Leitsätze:
1. Das Verfahren wird ausgesetzt. Dem Bundesverfassungsgericht wird die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob Art. 1 § 3 MietenWoG Bln in der Fassung vom 11. Februar 2020 (GVBl. 2020, 50) mit Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m §§ 557 Abs. 1, 558 Abs. 1 und 2 BGB unvereinbar und deshalb nichtig ist.
2. Der Bund hat in Ausfüllung der umfassend auch das Mietrecht für preisfreien Wohnraum umgreifenden Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 BGB das Recht zur Mieterhöhung und Mietpreisvereinbarung in den §§ 556 d ff., 557, 558 ff., 559 ff. BGB abschließend geregelt. Diese Regelungen entfalten Sperrwirkung für jeden Landesgesetzgeber und damit auch für das Land Berlin.
3. Der in § 3 MietenWoG Bln angeordnete „Mietenstopp“ wäre – im Falle der Verfassungsgemäßheit des MietenWoG Bln – auch im Zivilprozess zu berücksichtigen. Er würde zur Abweisung der vom Vermieter erhobenen Zustimmungsklage oder sonstiger auf die Erhöhung der Miete gerichteten Klagen als unbegründet führen, sofern nicht der Vermieter bis zum 18. Juni 2019 eine einheitliche vertragliche Vereinbarung in Höhe der nach dem Inkrafttreten des MietenWoG Bln geforderten Miete mit dem Mieter getroffen oder der Mieter bis zum 18. Juni 2019 einem Erhöhungsverlangen des Vermieters freiwillig zugestimmt oder ein bis zum 18. Juni 2019 rechtskräftig gewordenes Urteil die Zustimmung des Mieters gemäß § 894 Satz 1 ZPO ersetzt hat.
LG Berlin v. 12.3.2020 – 67 S 274/19 –
Urteilstext
Gründe:
I.
Die klagende Vermieterin begehrt von den beklagten Mietern die Zustimmung zur Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin schloss mit den Beklagten am 30. Juni 2014 einen Mietvertrag über die streitgegenständliche, 134,91 qm große 4-Zimmer-Wohnung zu einem Nettokaltmietzins von 849,00 EUR. In der Folge vereinbarten die Vertragsparteien mit Wirkung ab dem 1. Januar 2016 eine monatliche Nettokaltmiete vom 895,00 EUR.
Die Klägerin verlangte mit einem den Beklagten am selben Tage zugestellten Mieterhöhungsverlangen vom 8. März 2019, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, die Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete auf 964,61 EUR mit Wirkung ab dem 1. Juni 2019.
Nachdem die Beklagten die Zustimmung vorgerichtlich nicht erteilt hatten, erhob die Klägerin eine am 30. August 2019 eingegangene und den Beklagten – nach am 6. September 2019 erfolgter Einzahlung der Gerichtskosten – am 14. September 2019 zugestellte Klage auf Zustimmung zur verlangten Mieterhöhung, der das Amtsgericht mit am 29. Oktober 2019 verkündetem Urteil, auf das wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, stattgegeben hat.
Gegen das ihnen am 6. November 2019 zugestellte Urteil haben die Beklagten mit am 19. November 2019 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 6. Februar 2020 mit am 30. Januar 2020 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Sie sind der Auffassung, das Erhöhungsverlangen sei formell unwirksam, da die Klägerin die von ihnen innegehaltene Wohnung in das falsche Mietspiegelfeld eingruppiert habe. Außerdem habe das Amtsgericht nicht berücksichtigt, dass der Errichtungszeitpunkt der Wohnung streitig gewesen sei. Sie berufen sich schließlich auf Art. 1 § 3 MietenWoG Bln, der unabhängig vom Zugang des Erhöhungsverlangens eine Miete verbiete, die über die am 18. Juni 2019 vereinbarte Miete hinausgehe.
Die Beklagten beantragen, die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie ist der Auffassung, Art. 1 § 3 MietenWoG Bln sei formell verfassungswidrig, da dem Land Berlin insoweit die Gesetzgebungskompetenz fehle.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf sämtliche zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Der Rechtsstreit ist gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen, da die Vorschrift des Art. 1 § 3 MietenWoG Bln in der Fassung vom 11. Februar 2020 (GVBl. 2020, 50) zur Überzeugung der Kammer mit Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. §§ 557 Abs. 1, 558 Abs. 1 und 2 BGB unvereinbar und für die mit der Berufung verfolgte Klageabweisung entscheidungserheblich ist. Es käme auf die Verfassungsgemäßheit von Art. 1 § 3 MietenWoG Bln nur dann nicht an, wenn die übrigen Berufungsangriffe der Beklagten Erfolg hätten. Daran aber fehlt es, so dass die Kammer nur bei Annahme der Verfassungsgemäßheit der genannten Vorschrift der Berufung der Beklagten stattgeben könnte.
