Leitsatz:
Überwiegt das Interesse des Mieters an der Herstellung eines ausreichenden Sonnenschutzes auf dem Balkon das Interesse des Vermieters am Schutz der Bausubstanz sowie am Schutz vor optischen und ästhetischen Beeinträchtigungen, kann sich aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Anspruch des Mieters auf Genehmigung des – fachgerechten – Anbaus einer Markise ergeben. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann der Vermieter die Genehmigung davon abhängig machen, dass der Mieter den Abschluss einer Haftpflichtversicherung nachweist und eine zusätzliche Mietsicherheit leistet.
LG Berlin vom 13.3.2023 – 64 S 322/20 –
Mitgeteilt von VRiLG Jörg Tegeder
Urteilstext
Gründe:
I.
Von der Abfassung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die gem. §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
Das Amtsgericht hat zu Recht erkannt, dass der Klägerin gegen die Beklagte gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ein Anspruch auf Gestattung der Anbringung einer Markise an dem Balkon ihrer Wohnung zusteht. Dabei geht es zutreffend unter Bezugnahme auf die zitierte einschlägige Rechtsprechung davon aus, dass die Zustimmung nicht im freien Ermessen des Vermieters liegt, sondern dieser vielmehr die Zustimmung zu erteilen hat, wenn kein triftiger Grund für deren Verweigerung vorliegt bzw. wenn das Interesse des Mieters an der Veränderung das Interesse des Vermieters an der Verweigerung überwiegt. Ein solcher triftiger Grund liegt nicht vor und das Interesse der Klägerin an der Herstellung eines ausreichenden Sonnenschutzes auf dem Balkon überwiegt das Interesse der Beklagten am Schutz der Bausubstanz sowie dem Schutz vor optischen und ästhetischen Beeinträchtigungen. Der Schutz vor Sonne auf dem Balkon gehört als sozial übliches Verhalten zum berechtigten Wohngebrauch des Mieters (AG München Urteil vom 7.6.2013 – 411 C 4836/13 -, Rn. 39 – juris). Demgegenüber führt die Anbringung der Markise am Balkon der Wohnung der Klägerin nicht zu einer für die Beklagte unzumutbaren optischen Beeinträchtigung des Gebäudes. Eine solche ist nicht näher dargetan. Eine optische Beeinträchtigung wird von der Beklagten lediglich pauschal behauptet, andererseits aber hinsichtlich des Aufstellens eines oder mehrerer Standschirme verneint, was unplausibel erscheint. Insoweit hat auch das Amtsgericht zutreffend ausgeführt, dass sich aus dem Vorbringen der Beklagten nicht ergibt, dass unter Berücksichtigung der Architektur des Gebäudes bzw. der Wohnanlage spezielle gestalterische Aspekte gegen die Anbringung einer Markise ergeben. Dies gilt auch unter Berücksichtigung eines möglichen Nachahmungseffekts weiterer Mieter. Weshalb mit dem Anbringen von Markisen an weiteren Balkonen eine größere optische Beeinträchtigung verbunden sein sollte, als mit einem vermehrten Aufstellen von Sonnenschirmen, erschließt sich nicht. Auch die Einwände der Beklagten, der Klägerin würden für ihre Zwecke gleich geeignete Mittel zur Verfügung stehen, die eine mildere Beeinträchtigung der Interessen der Beklagten darstellen würden, greifen aus den zutreffenden Erwägungen des Amtsgerichts nicht durch. Insbesondere gewährleistet die Markise gegenüber Sonnenschirmen oder -segeln den größtmöglichen Schutz gegen die Sonne, ohne die Nutzung des Balkons unzumutbar einzuschränken. Schließlich hat sich auch die Behauptung der Beklagten, dass die Montage der Markise zu Schäden an Putz und Mauerwerk, insbesondere zu einer Beschädigung des Wärmeverbundsystems führe, nicht bestätigt. Die Prüfung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen Sooo hat ergeben, dass die fachgerecht ausgeführte Montage der Markisenanlage gemäß dem von der Klägerin in Bezug genommenen Angebot vom 28.2.2020 mit einem bauaufsichtlich zugelassenen, thermisch getrennten Befestigungssystem keine Schäden am Außenputz, dem Wärmedämmverbundsystem und dem Mauerwerk verursache. Auch der Einwand der Beklagten, dass durch die Befestigung der Markise Wärmebrücken entstünden, kann im Ergebnis nicht durchgreifen. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die von den Markisenbefestigungen ausgehenden Wärmebrückenzuschläge zu vernachlässigen seien und darüber hinaus das von ihm als fachgerecht beschriebene und bevorzugte thermisch getrennte Befestigungssystem den Stand der Technik darstelle und Wärmebrücken minimiere. Die Ausführungen des Sachverständigen sind plausibel und überzeugend. Einwände gegen dessen Feststellungen haben die Parteien nicht erhoben. Soweit die Beklagte schließlich erstmals in der Berufung einwendet, die Anbringung der Markise verstoße gegen den Denkmalschutz, ist sie hiermit bereits gemäß §§ 529, 531 ZPO präkludiert. Darüber hinaus ist der Vortrag auch nicht näher substantiiert, zumal es sich bei der Anlage lediglich um ein Gartendenkmal handelt und die Klägerin bereits mit Schriftsatz vom 10.11.2021 – auch unter Hinweis auf die Anlagen K2 und K4 – darauf hingewiesen hatte, dass es bislang keinerlei Probleme mit einem angeblichen Denkmalschutz gegeben habe. Die Beklagte hatte dazu trotz Hinweis des Gerichts mit Verfügung vom 17.02.2023 keine Stellung mehr bezogen.
Die Beklagte ist allerdings berechtigt, die Gestattung der Anbringung der Markise von der fachgerechten Montage (vgl. Sachverständigengutachten Sooo vom 30.11.2022) sowie dem Abschluss einer entsprechenden Versicherung und einer zusätzlichen Kaution zur Absicherung der voraussichtlichen Kosten der Entfernung der Markise abhängig zu machen (vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 14. Aufl., § 535 Rn. 431 f.; AG Hamburg WuM 2013, 662).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1,100 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Soweit die Klägerin geltend macht, die Beklagte habe sämtliche durch den Parteiwechsel entstandenen Kosten zu tragen, da sie – die Klägerin – über den Eigentumswechsel nicht informiert worden sei, betrifft dies einen möglichen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch, der unberührt bleibt.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Gründe im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO, die die Zulassung der Revision rechtfertigen, sind nicht gegeben.
22.02.2024