1. Die Vereinbarung einer Indexmiete durch Verweis auf die bloße Paragraphenangabe des § 557 b BGB, ohne den Text bzw. Inhalt dieser Vorschrift anzugeben, ist wegen Intransparenz unwirksam.
2. Die Vereinbarung einer Indexmiete im Abschnitt „sonstige Vereinbarungen“ und nicht bei den Regelungen über Miete und Nebenkosten ist als überraschende Klausel im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB unwirksam. Dies gilt auch dann, wenn die Klausel zur Indexmiete die letzte Vereinbarung vor den Unterschriften bildet und dazwischen der Text steht: „Die Mietparteien haben den Mietvertrag gelesen, genehmigt und eigenhändig unterschrieben.“
AG Schöneberg vom 11.4.2024 – 13 C 174/23 –, LG Berlin II vom 13.1.2025 – 63 S 138/24 –,
mitgeteilt von RA Cornelius Krakau
Im Mietvertrag hieß es in „§ 16 Sonstige Vereinbarungen“ unter Punkt 4.4 „Mieter und Vermieter vereinbaren eine Indexmiete gem. § 557 b BGB“.
Mit Schreiben vom 16.5.2023 passte die Vermieterin die monatliche Nettokaltmiete von 1 100,00 Euro um 12,02 Prozent auf 1 232,22 Euro an.
…
Die Mieter zahlten nicht und beantragten stattdessen vor Gericht festzustellen, dass sich die monatliche Nettokaltmiete aufgrund des Schreibens vom 16.5.2023 nicht ab dem 01.7.2023 von 1 100,00 Euro auf 1 232,22 Euro erhöht habe.
Das Amts- und das Landgericht gaben den Mietern Recht.
Die Mietanpassung mit Schreiben vom 16.5.2023 sei nicht wirksam. Die Regelung zur Vereinbarung einer Indexmiete verstoße als Formularklausel gegen § 305 c Abs. 1 BGB. Danach werden überraschende Klauseln, d. h. solche, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil.
Auch der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel und ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle könnten die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen. Derart versteckte Klauseln könnten eine abweichende Erwartung des Vertragspartners wecken. Dabei komme es aber nicht als solches darauf an, an welcher Stelle des Klauselwerks eine Bestimmung stehe, weil grundsätzlich alle Bestimmungen gleich bedeutsam seien und nicht durch die Platzierung einer Bestimmung im Klauselwerk auf deren Bedeutung geschlossen werden könne. Aus der Stellung einer Klausel könne sich ein Überraschungseffekt aber dann ergeben, wenn diese in einem thematischen oder systematischen Zusammenhang stehe, in dem der Vertragspartner sie nicht zu erwarten brauche. Dies sei etwa der Fall bei Regelungen unter einer irreführenden Überschrift. Überschriften und Gliederungen im Vertragswerk dürften vom Vertragspartner ernst genommen werden. Auch die fehlende drucktechnische Hervorhebung einer Klausel könne überraschend sein, wenn eine solche zu erwarten wäre.
Vorliegend befinde sich die Klausel zur Vereinbarung einer Indexmiete nicht in § 3 des Mietvertrages, der sich laut Überschrift mit Miete und Nebenkosten befasst, sondern als Unterpunkt unter § 16, der mit „Sonstige Vereinbarungen“ überschrieben sei und in den Ziffern 1 bis 3 keine materiellen Mietvertragspflichten regele, sondern sich unter anderem mit der formellen Wirksamkeit des Mietvertrags und der Kommunikation der Parteien befasse. Eine Klausel zur Regelung der Miethöhe sei an dieser Stelle und in diesem Zusammenhang als überraschend anzusehen, weil sie nach keinem Verständnis zu der Überschrift „sonstige Vereinbarungen“ passe. Wenn die Regelung der Indexmiete nicht bereits innerhalb der Regelungen zur Miethöhe gemäß § 3 des Mietvertrages vereinbart werden sollte, so wäre jedenfalls eine besondere Kenntlichmachung an anderer Stelle des Mietvertrages zu erwarten gewesen, etwa durch ,,§ 17 – Indexmietvereinbarung“ o. ä.