1.
Die nicht mit der Anwendung des Art. 1 § 3 MietenWoG Bln in Zusammenhang stehenden Berufungsangriffe der Beklagten verfangen nicht, da sie dem vom Amtsgericht zuerkannten Zustimmungsanspruch sämtlich nicht entgegen stehen.
Die Zustimmungsklage ist zulässig. Die Klägerin hat die Klagefrist des § 558b Abs. 2 Satz 2 BGB gewahrt. Es ist unschädlich, dass die noch vor Ablauf der Klagefrist bei Gericht eingegangene Klage erst wenige Tage nach Fristablauf an die Beklagten zugestellt wurde, da die Zustellung „demnächst“ i.S.d. § 167 ZPO erfolgte. Das streitgegenständliche Erhöhungsverlangen genügt auch den Anforderungen des § 558a BGB. Soweit die Beklagten rügen, das Erhöhungsverlangen weise ein fehlerhaftes Mietspiegelfeld aus, berührt dies die formelle Ordnungsgemäßheit des Erhöhungsverlangens nicht (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 12. Dezember 2007 – VIII ZR 11/07, NJW 2008, 573, juris Tz. 16). Auch das hat das Amtsgericht zutreffend erkannt.
Mit ihren gegen die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ge richteten Berufungsangriffen dringen die Beklagten ebenfalls nicht durch. Das Amtsgericht hat die ortsübliche Vergleichsmiete verfahrensfehlerfrei unter Zugrundelegung des Berliner Mietspiegels 2019 mit jedenfalls 964,61 EUR ermittelt (vgl. Kammer, Urt. v. 11. April 2019 – 67 S 21/19, WuM 2019, 330, beckonline Tz. 10 f. (zur Anwendbarkeit des Mietspiegels)). Die Einordnung in das Mietspiegelfeld J 5 ist zutreffend erfolgt. Soweit die Beklagten den Errichtungszeitpunkt der Wohnung in Zweifel ziehen, ist die Kammer gemäß § 314 ZPO an die unstreitigen Tatsachenfeststellungen in den Entscheidungsgründen des amtsgerichtlichen Urteils gebunden, da diese von den Beklagten nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angefochten worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 28. Juni 2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, juris Tz. 52; Feskorn, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 314 Rz. 3 m.w.N.).
2.
Die Berufung hätte allerdings Erfolg, wenn Art. 1 § 3 MietenWoG Bln verfassungsgemäß wäre.
Die Berufung macht zu Recht geltend, dass Art. 1 § 3 MietenWoG Bln auf das streitgegenständliche Erhöhungsverlangen anwendbar ist. Gemäß Art. 1 § 3 Abs. 1 Satz MietenWoG Bln ist eine Miete verboten, die die am 18. Juni 2019 wirksam vereinbarte Miete überschreitet.
Die von der Klägerin geltend gemachte Miete überschreitet die in Art. 1 § 3 MietenWoG festgelegte Stichtagsmiete, da diese sich nicht auf die nunmehr verlangten 964,61 EUR, sondern lediglich auf 895,00 EUR belief. Erst nach dem Stichtag getroffene Vereinbarungen über die Höhe des Mietzinses finden für die Bestimmungen der nach dem MietenWoG Bln zulässigen Miete nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Regelung und der ebenso ausdrücklichen Begründung des Landesgesetzgebers keine Berücksichtigung mehr. Art. 1 § 3 MietenWoG Bln hat die Bestandsmieten zum Stichtag 18. Juni 2019 „eingefroren“ (vgl. Abgeordnetenhaus Berlin, Beschlussvorlage vom 28. November 2019 zur Drucks. 18/2347, S. 25; Fraktionsantrag zur Änderung der Beschlussvorlage zur Drucks. 18/2347 vom 21. Januar 2020, S. 6). Der Landesgesetzgeber hat sich im MietenWoG Bln für eine unechte Rückwirkung entschieden, die die zulässige Höhe der Miete nach einem Zeitpunkt bestimmt, der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes liegt (vgl. Grzeszick, ZRP 2020, 37, 41). Ein Vermieter kann sich damit auf eine ihm günstige Stichtagsmiete nur dann mit Erfolg berufen, wenn er bis zum 18. Juni 2019 entweder eine einheitliche vertragliche Vereinbarung in Höhe der nach dem Inkrafttreten des MietenWoG Bln geforderten Miete getroffen oder der Mieter bis zum 18. Juni 2019 einem Erhöhungsverlangen des Vermieters freiwillig zugestimmt oder ein bis zum 18. Juni 2019 rechtskräftig gewordenes Urteil die Zustimmung des Mieters gemäß § 894 Satz 1 ZPO ersetzt hat (vgl. Grzeszick, a.a.O.; Herrlein/Tuschl, NZM 2020, 217, 222; Schultz, GE 2020, 1687, 172; a.A. AG Charlottenburg, Urt. v. 4. März 2020 – 213 C 136/19, juris Tz. 15). Dieses Gesetzesverständnis entspricht – ohne dass es darauf für die Auslegung der Norm im Ergebnis allerdings noch wesentlich ankäme – auch dem des Berliner Senats (vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, https://mietendeckel.berlin.de/mieter/vertrag-alt/mieterhoehung-nein/, abgerufen am 11. März
2020).
