Leitsatz:
Zur Frage, wann dem Mieter ein Anspruch auf Aushändigung des Schlüssels zum Hoftor zustehen kann.
AG Charlottenburg vom 9.1.2018 – 224 C 254/17 –
Mitgeteilt von RA Ludger Freienhofer
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Im Hof befinden sich Fahrradständer. Um über die Haupteingangstür in den Hof zu gelangen, muss man mehrere Stufen nach oben und nach unten überwinden. Über ein Hoftor ist der Innenhof ohne die Überwindung von Treppen zu erreichen. Das Tor dient als Zugang zum Müllplatz. Die Abfallentsorgungsunternehmen haben einen Schlüssel dafür. Die Mieterin ist aufgrund von mehreren Rückenoperationen nicht mehr in der Lage, ihr Fahrrad über die Treppen zu heben. Sie bat die Hausverwaltung um Übersendung eines Schlüssels für das Hoftor. Die Hausverwaltung teilte daraufhin mit, der Vermieter wünsche nicht, dass ein Schlüssel für das Hoftor an Mieter übergeben werde. Durch eine Herausgabe des Schlüssels würde die Sicherheit in dem Objekt gefährdet, da dies zur Konsequenz hätte, dass auch Unbefugte in den Hof gelangen könnten.
Vor dem Amtsgericht bekam die Mieterin Recht. Sie habe einen Anspruch gegen den Vermieter gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Übergabe eines Schlüssels für das Hoftor.
Ein Mieter müsse durch die Übergabe sämtlicher Schlüssel in die Lage versetzt werden, die Mietsache vertragsgemäß zu gebrauchen. Das Recht des Mieters zur Benutzung der gemieteten Räume erstrecke sich auch ohne vertragliche Vereinbarung auf das Recht zur Mitbenutzung der Gemeinschaftsflächen des Hauses.
Als Mieterin einer Wohnung in dem Haus habe sie Anspruch auf Nutzung des Hofs zum Abstellen ihres Fahrrades. Sie habe ferner einen Anspruch auf einen nutzbaren Zugang zu dem im Hof vorhandenen Fahrradabstellplatz. Es sei der Mieterin nicht zuzumuten, ihr Fahrrad über den Haupteingang auf den Hof zu bringen, da dies die Überwindung von Treppen erfordere. Über das vorhandene Hoftor sei hingegen ein ebenerdiger Zugang möglich. Die Mieterin habe ein besonderes Interesse an einem ebenerdigen Zugang zum Hof, da sie aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht in der Lage sei, ihr Fahrrad zu tragen. Der Vermieter habe auch kein überwiegendes Interesse daran dargetan, der Mieterin diesen bequemeren Zugang zum Hof zu verwehren. Die vom Vermieter angeführten allgemeinen Sicherheitsbedenken genügten hierfür nicht. Es sei nicht ersichtlich, dass die Benutzung des Hoftors als Zugang zum Fahrradabstellplatz durch die Mieterin dazu führen würde, dass Unbefugte auf das Grundstück gelangen könnten. Denn das Tor stehe, wenn der Mieterin eine Benutzung ermöglicht werde, nicht dauerhaft offen, vielmehr werde es, wie das auch bei der Haupteingangstür der Fall sei, nur für den Moment des Hindurchgehens geöffnet und sei in der restlichen Zeit geschlossen.
Urteilstext
Tatbestand
Die Klägerin ist Mieterin, die Beklagte Vermieterin der Wohnung G.-Straße xx, 1xxxx Berlin, Vorderhaus, 2. OG links. Die Miete beträgt 566,01 €.
Im Hof befinden sich Fahrradständer. Um über die Haupteingangstür in den Hof zu gelangen, muss man mehrere Stufen nach oben und nach unten überwinden. Über ein Hoftor ist der Innenhof ohne die Überwindung von Treppen zu erreichen. Das Tor dient als Zugang zum Müllplatz. Die Abfallentsorgungsunternehmen haben einen Schlüssel dafür. Das Tor führt zum Grundstück D.-straße x.·Die Klägerin ist aufgrund von mehreren Rückenoperationen nicht mehr in der Lage,·ihr Fahrrad über die Treppen zu heben. Die Klägerin bat die Hausverwaltung um Übersendung eines Schlüssels für das Hoftor. Ihr wurde telefonisch die·Übersendung des Schlüssels zugesagt. Daraufhin erhielt sie von der Hausverwaltung einen Brief. Später teilte die Hausverwaltung der Klägerin mit, die Beklagte wünsche nicht, dass ein Schlüssel für das Hoftor an Mieter übergeben werde.
