Beschädigungen der Mietsache in Folge vertragswidrigen Handelns hat ein Mieter gemäß §§ 280 Abs. 1, 538 BGB auch dann zu vertreten, wenn ihn daran kein Verschulden trifft (hier: rückwärtiges Hineinfallen in eine Glastür in Folge unvorhersehbarer Ohnmacht).
LG Berlin vom 13.12.2023 – 64 S 81/23 –,
mitgeteilt von VRiLG Jörg Tegeder
Die Mieterin nahm die Vermieterin auf Reparatur eines beschädigten Türflügels der gläsernen Wohnzimmertür in Anspruch und begehrte die Feststellung, dass die Miete bis zur Wiederherstellung der Tür um 7 Prozent gemindert sei. Sie erklärte, sie habe einen Schwindelanfall erlitten und sei gegen die Tür gefallen, wodurch diese beschädigt
worden sei; da sie ein Schuldvorwurf nicht treffe, sei ihre Haftpflichtversicherung nicht bereit, den Schaden auszugleichen.
Das Landgericht wies die Klage der Mieterin ab, obwohl das Gericht nach der persönlichen Anhörung der Mieterin keinen Zweifel daran hatte, dass ihre Schilderung der Wahrheit entspricht und sie plötzlich eine kurzzeitige Ohnmacht erlitt, so vorübergehend die Kontrolle über ihren Körper verlor und mit dem Rücken gegen die Glastür fiel, die dadurch beschädigt wurde.
Auch könne der Mieterin keine fahrlässige Beschädigung der Tür vorgeworfen werden. Denn die von der Mieterin geschilderten Blutdruckschwankungen und die vorangegangene Ohr-Operation rechtfertigten nicht den Vorwurf, die Mieterin hätte sich ohne Unterstützung einer Hilfsperson nicht alleine in ihrer Wohnung aufhalten dürfen, weil sie nach der nur kurze Zeit zurückliegenden Entlassung aus dem Krankenhaus jederzeit mit einem Schwächeanfall hätte rechnen müssen. Vielmehr handele es sich hier um einen Fall „schuldlosen vertragswidrigen Handelns“.
Da gemäß § 538 BGB ein Mieter nur solche Beschädigungen der Mietsache nicht zu vertreten habe, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt werden, das – wenn auch schuldlose – rückwärtige Hineinfallen in die Tür sich aber nicht als „vertragsgemäßer Gebrauch“ beschreiben lasse, habe die Mieterin die entstandene Beschädigung zu vertreten. Nicht anders als wenn die Tür durch ein – schuldloses – Stolpern des Mieters oder etwa – trotz ausreichender Beaufsichtigung – durch ein selbst schuldlos handelndes Kleinkind des Mieters beschädigt worden wäre, liege keine aus Sicht der Mietvertragsparteien rein „zufällige“ Zustandsverschlechterung vor, sondern eine eindeutig dem Risikobereich des Mieters zuzuordnende Fehlbenutzung der Mietsache; es erschiene unbillig, dem Vermieter sozusagen die „Betriebsgefahr“ für den eigenen Körper des Mieters zuzuweisen.
Sei die Mieterin mithin für die Beseitigung des Schadens selbst verantwortlich, so sei die Mangelbeseitigungsklage abzuweisen und könne unabhängig vom Ausmaß der dadurch bedingten Gebrauchsbeeinträchtigung nicht festgestellt werden, dass die Miete wegen des Defekts der Tür nach § 536 BGB gemindert wäre.
Anmerkung: Der Entscheidung ist zuzustimmen. Zu einem anderen Ergebnis könnte man nur kommen, wenn man auch auf diesen Fall § 827 BGB anwenden würde. § 827 Satz 1 BGB lautet: „Wer im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zufügt, ist für den Schaden nicht verantwortlich.“ § 827 BGB drückt den allgemeinen Rechtsgedanken aus, dass die fehlende willentliche Steuerung des eigenen Handelns die Verantwortlichkeit für Schäden ausschließt.