Art. 1 § 3 MietenWoG Bln würde der Berufung im Falle seiner Verfassungsgemäßheit zum Erfolg verhelfen, da die Vorschrift eine über die Stichtagsmiete hinausgehende Miete „verbietet“. Es kann insoweit dahinstehen, ob die von der Klägerin erhobene Zustimmungsklage bereits deshalb abzuweisen wäre, weil das auf den Abschluss eines verbotenen Rechtsgeschäfts gerichtete Angebot der Klägerin nicht geeignet wäre, eine Zustimmungspflicht der Beklagten zu begründen, da es bereits als Willenserklärung gemäß § 134 BGB der Nichtigkeit unterfiele (vgl. Ellenberger, in: Palandt, BGB,79. Aufl. 2020, § 134 Rz. 12).
Denn der von der Klägerin verfolgte Zustimmungsanspruch wäre selbst dann unbegründet, wenn § 134 BGB nur auf Rechtsgeschäfte, nicht aber auf Willenserklärungen wie das vom Vermieter ausgebrachte Angebot zur Erhöhung des Mietzinses bis zur ortsüblichen Miete anwendbar wäre (vgl. dazu AG Charlottenburg, a.a.O., juris Tz. 13; Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, § 134 Rz. 25 m.w.N.). Dem Zustimmungsbegehren der Klägerin wäre im Falle der Verfassungsgemäßheit des MietenWoG Bln gemäß § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtsausübung der Erfolg versagt, da sie mit ihrem Erhöhungsverlangen gegen den in Art. 1 § 3 MietenWoG Bln angeordneten „Mietenstopp“ verstieße oder einen derartigen Verstoß nach einer von den Beklagten gerichtlich erwirkten Zustimmung jedenfalls ermöglichen würde. Die Einheit der Rechtsordnung verbietet es aber, ein Verhalten, das öffentlich-rechtlichen Vorgaben zuwiderläuft, mit Mitteln des Privatrechts durchzusetzen (vgl. BGH, Urt. v. 9. Januar 1981 – V ZR 58/79, NJW 1981, 980, juris Tz. 37; Kähler, in: BeckOGK BGB, Stand: 1. März 2020, § 242 Rz. 1267 f.). Genauso läge der Fall hier, wenn die Klägerin auf privatrechtlichem Wege gemäß § 558 BGB eine Abänderung des Mietvertrages verlangen dürfte, die ihr der Landesgesetzgeber durch das mit dem MietenWoG Bln öffentlich-rechtlich geschaffene Miet(preis)recht nicht nur in Art. 1 § 3 MietenWoG Bln ausdrücklich verbietet, sondern die er in Art. 1 § 11 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 MietenWoG Bln sogar als bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit ahndet. Dieser von den Zivilgerichten zu wahrende Grundsatz wird verkannt, soweit geltend gemacht wird, die öffentlich-rechtlichen Regelungen des MietenWoG Bln würden den zivilrechtlichen Zustimmungsanspruch unberührt lassen (so aber AG Charlottenburg, a.a.O., juris Tz. 17). Darüber hinaus würde eine von dem aufgezeigten Grundsatz abweichende Beurteilung nicht nur den eindeutigen Gesetzeswortlaut, sondern auch den Sinn und Zweck des MietenWoG Bln, das eine Rechtsausübung ab seinem Inkrafttreten nur noch im Rahmen der nunmehr „gesetzten öffentlich-rechtlichen Grenzen“ gestattet (vgl. Fraktionsantrag zur Änderung der Beschlussvorlage zur Drucks. 18/2347 vom 21. Januar 2020, S. 6), auf unzulässige Weise in sein genaues Gegenteil verkehren.
