvertrag stand folgende Klausel: „Alle Vereinbarungen, die zwischen den Parteien getroffen worden sind, sind in diesem Vertrag enthalten. Nachträgliche Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Den Mietvertragsparteien sind die besonderen gesetzlichen Schriftformerfordernisse der §§ 550, 126 BGB bekannt. Sie verpflichten sich hiermit gegenseitig, auf jederzeitiges Verlangen einer Partei alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis Genüge zu tun, und den Mietvertrag nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform vorzeitig zu kündigen. Dies gilt nicht nur für den Abschluss des Ursprungsvertrages/Hauptvertrages, sondern auch für Nachtrags-, Änderungs- und Ergänzungsverträge.“
Im Laufe des Mietverhältnisses vereinbarten die Parteien eine wesentliche Vertragsänderung, die unstrittig gegen die Schriftform verstieß. Als das Grundstück danach verkauft wurde, kündigte der Erwerber unter Berufung auf § 550 BGB. Der Mieter hielt die Kündigung angesichts der vertraglichen Heilungsklausel für unwirksam.
Der BGH sah dies anders: Da die in Rede stehende Heilungsklausel keine Einschränkung dahingehend enthalte, dass sie nur im Verhältnis der ursprünglichen Vertragsparteien Geltung beanspruchen solle, würde sie im Falle ihrer Wirksamkeit auch den Grundstückserwerber betreffen. Auch er hätte deshalb der Verpflichtung nachzukommen, zunächst auf die Heilung des Formmangels hinzuwirken und könnte den formunwirksamen Mietvertrag erst kündigen, nachdem entsprechende Bemühungen erfolglos geblieben seien. Damit ergäbe sich indessen die Situation, vor der § 550 BGB den Grundstückserwerber gerade schützen will. § 550 BGB solle sicherstellen, dass ein späterer Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes auf Seiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Mietvertrag ersehen könne. Darüber hinaus diene er dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien sicherzustellen und diese davor zu schützen, unbedacht langfristige Bindungen einzugehen.
Mit Rücksicht auf den Schutzzweck des § 550 BGB sei es ungeachtet der Frage, ob es sich bei dem Mietvertrag um eine Individualvereinbarung oder einen Formularvertrag handele, mit § 550 BGB nicht vereinbar, den Erwerber aufgrund einer Heilungsklausel als verpflichtet anzusehen, von einer ordentlichen Kündigung Abstand zu nehmen. Er verhalte sich deshalb nicht nach § 242 BGB treuwidrig, wenn er von der in diesem Fall vorgesehenen gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch mache.
Das gelte im Übrigen unabhängig davon, ob dem Erwerber im Einzelfall die Umstände, die vor seinem Eintreten in den Mietvertrag zu der Formunwirksamkeit geführt haben, bekannt waren. Denn wenn der Erwerber aufgrund des Schutzzwecks des § 550 BGB durch eine Heilungsklausel nicht gebunden sei, könne auch eine Kenntnis des Formmangels nicht dazu führen, dass er an dessen Heilung mitwirken müsste.
03.06.2014