An der vorstehenden Beurteilung ändere es nichts, dass die Klausel zur Indexmiete die letzte Vereinbarung vor den Unterschriften bildete und dazwischen der Text stehe: „Die Mietparteien haben den Mietvertrag gelesen, genehmigt und eigenhändig unterschrieben.“
Die Klausel verstoße ferner gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie lediglich auf § 557 b BGB verweise, ohne zu erläutern, welcher Inhalt damit gemeint sei.
Denn dem Mieter müsse es möglich sein, ohne Einholung von Rechtsrat die Klauseln zu verstehen. Formularklauseln seien daher in der Regel unwirksam, wenn sie sich (auch) an Verbraucher wenden und aus der Sicht des rechtlichen Laien schwer verständlich seien. Dies sei hier der Fall, da der Inhalt der hiesigen Indexmietvereinbarung nicht ohne den Gesetzestext verständlich werde. Unter anderem fehle etwa ein Hinweis auf den Anknüpfungspunkt der Preisanpassung, nämlich den vom statistischen Bundesamt ermittelten Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland. Daran ändere es nichts, dass dies in Wohnraummietverträgen die einzige Grundlage für eine Indexmiete sei.
Urteilstext
Tatbestand des Amtsgerichts
Die Kläger mieteten mit Vertrag vom 27.12.2021 die Wohnung H.-straße x, 1xxxx Berlin belegen im Vorderhaus, 2. OG links an. Im Mietvertrag heißt es in „§ 16 Sonstige Vereinbarungen“ unter Punkt 4.4 „Mieter und Vermieter vereinbaren eine Indexmiete gem. § 557 b BGB“.
…
Mit Schreiben vom 16.05.2023 passte die Beklagte die monatliche Nettokaltmiete von 1.100,00 € um 12,02% auf 1.232,22 € an.
…
Die Kläger meinen, die Klausel sei einerseits schon räumlich überraschend und andererseits genüge sie den Voraussetzungen des § 557b BGB nicht.
Die Kläger beantragen,
festzustellen, dass sich die monatliche Nettokaltmiete für die von den Klägern innegehaltene Wohnung im Vorderhaus, 2. OG links des Hauses H.-straße x, 1xxxx Berlin aufgrund des Schreibens vom 16.05.2023 nicht ab dem 01.07.2023 von 1.100,00 € auf 1.232,22 € erhöht hat.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, sie sei in der Klageschrift nicht ausreichend bezeichnet. Ferner sei die Klausel wirksam.
…
Entscheidungsgründe des Amtsgerichts
Die Klage ist zulässig, insbesondere haben die Kläger ein hinreichendes Feststellungsinteresse am Umfang ihrer Zahlungsverpflichtungen, da sich die Beklagte der Forderung berühmt. Auch ist die Bezeichnung der Beklagten ausreichend, da die identifizierbar ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, § 253 Rz. 8c). Die Beklagte selbst hat sich im Mietvertrag auch nicht weitergehend bezeichnet, geht also selbst davon aus, dass sie so ausreichend identifizierbar ist.
Die Klage ist auch begründet.
Die Klausel ist bereits nicht Vertragsbestandteil geworden. Bei dem Vertrag handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Hier werden solche Bestimmungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil; §305 c Abs. 1 BGB.
Hier mussten die Kläger schon nach dem äußeren Erscheinungsbild nicht damit rechnen, dass sie eine Indexmiete vereinbaren. Die Regelungen zur Miethöhe sind in § 3 enthalten. Die Kläger brauchten daher nicht davon ausgehen, dass in Ziffer § 16.4.4. weitere Regelungen über die Anpassung der Miethöhe enthalten sind.