III.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass Art. 1 § 3 MietenWoG Bln in der Fassung vom 11. Februar 2020 (GVBl. 2020, 50) mit Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. §§ 557 Abs. 1, 558 Abs. 1 und 2 BGB unvereinbar und deshalb formell verfassungswidrig und nichtig ist. Dem Land Berlin fehlt insoweit jede Gesetzgebungskompetenz (vgl. Abramenko, AnwBl Bln 2019, 418; Beuermann, GE 2019, 841; Feldmann, GE 2019, 1469; Herrlein/Tuschl, a.a.O.; Knauthe, ZfIR 2019, 509; Papier, Rechtsgutachten – Landeskompetenz zur Einführung eines sogenannten Mietendeckels, 16; ders., DRiZ 2019, 380, 381; Pickert, GE 2019, 954; Schede/Schuldt, NVwZ 2019, 1572; dies., AnwBl Bln 2019, 414; Schultz, a.a.O., 169; Stelzer, GE 2019, 1473; Theesfeld, in: BeckOK Mietrecht, 18. Ed., Stand: 1. Dezember 2019, § 556d Rz. 70; Wichert, GE 2019, 1356; Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Gutachterliche Stellungnahme, WD 3 – 3000 – 149/19, 3 ff.; Wolfers/Opper, DVBl. 2019, 1446; 1447; a.A. Fischer-Lescano/Guttmann/Schmid, Rechtsgutachten – Landeskompetenzen für Maßnahmen der Mietpreisregulierung, 20; Mayer, DRiZ 2019, 380; Mayer/Artz, Rechtsgutachten – Öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Aspekte eines „Mietendeckels“ für das Land Berlin, 36; Putzer, NVwZ 2019, 283; Weber, JZ 2018, 1022; ders., NZM 2019, 878; ders. ZMR 2019, 389).
Stützen sich der Bund und ein Land im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung jeweils auf Kompetenzbestimmung des Grundgesetzes, so hat die Bundesgesetzgebung nach Maßgabe des Art. 72 Abs. 1 GG Vorrang. Den Ländern steht die Befugnis zur Gesetzgebung gem. Art. 72 Abs. 1 GG zu, solange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Andernfalls entfaltet das Bundesgesetz Sperrwirkung für die Länder. Diesen bleibt Raum für eine eigene Regelung nur, wenn und soweit die bundesrechtliche Regelung nicht erschöpfend ist. Wann eine bundesrechtliche Regelung als erschöpfend anzusehen ist, folgt aus einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes (st. Rspr. des BVerfG, vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 29. März 2000 – 2 BvL 3/96, BVerfGE 102, 99, juris Tz. 83 ff.). Der Erlass eines Bundesgesetzes über einen bestimmten Gegenstand rechtfertigt für sich allein zwar noch nicht die Annahme, dass damit die Länder von eigener Gesetzgebung ausgeschlossen sind; es können noch Bereiche übrig bleiben, deren Regelung für die Gesetzgebung der Länder offen ist. Maßgeblich ist, ob ein bestimmter Sachbereich tatsächlich umfassend und lückenlos geregelt ist bzw. nach dem aus Gesetzgebungsgeschichte und Materialien ablesbaren objektivierten Willen des Gesetzgebers abschließend geregelt werden sollte (vgl. BVerfG, a.a.O.).
Hat der Bund einen Sachbereich in Wahrnehmung einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz in diesem Sinne abschließend geregelt, so tritt die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG für eine Regelung der Länder im selben Sachbereich unabhängig davon ein, ob die landesrechtlichen Regelungen den bundesrechtlichen Bestimmungen widerstreiten oder sie nur ergänzen, ohne ihnen sachlich zu widersprechen. Führt der Vollzug einer landesrechtlichen Bestimmung dazu, dass die bundesrechtliche Regelung nicht mehr oder nicht mehr vollständig oder nur noch verändert angewandt und so in ihrem Regelungsziel nur modifiziert verwirklicht werden kann, so ist dies jedenfalls ein sicheres Anzeichen dafür, dass die landesrechtliche Bestimmung sich auf einem Feld bewegt, das der Bundesgesetzgeber durch eigene Vorschriften bereits besetzt hat (vgl. BVerfG, a.a.O.). Die Länder sind auch nicht berechtigt, eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz dort in Anspruch zu nehmen, wo sie eine abschließende Bundesregelung für unzulänglich und deshalb reformbedürftig halten; das Grundgesetz weist ihnen nicht die Aufgabe zu, kompetenzgemäß getroffene Entscheidungen des Bundesgesetzgebers „nachzubessern“ (vgl. BVerfG, a.a.O.).
Gemessen an diesen Maßstäben sind Art. 1 § 3 MietenWoG Bln und das gesamte MietenWoG Bln formell verfassungswidrig. Der Bund hat in Ausfüllung der umfassend auch das Mietrecht für preisfreien Wohnraum umgreifenden Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 BGB das Recht zur Mieterhöhung und Mietpreisvereinbarung in den §§ 556d ff., 557, 558 ff., 559 ff. BGB abschließend geregelt. Diese Regelungen entfalten Sperrwirkung für jeden Landesgesetzgeber und damit auch für das Land Berlin.