Mit Schreiben vom·03.05.2016 teilte die Klägerin der Hausverwaltung mit, dass seit dem 26.04.2016 ein störendes regelmäßiges Poch- bzw. Pumpgeräusch zu hören sei und bat um Mangelbeseitigung bis zum 12.05.201.6. Ab Juni 2016 zahlte die Klägerin die Miete unter Vorbehalt. Die Klägerin behauptet: ln der Zeit von Ende April bis Ende November 2016 seien in der Wohnung tagsüber und nachts zu unterschiedlichen Zeiten durchdringende Poch- und Pumpgeräusche aus dem Heizungskeller zu hören gewesen. Begonnen habe dies, nachdem Arbeiten an dem Warmwasserkessel durchgeführt worden seien. Insbesondere in den Abend- und Nachtstunden hätten sich diese Geräusche störend ausgewirkt. Der ihr von der Hausverwaltung übersandte Briefumschlag, habe, als sie ihn in ihrem Briefkasten vorgefunden habe, seitlich einen Schlitz aufgewiesen und sei leer gewesen. Die Hausverwaltung habe·ihr aufgrund ihrer Mitteilung, der Schlüssel sei auf dem Postweg verloren gegangen, versprochen, einen Ersatzschlüssel zu übersenden. Sie habe vom Hauswart des früheren Vermieters bereits im Jahr 2012 auf ihre Bitte einen Schlüssel für das Hoftor erhalten, um den Hof ohne Überwindung von Treppen erreichen zu können.·Dieser Schlüssel habe nicht mehr gepasst, seit nach dem Vermieterwechsel ein neues Schloss eingebaut worden sei
Die Klägerin ist der Ansicht, die Miete sei wegen der Heizungsgeräusche in der Zeit von Juni bis November 2016 um 20 % gemindert gewesen.
Die Klägerin hat mit der am 22.06.2017 zugestellten Klage zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin einen Schlüssel für das Hoftor auszuhändigen und an die Klägerin 679,20 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Mit Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren vom 12.07.2017 ist die Beklagte antragsgemäß verurteilt worden. Gegen das ihr am 15.07.2017 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte mit am 31.07.2017 eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt.
Die Klägerin beantragt, das Versäumnisurteil vom 12.07.2017 aufrechtzuerhalten. Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil vom 12.07.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet: Bei einer von der beauftragten Heizungsfirma in ihrem Auftrag durchgeführten Überprüfung seien keine Geräusche festgestellt worden. Auch andere Mieter hätten keine Poch- bzw. Pumpgeräusche wahrgenommen. Die Hausverwaltung habe den Schlüssel für das Hoftor ohne Absprache mit ihr abgesandt. Durch eine Herausgabe des Schlüssels würde die Sicherheit in dem Objekt gefährdet, da dies zur Konsequenz hätte, dass auch Unbefugte in den Hof gelangen könnten.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 1.10.2017 eine etwaige Gestattung zur Nutzung des Tores widerrufen.
…
Entscheidungsgründe:
Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil ist zulässig, insbesondere ist er form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 339 Abs. 1, 340 ZPO). Der am 31.07.201.7 eingegangene Einspruch wahrt die Einspruchsfrist von zwei Wochen. Da das Versäumnisurteil der Klägerseite am 14.07.2017 und der Beklagten am 15.07.2017 zugestellt worden ist, lief die Einspruchsfrist an sich bis zum 29.07.2017. Da dies ein Sonnabend war, endete die Frist gemäß § 222 Abs. 2 ZPO mit Ablauf des nächstens Werktages, dem 31.7.2017.
Der Einspruch hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Denn die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte gemäߧ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Übergabe eines Schlüssels für das Hoftor.
Der Mieter muss durch die Übergabe sämtlicher Schlüssel in die Lage versetzt werden, die Mietsache vertragsgemäß zu gebrauchen (vgl. Kinne, GE 2017, 1447). Das Recht des Mieters zur Benutzung der gemieteten Räume erstreckt sich auch ohne vertragliche Vereinbarung auf das Recht zur Mitbenutzung der Gemeinschaftsflächen des Hauses (BGH, GE 2006, 1611).
Als Mieterin einer Wohnung in dem Haus hat die Klägerin Anspruch auf Nutzung des Hofs zum Abstellen ihres Fahrrades. Sie hat ferner einen Anspruch auf einen nutzbaren Zugang zu dem im Hof vorhandenen Fahrradabstellplatz. Es ist der Klägerin nicht zuzumuten, ihr Fahrrad über den Haupteingang auf den Hof zu bringen, da dies die Überwindung von Treppen erfordert. Über das vorhandene Hoftor ist hingegen ein ebenerdiger Zugang möglich. Die Klägerin hat ein besonderes Interesse an einem ebenerdigen Zugang zum Hof, da sie, was unstreitig geblieben ist, aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht in der Lage ist, ihr Fahrrad zu tragen. Die Beklagte hat auch kein überwiegendes Interesse daran dargetan, der Klägerin diesen bequemeren Zugang zum Hof zu verwehren. Die von der Beklagten angeführten allgemeinen Sicherheitsbedenken genügen hierfür nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass die Benutzung des Hoftors als Zugang zum Fahrradabstellplatz durch die Klägerin dazu führen würde, dass Unbefugte auf das Grundstück gelangen könnten. Denn das Tor steht, wenn der Klägerin eine Benutzung ermöglicht wird, nicht dauerhaft offen, vielmehr wird es, wie das auch bei der Haupteingangstür der Fall ist, nur für den Moment des Hindurchgehens geöffnet und ist in der restlichen Zeit geschlossen. Darauf, ob der Klägerin in der Vergangenheit die Nutzung des Tores bereits gestattet worden war, kommt es nicht an.