Selbst wenn man dies jedoch anders sehen würde, ist die Vereinbarung nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Hiernach ist eine Vereinbarung unwirksam, wenn sie nicht hinreichend klar und verständlich ist. Das ist hier der Fall. Der bloße Verweis auf eine Rechtsvorschrift ist unzureichend, wenn nicht auch über den Inhalt der in Bezug genommenen Norm unterrichtet wird (vgl. EuGH NJW 2013, 2253 Rn 50). Zwar wurde dort ein Regelungswerk in Bezug genommen, welches für den Vertrag eigentlich keine Anwendung fand, während das BGB hier grundsätzlich Anwendung findet. Der Gedanke wird aber auch bereits im nationalen Mietrecht, etwa bei der Abbedingung von § 545 BGB in Allgemeinen Geschäftsbedingungen angewandt (vgl. OLG Schleswig, Rechtsentscheid vom 27.03.1995 – 4 RE-Miet 1/93). Dahinter steht letztlich der Gedanke, dass hinreichende Transparenz dann nicht mehr gegeben ist, wenn zum Verständnis der AGB vom durchschnittlichen Adressaten weitere Dokumente gelesen werden müssen. Ob es sich hierbei um Normen handelt die sich innerhalb eines Regelungswerks befinden, welches auf das Vertragsverhältnis Anwendung findet ist aus Sicht des Gerichts zweitrangig, weil allein durch die Verweisungstechnik die Regelung aus sich selbst heraus nicht mehr verständlich ist. Wo genau sich die in·Bezug genommene Regelung befindet ist demgegenüber zweitrangig, da durch einfache Internetsuche auch anderweitige Regelungswerke mit nur geringem Aufwand aufgefunden werden können.
Auch wenn man dies anders sehen würde, bliebe die Regelung jedoch unwirksam, da § 557 b BGB lediglich Mindestanforderungen an die wirksame Vereinbarung einer Indexmiete regelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis des Landgerichts nach § 522 Abs. 2 ZPO
… Aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung ist die Mietanpassung mit Schreiben vom 16.5.2023 nicht wirksam. Die Regelung zur Vereinbarung einer Indexmiete in § 16 Zif. 4.) 4.4. verstößt als AGB-Klausel gegen § 305 c Abs. 1 BGB. Nach Abs. 1 werden überraschende Klauseln, d. h. solche, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil.
Auch der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel und ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle können die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen. Derart versteckte Klauseln können eine abweichende Erwartung des Vertragspartners wecken. Dabei kommt es aber nicht als solches darauf an, an welcher Stelle des Klauselwerks eine Bestimmung steht, weil grundsätzlich alle Bestimmungen gleich bedeutsam sind und nicht durch die Platzierung einer Bestimmung im Klauselwerk auf deren Bedeutung geschlossen werden kann. Aus der Stellung einer Klausel kann sich ein Überraschungseffekt aber dann ergeben, wenn diese in einem thematischen oder systematischen Zusammenhang steht, in dem der Vertragspartner sie nicht zu erwarten braucht. Dies ist etwa der Fall bei Regelungen unter einer irreführenden Überschrift – Überschriften und Gliederungen im Vertragswerk dürfen vom Vertragspartner ernst genommen werden. Auch die fehlende drucktechnische Hervorhebung einer Klausel kann überraschend sein, wenn eine solche zu erwarten wäre (BeckOGK/Bonin, 1.10.2024, BGB § 305c Rn. 38, beck-online).
Vorliegend befindet sich die Klausel zur Vereinbarung einer Indexmiete nicht in § 3 des Mietvertrages, der sich laut Überschrift mit Miete und Nebenkosten befasst, sondern als Unterpunkt unter§ 16, der mit „Sonstige Vereinbarungen“ überschrieben ist und in den Ziffern 1 bis 3 keine materiellen Mietvertragspflichten regelt, sondern sich unter anderem mit der formellen Wirksamkeit des Mietvertrags und der Kommunikation der Parteien befasst. Eine Klausel zur Regelung der Miethöhe ist an dieser Stelle und in diesem Zusammenhang als überraschend anzusehen, weil sie nach keinem Verständnis zu der Überschrift „sonstige Vereinbarungen“ passt. Wenn die Regelung der Indexmiete nicht bereits innerhalb der Regelungen zur Miethöhe gemäß § 3 des Mietvertrages vereinbart werden sollte, so wäre jedenfalls eine besondere Kenntlichmachung an anderer Stelle des Mietvertrages zu erwarten gewesen, etwa durch ,,§ 17 – Indexmietvereinbarung“ o.ä.
An der vorstehenden Beurteilung ändert es nichts, dass die Klausel zur Indexmiete die letzte Vereinbarung vor den Unterschriften bildete und dazwischen der Text steht: „Die Mietparteien haben den Mietvertrag gelesen, genehmigt und eigenhändig unterschrieben.“
Die Klausel verstößt ferner gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie lediglich auf § 557 b BGB verweist, ohne zu erläutern, welcher Inhalt damit gemeint ist.
Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass eine Formularklausel, in der die Parteien zwar eine Gesetzesvorschrift abbedungen haben, aber weder den Regelungsgehalt noch die Rechtsfolgen in dieser Formularklausel wiedergegeben haben, nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 BGB verstößt (OLG Rostock, Urteil vom 29.5.2006 – 3 U 167/05 -, NJW 2006, 3217, beck-online).
Zutreffend daran ist, dass, wenn eine Rechtsvorschrift wörtlich (oder nahezu wörtlich, aber mit gleichem Inhalt) für einen Fall vorgegeben wird, auf den sie anwendbar ist, die Inhaltskontrolle der Klausel entfällt. Richtigerweise sind aber bloße Paragrafenangaben gegenüber Verbrauchern – wie hier – intransparent (vgl. EuGH, Urteil vom 21. 3. 2013 – C-92/11 -, NJW 2013, 2253, Rn. 50, beck-online; OLG Schleswig, Rechtsentscheid vom 27.03.1995 – 4 RE-Miet 1/93 -, NJW 1995, 2858, beck-online; NK-BGB/Andreas Kollmann, 4. Aufl. 2021, BGB § 307 Rn. 57a-58, beck-on line).
Dies folgt daraus, dass es dem Vertragspartner möglich sein muss, ohne Einholung von Rechtsrat die Klauseln zu verstehen. AGB sind daher in der Regel unwirksam, wenn sie sich (auch) an Verbraucher wenden und aus der Sicht des rechtlichen Laien schwer verständlich sind (NK-BGB/Andreas Kollmann, 4. Aufl. 2021, BGB § 307 Rn. 20, beck-online). Dies wäre hier der Fall, da der Inhalt der hiesigen Indexmietvereinbarung nicht ohne den Gesetzestext verständlich wird. Unter anderem fehlt etwa ein Hinweis auf den Anknüpfungspunkt der Preisanpassung, nämlich den vom statistischen Bundesamt ermittelten Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland. Daran ändert es nichts, dass dies in Wohnraummietverträgen die einzige Grundlage für eine Indexmiete ist.
Im vorliegenden Fall kann im Weiteren dahin gestellt bleiben, ob sich es im Mietvertrag darüber hinaus bereits an einer wirksamen Einigung zum wesentlichen Inhalt der Indexmiete fehlt, nämlich der Frage, in welchen Abständen die Miete erhöht werden darf. Dies ergibt sich nicht aus § 557 b Abs. 2 Satz 1 BGB, der nur die Mindestvoraussetzungen regelt.
Nach der Rechtsprechung des BGH zu einer davon zu trennenden Frage ist eine Klausel über die Vereinbarung einer Indexmiete zumindest nicht deshalb intransparent gemäß § 307 Abs. 1 BGB, weil in ihr der Anknüpfungspunkt der Wartefrist des § 557 b Abs. 2 Satz 1 BGB nicht genannt ist. Hiernach muss die Miete während der Geltung einer Indexmiete, von Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 BGB abgesehen, jeweils mindestens ein Jahr unverändert bleiben (BGH, Urteil vom 26. Mai 2021 – VIII ZR 42/20 -, Rn. 36, juris). Die Frage der Einhaltung der Wartefrist wird (erst) mit der konkreten Erhöhungserklärung relevant. Während § 557 b Abs. 1 BGB die Voraussetzungen der Vereinbarung einer Indexmiete regelt, betrifft § 557b Abs. 2 BGB mit der dort enthaltenen Wartefrist die Rechtsfolgen einer (wirksamen) Vereinbarung. Somit ist die Wartefrist eine gesetzliche Voraussetzung für die Wirksamkeit der konkreten Änderungserklärung, nicht jedoch für die eigentliche Vereinbarung einer Indexmiete (BGH, Urteil vom 26. Mai 2021 – VIII ZR 42/20 -, Rn. 38, juris).
Eine Rücknahme der Berufung würde gegenüber einer Entscheidung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zwei Gerichtsgebühren sparen (Ziffern 1220, 1222 KV zu § 3 Abs. 2 GKG).
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.
31.03.2025