Die Regelungsgegenstände der §§ 556d ff., 557, 558 ff., 559 ff. BGB unterfallen dem Kompetenztitel des Bürgerlichen Rechts. Die Befugnis zur Regelung des bürgerlichen Rechts umfasst alle Normen, die herkömmlicherweise dem Zivilrecht zugerechnet werden. Dabei geht es im Wesentlichen um die Ordnung der Individualrechtsverhältnisse, weshalb die Kompetenz des Bundes für das bürgerliche Recht nicht nur die Regelungen des BGB, sondern auch die vielfältigen Nebengesetze des Privatrechts umfasst (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29. Juni 2016 – 1 BvR 1015/15, BVerfGE 142, 268, beckonline Tz. 54 f.). Für die Eröffnung des bürgerlich-rechtlichen Kompetenztitels spielt es auch keine Rolle, ob die vom Bund geregelte Materie öffentlich-rechtlich geprägt ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8. Juni 1960, BVerfGE 11, 192 juris Tz. 33 f.; Papier, Rechtsgutachten, 7; Schede/Schuldt, NVwZ 2019, 1572, 1573). Gemessen daran ist das in den §§ 556d ff., 557, 558 ff., 559 ff. BGB geregelte Recht zur Mietzinsvereinbarung und -erhöhung im preisfreien Wohnraum als Teil des sozialen Mietrechts dem Kompetenztitel des Bürgerlichen Rechts zuzuordnen (vg l. Herrlein/Tuschl, a.a.O., 227; Schede/Schuldt, a.a.O.; Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, a.a.O., 6; Wolters/Opper, a.a.O., 1448).
Der Bund hat seine auf dem Gebiet des Bürgerlichen Rechts bestehende konkurrierende Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG durch die genannten zivilrechtlichen Vorschriften auch abschließend ausgeübt. Eine bundesgesetzliche Regelung ist dann als abschließend einzustufen, wenn sie einen Sachbereich umfassend und lückenlos regelt oder nach dem aus der Gesetzgebungsgeschichte ablesbaren Willen des Gesetzgebers abschließend regeln sollte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29. März 2000 – 2 BvL 3/96, BVerfGE 102, 99, juris Tz. 83 ff.). So liegt der Fall hier:
Der Bund wollte das Recht zur Mietpreisvereinbarung und -erhöhung in den §§ §§ 556d ff., 557, 558 ff., 559 ff. BGB abschließend regeln und hat es auch abschließend geregelt:
Das gilt zunächst für die durch die sog. „Mietpreisbremse“ in den §§ 556d ff. BGB in einem ausdifferenzierten Regelungssystem getroffenen gesetzlichen Bestimmungen zur Begrenzung der Neuvermietungsmiete auf 110% der ortsüblichen Vergleichsmiete (vgl. Schede/Schuldt, a.a.O., 1575; Wolters/Opper, a.a.O). Der Bund ist dabei ausweislich der Gesetzesbegründung auf Grundlage des durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG für das Bürgerliche Recht eröffneten Kompetenztitels tätig geworden (vgl. BT-Drs. 18/3121, 19). Das BVerfG hat die vom Bundesgesetzgeber geschaffenen Regelungen sämtlich für verfassungsgemäß erachtet und damit auch die formelle Verfassungsgemäßheit einschließlich der in Anspruch genommenen Gesetzeskompetenz bejaht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvR 1595/18, NJW 2019, 3054, beckonline Tz. 51 ff.). Der Gesetzgebungshistorie lässt sich kein einziger Anhalt dafür entnehmen, dass der Bund das Recht zur Vereinbarung von Neuvertragsmieten im preisfreien Wohnraum nicht lückenlos und abschließend regeln wollte oder geregelt hat (vgl. BT-Drs. 18/3121, 1 ff.). Ebenso wenig hat der Bundesgesetzgeber zu erkennen gegeben, Teile der Regelungsmaterie ungeregelt zu belassen und insoweit eine Gesetzgebungskompetenz der Länder eröffnen zu wollen (vgl. BT-Drs. 18/3121, 1 ff.). Er hat vielmehr in unmissverständlicher Fortführung seines bereits eindeutig zum Ausdruck gekommenen Regelungsverständnisses und Regelungskonzeptes durch Gesetz vom 18. Dezember 2018 die bisherige Bestimmung des § 556g BGB mit Wirkung zum 1. Januar 2019 neu gefasst und geändert (BGBl. I S. 2648). Auch insoweit hat sich der Bund auf seine aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG folgende Gesetzeskompetenz berufen und keinen Zweifel daran gelassen, dass er die von der Gesetzesänderung betroffene Materie lückenlos und abschließend regelt (vgl. BT-Drucks 19/4672, 15).
