Leitsatz:
Die Einräumung eines (freiwilligen) 14-tägigen Widerrufsrechts in einem Zustimmungsverlangen zur Mieterhöhung nach § 558 ff BGB lässt das Recht des Vermieters, Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung zu erheben nicht entfallen, wenn der Mieter seine Zustimmung widerrufen hat und der Vermieter in der Mieterhöhungserklärung für den Fall der ausbleibenden Zustimmung eine Zustimmungsklage in Aussicht gestellt hatte.
AG Mitte vom 9.6.2016 – 10 C 109/15 –
Mitgeteilt von RA Norbert Wilke
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Nach nunmehr wohl herrschender Ansicht ist das gesetzliche Widerrufsrecht nach § 312 c BGB in Verbindung mit § 312 g BGB auf die Mieterhöhung nach § 558 BGB nicht anzuwenden. Gleichwohl ist es zulässig, dass eine Vertragspartei der anderen ein Widerrufsrecht freiwillig einräumt (vgl. § 312 Abs. 2 BGB).
In vorliegendem Fall hatte der Vermieter dies in einem Mieterhöhungsverlangen nach § 558 BGB getan, wohl in der irrigen Annahme, dass das gesetzliche Widerrufsrecht doch bestehen könnte. Der Mieter hatte dieses „freiwillige“ Widerrufsrecht so verstanden, dass bei Ausübung desselben der Vermieter den Widerruf des Mieters akzeptiere und auf die Erhebung der Zustimmungsklage verzichte, mit der Folge, dass diese im Falle der Erhebung abgewiesen werden müsse. Der Rechtsgedanke des widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB beziehungsweise § 305 c Abs. 2 BGB analog) sei hier zu beachten: Es könne dem Vertragspartner nicht zunächst ein begründungsloses Widerrufsrecht eingeräumt, die Ausübung desselben sodann aber mit Erhebung der Zustimmungsklage geahndet werden.
Dieser Argumentation folgte das Amtsgericht nicht. Dadurch, dass der Vermieter in dem Erhöhungsschreiben ausdrücklich die Erhebung der Zustimmungsklage für den Fall des Ausbleibs einer Zustimmung angekündigt habe, könne in der Einräumung des Widerrufsrechts kein Verzicht auf die Zustimmungsklage gesehen werden.
Urteilstext
Tatbestand
Die Klägerin verlangt die Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete für die von dem Beklagten bewohnten Wohnung in der L.str. x in 10xxx Berlin. Die Klägerin hat ihr Mieterhöhungsverlangen mit Schreiben vom 18.6.2015 geltend gemacht. Dem Schreiben war eine Widerrufsbelehrung beigefügt. Der Beklagte hat dem Mieterhöhungsverlangen zunächst am 21.8.2015 zugestimmt und seine Zustimmung sodann am 31.8.2015 widerrufen.
Die Klägerin behauptet, der erklärte Widerruf des Beklagten lasse das Zustimmungsbegehren der Klägerin nicht entfallen. Die Klägerin habe nicht den Rechtsschein gesetzt, auf ihr Zustimmungsverlangen verzichten zu wollen.
Die Klägerin beantragt, der Beklagte wird verurteilt, der Erhöhung der Nettokaltmiete für die Wohnung L.-str. x, Vorderhaus , 2. OG Mitte in 10xxx Berlin, von zur Zeit 204,32 € / Monat um einen Betrag in Höhe von 30,65 € / Monat auf 234,97 € / Monat seit dem 1.9.2015 zuzustimmen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, das von der Klägerin eingeräumte Widerrufsrecht könne nur so verstanden werden, dass bei Ausübung des Widerrufs die Klägerin auf die Durchsetzung ihres Zustimmungsverlangens verzichte.
…
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete von bislang 204,32 € um 30,65 € auf 234,97 € mit Wirkung ab dem 1..9.2015 aus den §§ 558 Abs. 1, 558 b Abs. 1 BGB zu.
Soweit die Klägerin dem Beklagten mit dem Mieterhöhungsverlangen eine Widerrufsbelehrung übersandt hat und dem Beklagten ein 14 – tägiges Widerrufsrecht eingeräumt hat, führt die Ausübung des Widerrufs nach zunächst erteilter Zustimmung seitens des Beklagten, nicht dazu, dass das Rechtsschutzinteresse der Klägerin entfällt.
Die Einräumung eines Widerrufsrechts lässt nicht erkennen, dass die Klägerin ihr Zustimmungsverlangen dann nicht mehr geltend machen will, sofern der Erklärungsempfänger von dem eingeräumten Widerrufsrecht Gebrauch macht.
Ein entsprechender Erklärungsinhalt ist der Widerrufsbelehrung weder ausdrücklich noch konkludent zu entnehmen. Das Interesse der Klägerin an der Durchsetzung des Zustimmungsverlangens bleibt hiervon unberührt. Die Interessen des Mieters als Erklärungsempfänger sind ausreichend geschützt. Dem Beklagten ist ein gesetzlicher Überlegungszeitraum gem. § 558 b Abs. 2 BGB eingeräumt worden. Binnen dieser Zeit hat der Mieter ausreichend Gelegenheit, das Mieterhöhungsverlangen inhaltlich zu überprüfen.
Die Klägerin hat durch die beigefügte Widerrufsbelehrung nicht den Anschein gesetzt, sie werde auf ihr Zustimmungsverlangen verzichten. Auch aus dem Mieterhöhungsverlangen vom 18.6.2015 ( letzter Absatz ) geht eindeutig hervor, dass die Klägerin bei Nichtvorliegen einer Zustimmungserklärung bis zum 31.8.2015 ihren Anspruch gerichtlich durchsetzen wird.
Genau dieser Fall liegt hier vor. Der Beklagte hat seine zunächst erteilte Zustimmung widerrufen, so dass zum 31.8.2015 keine Zustimmungserklärung vorgelegen hat.
Im Übrigen streiten die Parteien nicht über den Inhalt des Mieterhöhungsverlangens. Der Sachvortrag der Klägerin gilt gem. § 138 Abs.3 ZPO als zugestanden.
Das Mieterhöhungsverlangen ist dem Grunde und der Höhe nach gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Anmerkung
Das Zustimmungsverlangen enthielt folgende Formulierung:
„Sollte Ihre Zustimmung bis zum Ablauf des zweiten Kalendermonats nach Zugang dieses Schreibens nicht bei uns vorliegen, müssten wir ohne nochmalige Ankündigung zur Erlangung der Zustimmung gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen.“
Zur Motivation des Vermieters erklärte dessen Anwalt schriftsätzlich:
„Die Widerrufsbelehrung erfolgte ausschließlich aus Gründen des Verbraucherschutzes unter Berücksichtigung der nicht abschließend geklärten Rechtsfrage, ob es sich bei dem Mieterhöhungsverlangen und der Zustimmung zu diesem um einen Vertrag handelt, der gemäß §§ 312 Abs. 4, 312 g BGB eine Widerrufsbelehrung enthalten muss.“
30.08.2016