In diesem Sinne hat vor Jahren das AG Mitte in einem vergleichbaren Fall entschieden:
„Muss die Feuerwehr wegen eines epileptischen Anfalls des Mieters dessen Wohnungseingangstür aufbrechen, steht dem Vermieter gegen den Mieter kein Schadensersatzanspruch in Höhe der Reparaturkosten zu, weil der Mieter für den Schaden an der Tür gemäß §§ 827, 276 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht verantwortlich ist“ (AG Mitte vom 8.4.2013 – 20 C 321/12 –).
Unter Zugrundelegung der hiesigen Entscheidung des Landgerichts dürfte das damalige Urteil des AG Mitte aber nicht zutreffen sein. Das durch den Mieter veranlasste (!?) Aufbrechen der Wohnungseingangstür übersteigt den vertragsgemäßen Gebrauch nach § 538 BGB, egal ob den Mieter ein Verschulden trifft oder nicht.
Unabhängig davon dürfte die Berufung auf § 827 BGB zumeist an der schwierigen Beweisverteilung scheitern. Denn ist streitig, ob der Schädiger bei der Verursachung des Schadens bewusstlos war, so trifft ihn die Beweislast für die Bewusstlosigkeit; nicht etwa hat der Geschädigte den Beweis für eine vom Willen beherrschbare Handlung des Schädigers zu führen (BGH vom 1.7.1986 – VI ZR 294/85 –).
Im Übrigen ist bei kleineren Schäden die Billigkeitshaftung nach § 829 BGB zu beachten.
Versicherungsrechtlich ist zu unterscheiden: Die Wohngebäudeversicherung des Eigentümers und Vermieters erstreckt sich zwar auch auf Glasbruch, der Leistungsumfang deckt bei Weiten aber nicht jeden Schadensfall ab. Die Versicherung kommt nur in folgenden Fällen für den Schaden auf:
- Feuer
- Sturm (ab Windstärke 8)
- Hagel
- Leitungswasser
- Blitzschlag
- Explosion und Implosion
- Überspannung
Geht eine Scheibe jedoch – wie vorliegend – aufgrund eines Missgeschicks des Mieters zu Bruch, verweigert die Wohngebäudeversicherung die Kostenübernahme.
In der Privathaftpflichtversicherung des Mieters sind Glasschäden in der Regel ausgeschlossen.
Die Kosten für Glasbruch übernimmt möglicherweise aber die Hausratversicherung, wenn hier der „Glasbruch“ miteingeschlossen ist oder wenn eine gesonderte Glasversicherung abgeschlossen wurde. Allerdings sind auch hier Schäden durch unsachgemäße Behandlung oder Eigenverschulden zumeist nicht mitversichert.
Urteilstext
Gründe
I.
Die Klägerin ist Mieterin, die Beklagte Vermieterin einer Wohnung in Berlin. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Reparatur eines beschädigten Türflügels der gläsernen Wohnzimmertür in Anspruch und begehrt die Feststellung, dass die Miete bis zur Wiederherstellung der Tür um 7 % gemindert sei. Die Klägerin trägt vor, sie habe einen Schwindelanfall erlitten und sei gegen die Tür gefallen, wodurch diese beschädigt worden sei; da sie ein Schuldvorwurf nicht treffe, sei ihre Haftpflichtversicherung nicht bereit, den Schaden auszugleichen.
Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen, §§ 313a, 540 ZPO in Verbindung mit § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
II.
1.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 517, 519, 520 ZPO.
2.
Sie ist jedoch nicht begründet. Im Ergebnis hat das Amtsgericht die Klage zu Recht abgewiesen.
