Leitsatz:
Zur Zulässigkeit der Bildberichterstattung über das Mieterfest einer Wohnungsbaugenossenschaft in deren an ihre Mieter gerichteten Informationsbroschüre.
BGH vom 8.4.2014 – VI ZR 197/13 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 9 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Eine Wohnungsbaugenossenschaft veröffentlichte in ihrer Broschüre „Informationen der Genossenschaft“ Bilder von einem Mieterfest. Ein Bild zeigt eine Mutter mit ihrem Kleinkind und der Oma, wie sie das Baby füttern. Die Broschüre wurde in der Auflage von 2800 Exemplaren an die Mieter der Genossenschaft verteilt.
Die Großmutter und die Mutter nahmen die Genossenschaft daraufhin auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 3000 Euro wegen Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts in Anspruch und verlangten darüber hinaus die Erstattung von Abmahnkosten.
Der BGH gab der Wohnungsgenossenschaft Recht. Die Veröffentlichung des Bildes verletze keine Rechte der Klägerinnen. Zwar dürften Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 Kunsturhebergesetz – KUG).
Hiervon bestehe allerdings gemäß § 23 Absatz 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handele. Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasse alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Dazu können auch Veranstaltungen von nur regionaler oder lokaler Bedeutung gehören.
Das Mieterfest sei solch ein Ereignis von lokaler gesellschaftlicher Bedeutung. Die Informationsbroschüre der Genossenschaft war an ihre Mieter gerichtet, also an den (beschränkten) Personenkreis, der üblicherweise an dem Fest teilnahm und entsprechend der Ankündigung eingeladen war, im Folgejahr teilzunehmen. Das Recht, über solche zeitgeschichtlichen Ereignisse aus dem gesellschaftlichen Bereich zu berichten, stehe grundsätzlich auch der Genossenschaft zu, wenn sie eine Informationsbroschüre herausgebe; denn auch eine solche Broschüre gehöre zu den Medien. Die Wohnungsbaugenossenschaft könne sich unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 GG auf ein schützenswertes Interesse berufen, ihre Genossenschaftsmieter im Bild über den Ablauf und die Atmosphäre der Veranstaltung zu informieren. Die Bildberichterstattung der Genossenschaft über das Mieterfest in ihrer Informationsbroschüre an ihre Mieter erfülle eine wichtige Funktion, denn ein solches Fest pflege und schaffe gute nachbarschaftliche Beziehungen. Die Berichterstattung vermittele den Eindruck, dass die Mitbewohner sich in der Wohnungsbaugenossenschaft wohlfühlten und es sich lohne, dort Mitglied beziehungsweise Mieter zu sein.
Die Beeinträchtigung der Rechte der Mieterinnen durch das – ohne Namensnennung – veröffentlichte Foto sei dagegen gering. Es handelte sich um ein für alle Mieter und Mitbewohner zugängliches Fest, über welches die Genossenschaft schon in den Vorjahren in ihrer Mieterbroschüre in Bildern berichtet hätte. Das Bild sei auch in keiner Weise unvorteilhaft oder ehrverletzend.
Da somit die von den Mieterinnen angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung auch ohne ihre Einwilligung zulässig gewesen sei, bestünde weder ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten noch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
29.11.2015