Eine davon abweichende Beurteilung ist nicht dadurch gerechtfertigt, dass § 556d Abs. 2 BGB eine an die Landesregierungen gerichtete Verordnungsermächtigung enthält (so aber Mayer/Artz, a.a.O., 35). Das in den §§ 556d ff. BGB geschaffene Regelungskonzept des Bundes wäre allenfalls dann nicht abschließend, wenn das Land Berlin von der Verordnungsermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung bislang keinen Gebrauch gemacht hätte oder die Verordnungsermächtigung – im hier nicht gegebenen Falle der unterlassenen Umsetzung – dem Land einen eigenständigen Umsetzungsspielraum einräumen würde (vgl. Schede/Schuldt, a.a.O., 1575; Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, 88. EL August 2019, Art. 72 Rz. 96, 99; Wolters/Opper a.a.O.). An beiden Voraussetzungen fehlt es: Denn der Berliner Senat hat nicht nur von der in § 556d Abs. 2 BGB enthaltenen Verordnungsermächtigung durch den Erlass der Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015 Gebrauch gemacht (GVBl. 2015, S. 101). Es kommt hinzu, dass § 556d Abs. 2 BGB den Landesregierungen keinerlei inhaltlichen Ermessensspielraum zum Erlass einer Rechtsverordnung belässt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvR 1595/18, NJW 2019, 3054, beckonline Tz. 111). Damit aber entfalten die §§ 556d ff. BGB für ihre Regelungsmaterie gemäß Art. 72 Abs. 1 GG eine ebensolche Sperrwirkung wie ein Bundesgesetz, das keine an die Länder gerichtete Verordnungsermächtigung enthält (vgl. Schede/Schuldt, a.a.O, 1575; Wolters/Opper, a.a.O.).
Auch die Erhöhung von Mieten während des laufenden Mietverhältnisses hat in den §§ 557 ff. BGB eine abschließende bundesrechtliche Regelung für nicht preisgebundene Mietverhältnisse gefunden. Mit den §§ 558 ff. BGB hat der Bund das sog. Vergleichsmietensystem geschaffen, das es dem Vermieter erlaubt, die Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete zu erhöhen (vgl. Schede/Schuldt, a.a.O., 1575; Wolters/Opper, a.a.O.). Die Regelungen sind gesetzessystematisch mit § 573 Abs. 1 Satz 2 BGB verzahnt, der es dem Vermieter untersagt, das Mietverhältnis zum Zwecke der Mieterhöhung zu kündigen. Bereits die Existenz dieses mit zahlreichen Sonderbestimmungen – wie etwa der durch § 558 Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB in unterschiedlicher Höhe festgelegten Kappungsgrenze – versehenen und in jeder Einzelheit ausdifferenzierten Regelungssystems gebietet den Rückschluss auf den Willen des Bundesgesetzgebers, eine abschließende Regelung treffen zu wollen (vgl. Schede/Schuldt, a.a.O., 1575). Es tritt hinzu, dass der Bund den für die Bemessung der Vergleichsmiete maßgeblichen Beurteilungszeitraum in § 558 Abs. 2 BGB noch unmittelbar vor Inkrafttreten des MietenWoG Bln durch Gesetz vom 21. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2911) zum 1. Januar 2020 geändert hat. Auch diese Gesetzesänderung, die ausweislich der Gesetzesbegründung des Bundesgesetzgebers der – von der Gesetzesbegründung des MietenWoG Bln mit ähnlichem Wortlaut adressierten – Dämpfung des „extrem hohen Anstiegs“ von Angebots- und Bestandsmieten in Ballungszentren dienen sollte (vgl. BT-Drucks 19/14245, S. 1, 2; Abgeordnetenhaus Berlin, Beschlussvorlage vom 28. November 2019 zur Drucks. 18/2347, S. 2, 4, 14, 15, 17) belegt, dass der Bund das Recht zur Mieterhöhung im preisfreien Wohnraum bislang abschließend geregelt hat und auch weiterhin abschließend regeln will. Die in § 556d Abs. 2 BGB enthaltene Verordnungsermächtigung spielt für die Beurteilung des Abschlusses der bundesrechtlichen Regelungen bereits deshalb keine Rolle, weil sie sich ausschließlich auf die Mietpreisbegrenzung bei Neumietverhältnissen, nicht jedoch auf die hier streitgegenständliche Erhöhung des Mietzinses bei Bestandsmietverhältnissen bezieht. Allein diese aber werden von den §§ 558 ff. BGB erfasst.