Die Klägerin hat ferner einen Anspruch gegen die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Rückzahlung von Miete in Höhe von 679,20 €.
Die Miete für die streitgegenständliche Wohnung war in der Zeit von Juni bis November 2016 gemäß § 536 BGB in Höhe von jeweils 20 % gemindert. Denn die Nutzung der Wohnung war durch von der Heizung ausgehende Geräusche erheblich beeinträchtigt.
Aufgrund der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass in der Zeit von Juni bis November 2016 in der Wohnung der Klägerin insbesondere in den Abend- und Nachtstunden regelmäßig störende Poch- und Pumpgeräusche zu hören waren.
Die Zeugin S. hat bekundet, dass sie in dem streitgegenständlichen Zeitraum etwa zweimal pro Woche bei der Klägerin zu Besuch gewesen sei. Sie habe die Geräusche gehört, und zwar schon seit Ende April 2016. Es habe geklungen wie Herzschläge und sei ziemlich laut gewesen. Sie sei meist am Abend bei der Klägerin gewesen, häufig bis gegen 23 Uhr. Im Laufe des Abends seien die Geräusche lauter geworden. Weil die Klägerin ihr gesagt habe,·dass die Geräusche die ganze Nacht weitergehen würden, habe sie der Klägerin angeboten, mal bei ihr zu schlafen und sich auszuruhen. Die Heizungsgeräusche seien jedes Mal zu hören gewesen, als sie bei der Klägerin war. Meist seien die Geräusche die ganze Zeit da gewesen, es könne aber auch sein, dass es zwischendurch Pausen gegeben habe. Sie sei wohl auch mal am Nachmittag da gewesen. Auch dann habe sie die Geräusche gehört. Das Geräusch sei mit den Bässen von Musik aus einer Musikanlage zu vergleichen. Es sei so laut gewesen, dass es gestört habe. Wenn sie den Fernseher anhatten, hätten sie diesen lauter stellen müssen, um nicht von den Geräuschen gestört zu sein. Sie sei regelmäßig bei der Klägerin gewesen, um festzustellen, wie es sich mit den Geräuschen entwickelte. Es sei auch darum gegangen, eine Klage wegen der Geräusche vorzubereiten.
Die Zeugin A. hat bekundet, dass sie das Geräusch·zwei Mal gehört habe. Das erste Mal sei, wie sie ihrem Kalender entnehmen könne, am 15.07.2016 gewesen. Sie seien bei einer Ausstellungseröffnung gewesen und danach in der Wohnung der Klägerin. Die Klägerin habe vorher schon oft über die Geräusche geklagt. Es sei ein rhythmisches, dumpfes, tiefes Geräusch gewesen. Zunächst sei es nicht zu hören gewesen. Es habe sie an ein Maschinengeräusch erinnert. Das zweite Mal sei am 05.10.2016 gewesen. Sie sei gegen 19.30 Uhr spontan bei der Klägerin vorbei gekommen. Irgendwann seien die Geräusche dann wieder losgegangen. Nachdem es angefangen hätte, habe es nicht mehr aufgehört. Das Geräusch habe·eine ähnliche Lautstärke gehabt wie Sprechen. Das erste Mal habe sie es nicht sofort gehört, weil sie sich unterhalten hätten. Wenn es still gewesen sei, habe man es sehr deutlich gehört. Die Klägerin habe ihr gesagt, dass es in der Nacht am schlimmsten sei, weil sie nicht richtig schlafen könne.
Die Aussagen der Zeuginnen sind glaubhaft. Sie sind detailreich und in sich widerspruchsfrei. Sie stimmen auch im Kern untereinander überein.
Die Zeuginnen waren auch glaubwürdig. Anhaltspunkte dafür, an der Glaubwürdigkeit der Zeuginnen zu zweifeln, haben sich nicht ergeben.
Aufgrund der andauernden Geräuschbelastung, die insbesondere in den Abend- und Nachtstunden regelmäßig vorhanden war, erscheint eine Minderung der Miete in Höhe von 20 % angemessen. Denn die Störung der Nachtruhe stellt eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung dar.
Daraus ergibt sich ein monatlicher Minderungsbetrag in Höhe von 113,20 €, insgesamt -679,20 € für sechs Monate.
Da die Klägerin die Miete in voller Höhe, aber unter Vorbehalt der Rückforderung gezahlt hat, steht ihr ein Anspruch auf Rückzahlung der anteiligen Miete in Höhe von 679,20 € zu.
Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
22.02.2018