Anders als das Amtsgericht meint, hat die Klägerin nicht schon deswegen nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB selber für die Beschädigung der Tür einzustehen, weil sie ihr mangelndes Verschulden am Eintritt des Schadens nicht beweisen kann. Die Kammer hat nach der persönlichen Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 6. Dezember 2023 keinen Zweifel daran, dass ihre Schilderung der Wahrheit entspricht und sie plötzlich eine kurzzeitige Ohnmacht erlitt, so vorübergehend die Kontrolle über ihren Körper verlor und mit dem Rücken gegen die Glastür fiel, die dadurch beschädigt wurde. Zur Widerlegung einer Verschuldensvermutung und einem Bestreiten mit Nichtwissen bedarf es nach § 286 ZPO nicht zwingend einer förmlichen Beweisaufnahme. Gerade wenn förmliche Beweismittel nicht zur Verfügung stehen und Parteien sich erkennbar in Beweisnot befinden, bietet sich die Parteianhörung zur Aufklärung des Sachverhalts an und kann im Einzelfall eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO rechtfertigen oder schon für sich genommen ausreichen, die erforderlichen Feststellungen zu treffen.
Steht danach fest, dass die Tür objektiv durch eine Verletzung des der Klägerin vertragsgemäß eröffneten ordnungsgemäßen Mietgebrauchs, nämlich durch eine grobe Fehlbedienung, beschädigt wurde, so kann der Klägerin in subjektiver Hinsicht nicht vorgeworfen werden, dass sie die Beschädigung zumindest fahrlässig herbeigeführt habe. Anders als die Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, rechtfertigen die von der Klägerin geschilderten Blutdruckschwankungen und die vorangegangene Ohr-Operation nicht den Vorwurf, die Klägerin hätte sich ohne Unterstützung einer Hilfsperson nicht alleine in ihrer Wohnung aufhalten dürfen, weil sie nach der nur kurze Zeit zurückliegenden Entlassung aus dem Krankenhaus jederzeit mit einem Schwächeanfall hätte rechnen müssen. Vielmehr handelt es sich um einen Fall „schuldlosen vertragswidrigen Handelns“, der in der Kommentarliteratur als „eher theoretisch“ klassifiziert wird, aber eine Haftung des Mieters wohl nicht soll begründen können (vgl. Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, MietR, 16. Aufl. 2024, § 535 Rn. 826, zitiert nach beck-online).
Da gemäß § 538 BGB ein Mieter nur solche Beschädigungen der Mietsache nicht zu vertreten hat, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt werden, das – wenn auch schuldlose – rückwärtige Hineinfallen in die Tür sich aber nicht als „vertragsgemäßer Gebrauch“ beschreiben lässt, hat nach Auffassung der Kammer die Klägerin die entstandene Beschädigung zu vertreten. Nicht anders als wenn die Tür durch ein – schuldloses – Stolpern des Mieters oder etwa – trotz ausreichender Beaufsichtigung – durch ein selbst schuldlos handelndes Kleinkind des Mieters beschädigt worden wäre, liegt keine aus Sicht der Mietvertragsparteien rein „zufällige“ Zustandsverschlechterung vor, sondern eine eindeutig dem Risikobereich des Mieters zuzuordnende Fehlbenutzung der Mietsache; es erschiene unbillig, dem Vermieter sozusagen die „Betriebsgefahr“ für den eigenen Körper des Mieters zuzuweisen.
Ist die Klägerin mithin für die Beseitigung des Schadens selbst verantwortlich, so ist die Mangelbeseitigungsklage abzuweisen und kann unabhängig vom Ausmaß der dadurch bedingten Gebrauchsbeeinträchtigung nicht festgestellt werden, dass die Miete wegen des Defekts der Tür nach § 536 BGB gemindert wäre.
3.
Die Kostenentscheidung folgt § 97 Abs. 1 ZPO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht. Grundsätzliche, ihrer Bedeutung nach über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfragen sind nicht betroffen. Eine Revisionszulassung zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist ebenfalls nicht geboten.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2, 47, 41 Abs. 5 GKG.
31.03.2025