Die fehlende Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin wird nicht dadurch beseitigt, dass sich der Landesgesetzgeber auf den Kompetenztitel für das „Wohnungswesen“ aus Art. 74 Satz 1 Nr. 18 GG a.F. berufen und nach seinem Selbstverständnis mit dem MietenWoG Bln „öffentlich-rechtliche Mietpreisregelungen“ getroffen hat, die das bürgerlich-rechtliche Regelungsregime lediglich um ein hoheitliches Regelungssystem „ergänzen“ (vgl. Abgeordnetenhaus Berlin, Drucks 18/2347, a.a.O., S. 16 f.; Weber, NZM 2019, 878). Diese Sichtweise verkennt nicht nur den Regelungsgehalt des Art. 74 Satz 1 Nr. 18 GG, sondern bereits grundlegend auch das Konzept der konkurrierenden Gesetzgebung sowie die von den Ländern zu beachtenden Gebote bundesstaatlicher Rücksichtnahme und der Widerspruchsfreiheit von Bundes- und Landesrecht (vgl. Papier, DRiZ 2019, 380, 381; Schede/Schuldt, a.a.O., 1575 f.):
Das Land Berlin kann sich bereits nicht mit Erfolg auf den Kompetenztitel für das „Wohnungswesen“ berufen. Zwar wurde den Bundesländern im Zuge der Föderalismusreform 2006 der vormals im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung angesiedelte Kompetenztitel des Wohnungswesens überlassen (vgl. Papier, Rechtsgutachen, a.a.O., 5; Putzer, a.a.O., 285; Schede/Schuldt, a.a.O., 1576). Dieser umfasste jedoch nicht die vom Land Berlin nunmehr reklamierte Zuständigkeit für das Wohnungsmiet- und Mietpreisrecht, sondern lediglich die Kompetenz zur Regelung des Wohngeld-, Altschuldenhilfe-, Wohnungsbauprämien-, des Berg-arbeiterwohnungsbau- und Bergmannsiedlungsrechtes sowie des Rechts der sozialen Wohnraumförderung, den Abbau von Fehlsubventionierungen im Wohnungswesen, das Wohnungsbindungs- und das Zweckentfremdungsrecht im Wohnungswesen sowie das Wohnungsgenossenschaftsvermögensrecht (vgl. BT-Drucks. 16/813, S. 13; Herrlein/Tuschl, a.a.O., 227; Papier, a.a.O., 13 f.; Schede/Schuldt, a.a.O., 1576; Wolters/Opper, a.a.O.). Damit könnten öffentlich-rechtliche Mietpreisbegrenzungen auf den ehemaligen Kompetenztitel des Wohnungswesens allenfalls dann gestützt werden, wenn sie ausschließlich die öffentlichen Eigentümer von Wohnungsbeständen, insbesondere landeseigene Wohnungsgesellschaften, verpflichten oder eine Mietpreisbindung a ls Gegenleistung für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Förderung durch Private vorsehen. Für alle freifinanzierten Wohnungsbestände hingegen ist neben den im BGB geschaffenen Regelungen kompetenzrechtlich kein Raum für eine öffentlich-rechtliche Mietpreisregulierung (vgl. Papier, a.a.O., 14; Schede/Schuldt, a.a.O., 1576; Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, a.a.O., 4; Wolters/Opper, a.a.O.).
Die Reichweite des Kompetenztitels für das „Wohnungswesen“ kann allerdings im Ergebnis dahinstehen. Selbst wenn der vom Bund an die Länder überlassene Kompetenztitel für das „Wohnungswesen“ eine – und noch dazu ausschließliche – Gesetzeskompetenz der Länder auch für die streitgegenständliche Regelungsmaterie begründet hätte, könnte sich das Land Berlin nicht mit Erfolg darauf berufen. Denn die Gebote bundesstaatlicher Rücksichtnahme und der Widerspruchsfreiheit von Bundes- und Landesrecht erlauben dem Bundesgesetzgeber im Rahmen der ihm eingeräumten Gesetzgebungskompetenz die umfassende Regelung einer Materie auch dann, wenn dafür eine anteilige und ausschließliche Gesetzeskompetenz der Länder besteht (vgl. BVerfG, Urt. v. 27. Oktober 1998 – 1 BvR 2306/96, BVerfGE 98, 265, juris Tz. 157 Feldmann, GE 2019, 1469; Papier, a.a.O., 7). Maßgebend ist der Regelungszusammenhang. Eine Teilregelung, die bei isolierter Betrachtung einer Materie zuzurechnen wäre, für die der Bundesgesetzgeber nicht zuständig ist, kann gleichwohl in seine Kompetenz fallen, wenn sie mit dem kompetenzbegründenden Schwerpunkt der Gesamtregelung derart verzahnt ist, dass sie als Teil der Gesamtregelung erscheint (vgl. BVerfG, Urt. v. 27. Oktober 1998 – 1 BvR 2306/96, BVerfGE 98, 265, juris Tz. 157).
So liegt der Fall hier, selbst wenn es sich bei den Regelungen des MietenWoG Bln um eine öffentlich-rechtlich ausgestaltete Regelung des Verwaltungsrechts handeln sollte: Die im MietenWoG Bln getroffenen Regelungen sind mit den vom Bundesgesetzgeber in Wahrnehmung seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GG geschaffenen Regelungen der §§ 556d ff., 557, 558 ff., 559 ff. BGB – wenn auch auf widersprüchliche Art und Weise – so eng und unauflösbar verflochten, dass sie als Teil der vom Bundesgesetzgeber geschaffenen Gesamtregelung erscheinen (vgl. Herrlein/Tuschl, a.a.O., 228; Papier, a.a.O., 8; Schede/Schuldt, a.a.O., 1575; Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, a.a.O., 4; Wolters/Opper, a.a.O.).
