Eine mietvertragliche Indexmietvereinbarung, die ausdrückliche Ausführungen allein zu den indexbezogenen Erhöhungsmöglichkeiten des Vermieters, nicht aber zu den Möglichkeiten des Mieters enthält, den Mietzins indexbezogen abzusenken, ist nicht nur als Individualvereinbarung, sondern auch als vom Vermieter gestellte Formularklausel unwirksam.
LG Berlin II vom 20.6.2024 – 67 S 83/24 –,
mitgeteilt von VRiLG Michael Reinke
Der Mieter verlangte unter Vorbehalt gezahlte Mieterhöhungsbeträge zurück, weil die als Rechtsgrund vom Vermieter herangezogene Indexmietvereinbarung unwirksam war.
Das Gericht teilte die Auffassung des Mieters, da die in § 3 Ziffer 2 des Mietvertrages enthaltene Indexklausel zum Nachteil des Mieters von § 557 b Abs. 1 BGB abweiche.
Eine Indexmietpreisvereinbarung nach § 557 b BGB erfasse nicht nur die Mieterhöhung bei einer Indexsteigerung, sondern auch eine Mietsenkung bei abfallendem Index. Auch wenn der gesetzliche Wortlaut die Absenkung der Miete nicht ausdrücklich erwähne, so folge aus der Gesetzesbegründung, dass bei der Vereinbarung einer Indexmiete eine Anpassung in beide Richtungen erfolgen kann (vgl. BT-Drs. 14/4553, S. 53). Bilde die Indexmietvereinbarung die Möglichkeit zur Absenkung der Miete nicht ab, sei sie als eine sog. Einseitigkeitsklausel, die nur dem Vermieter eine Erhöhung gestatte, im Lichte der Auslegungsparameter der §§ 133, 157 BGB schon als Individualvereinbarung unwirksam. Um einen solchen Fall handele es sich hier, da § 3 Ziffer 2 Satz 2 des Mietvertrages ausdrückliche Ausführungen ausschließlich zu den Erhöhungsmöglichkeiten des Vermieters, nicht aber zu den Möglichkeiten des Mieters enthalte, den Mietzins abzusenken („Hieraus resultierende mögliche Mieterhöhungen kann der Vermieter schriftlich oder in Textform geltend machen.“). Das führe nicht nur zur Teil-, sondern zur Gesamtunwirksamkeit der Klausel.
Im Übrigen sei die Klausel auch als Formularklausel gemäß §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam. Denn in Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB sei die Klausel im Wege der kundenfeindlichsten Auslegung erst recht dahingehend auszulegen, dass kein mieterseitiges Recht zur indexbezogenen Absenkung der Miete bestehe.
Urteilstext
G r ü n d e :
I.
Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen.
Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht der Klage stattgegeben. Den Klägern steht ein Anspruch auf Rückerstattung der unter Vorbehalt gezahlten Miete für die Monate Februar bis April 2023 gemäß § 812 Abs. 1 Satz BGB zu, da sie den Mietzins im Umfang der Indexmieterhöhungen ohne Rechtsgrund entrichtet haben. Die in § 3 Ziffer 2 des Mietvertrages enthaltene Indexklausel ist gemäß § 557b Abs. 5 BGB unwirksam, da sie zum Nachteil der klagenden Mieter von § 557b Abs. 1 BGB abweicht.
Gemäß § 557b Abs. 1 BGB können die Mietvertragsparteien schriftlich vereinbaren, dass die Miete durch den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland bestimmt wird. Eine Indexmietpreisvereinbarung nach § 557b BGB erfasst nicht nur die Mieterhöhung bei einer Indexsteigerung, sondern auch eine Mietsenkung bei abfallendem Index. Auch wenn der gesetzliche Wortlaut die Absenkung der Miete nicht ausdrücklich erwähnt, so folgt aus der Gesetzesbegründung, dass bei der Vereinbarung einer Indexmiete eine Anpassung in beide Richtungen erfolgen kann (vgl. BT-Drs. 14/4553, S. 53). Bildet die Indexmietvereinbarung die Möglichkeit zur Absenkung der Miete nicht ab, ist sie als eine sog. Einseitigkeitsklausel, die nur dem Vermieter eine Erhöhung gestattet, im Lichte der Auslegungsparameter der §§ 133, 157 BGB schon als Individualvereinbarung unwirksam (vgl. Börstinghaus, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, § 557b Rz. 58 m.w.N.). Um einen solchen Fall handelt es sich hier, da § 3 Ziffer 2 Satz 2 des Mietvertrages ausdrückliche Ausführungen ausschließlich zu den Erhöhungsmöglichkeiten des Vermieters, nicht aber zu den Möglichkeiten des Mieters enthält, den Mietzins abzusenken („Hieraus resultierende mögliche Mieterhöhungen kann der Vermieter schriftlich oder in Textform geltend machen.“). Das führt, anders als die Berufung meint, nicht nur zur Teil-, sondern zur Gesamtunwirksamkeit der Klausel (vgl. Emmerich, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2021, § 557b Rz. 40 Schüller, in: BeckOK BGB, 70. Ed., Stand: 1. Mai 2024, § 557b Rz. 29).
Davon ausgehend kommt es auf die Berufungsangriffe gegen die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB nicht mehr an. Allerdings hat das Amtsgericht zutreffend erkannt, dass die Klausel auch gemäß §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam ist. Denn in Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB ist die Klausel im Wege der kundenfeindlichsten Auslegung erst recht dahingehend auszulegen, dass kein mieterseitiges Recht zur indexbezogene Absenkung der Miete besteht. Dass es sich bei den von der Beklagten gestellten Vertragsbedingungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, ergibt sich bereits prima facie aus der Erscheinungsform des Textes und dem Inhalt der mietvertraglichen Regelungen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 5. März 2013 – VIII ZR 137/12, NJW 2013, 1668, beckonline Tz. 5). Auch das hat das Amtsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.
II.
Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen, auch zu der Frage, ob die Berufung vor dem Hintergrund des erteilten Hinweises zurückgenommen wird. Auf die damit verbundene Kostenreduzierung gemäß Nr. 1222 KV weist die Kammer vorsorglich hin.
Hinweis: Das Berufungsverfahren hat sich durch Zurückweisungsbeschluss erledigt.
28.11.2024