Es tritt hinzu, dass das Land Berlin bei der Schaffung des MietenWoG Bln die Gebote bundesstaatlicher Rücksichtnahme und der Widerspruchsfreiheit von Bundes- und Landesrecht nicht beachtet hat. Sie setzen der Kompetenzausübung der Länder Schranken, indem sie es dem Landesgesetzgeber untersagen, konzeptionelle Entscheidungen des Bundesgesetzgebers durch eine auf einer landeseigenen Spezialkompetenz gründende Einzelentscheidung zu verfälschen. Es ist untersagt, inhaltlich gegenläufige Regelungen an den Normadressaten zu richten, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen (vgl. BVerfG, Urt. v. 27. Oktober 1998 – 1 BvR 2306/96, BVerfGE 98, 265, juris Tz. 157). Genau diese – verfassungsrechtlich untersagte – Konfliktlage ist jedoch in Berlin seit Inkrafttreten des MietenWoG Bln verwirklicht: Während der Bundesgesetzgeber die Erhöhung des Mietzinses bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete gemäß § 558 Abs. 1 BGB gestattet, untersagt sie der Landesgesetzgeber in Art. 1 § 3 MietenWoG Bln unabhängig von der Höhe der ortsüblichen Miete, sofern die verlangte Miete die am 18. Juni 2019 wirksam vereinbarte Miete überschreitet. Während der Bundesgesetzgeber die Wirksamkeit der Vereinbarung einer Neuvermietungsmiete gemäß §§ 556d Abs. 1, 556g BGB erst ab einer Höhe von 110% der ortsüblichen Vergleichsmiete beschränkt, untersagt der Landesgesetzgeber sie nach Maßgabe der in Art. 4 Abs. 1 Satz 2 MietenWoG Bln getroffenen Übergangsregelung gemäß Art. 1 § 5 MietenWoG Bln unabhängig von der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete. Damit ist die Rechtsordnung im Lande Berlin im hier streitgegenständlichen Kontext seit Inkrafttreten des MietenWoG Bln evident widersprüchlich. Das hat zur Folge, dass die vom Landesgesetzgeber geschaffenen Regelungen als bereits formell verfassungswidrig zu weichen haben. Denn ihr Vollzug würde dazu führen, dass die – in den §§ §§ 556d ff., 557, 558 ff., 559 ff. BGB kodifizierten – Regelungen des Bundesgesetzgebers nicht mehr oder nicht mehr vollständig oder nur noch verändert angewandt und so in ihrem Regelungsziel allenfalls modifiziert verwirklicht werden können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29. März 2000 – 2 BvL 3/96, BVerfGE 102, 99, juris Tz. 84; Feldmann, a.a.O., 1471; Papier, a.a.O., 10; Pickert, GE 2019, 954, 955; Schede/Schuldt, a.a.O., 1576; Wolters/Opper, a.a.O.). Sofern gegen diese Wertung ins Feld geführt wird, „wechselseitige Sperrwirkungen seien föderalismusfreundlich auszulegen“ und „kleinere Unstimmigkeiten zwischen Bundes- und Landesrecht“ hinzunehmen (so Fischer-Lescano/Guttmann/Schmid, a.a.O., 12), führt das zu keiner abweichenden Beurteilung. Denn die unterschiedlichen bundes- und landesrechtlichen Regelungssysteme weisen nicht nur „kleinere Unstimmigkeiten“ auf, sondern widersprechen sich bereits in ihren Grundsätzen diametral (vgl. Papier, a.a.O.; Wolters/Opper, a.a.O.).
Schließlich eröffnet auch Art. 28 VvB, der als Staatszielbestimmung ein „Recht auf Wohnraum“ statuiert, keine Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin für die im MietenWoG Bln geregelte Materie. Die gegenteilige Auffassung (Mayer/Artz, a.a.O., 30), ausweislich derer „der Wertung von Art. 28 VvB bei der Auslegung der bundesrechtlichen Kompetenzreichweite Rechnung zu tragen“ sei, da dies „das Bundesstaatsprinzip des Grundgesetzes gebiete“, entbehrt der verfassungsrechtlichen Grundlage. Denn die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemisst sich gemäß Art. 70 Abs. 2 GG ausschließlich nach den Vorschriften des Grundgesetzes über die ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebung und nicht nach den jeweiligen – und insoweit vollständig unerheblichen – Landesverfassungen sowie den darin getroffenen Staatszielbestimmungen (vgl. Herrlein/Tuschl, a.a.O., 230; Papier, a.a.O., 14; Schede/Schuldt, a.a.O., 1576).
25.05.2020