Leitsatz:
Der Vermieter kann sich auch dann mit Erfolg auf die „Vormiete“ im Sinne des § 556 e Abs. 1 Satz 1 BGB berufen, wenn in einem dem Mietvertrag vorhergehenden Mietverhältnis eine die Grenzen des § 556 d Abs. 1 BGB oder seiner Ausnahmetatbestände überschreitende (Vor-) Miete vereinbart wurde, aber eine weitere preisrechtlich zulässige Vormietvereinbarung existiert. Die maßgebliche „Vormiete“ ist dann die geringere – aber preisrechtlich zulässige – Vormiete.
LG Berlin vom 22.9.2022 – 67 S 113/22 –
Zum Urteilstext
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Hinsichtlich der Mietverträge, die nach dem Inkrafttreten der jeweiligen Landesverordnung zur Mietpreisbremse abgeschlossen wurden, gilt, dass wenn die Vormiete ihrerseits unter Verstoß gegen die §§ 556 d bis 556 f BGB gebildet worden ist, sie nicht unter den Bestandsschutz fällt, der Vermieter sich also nicht auf diese hohe Miete berufen kann (so zuletzt das AG Mitte vom 4.8.2022 – 21 C 269/21 –).
Von diesem Grundsatz macht das LG Berlin nun für eine Konstellation eine Ausnahme: In vorliegendem Fall betrug die vereinbarte – und vom Mieter gerügte – Miete 460 Euro. Die nach der Mietpreisbremse zulässige Miete gemäß § 556 d BGB betrug 296 Euro. Die Vormiete aus 2017 betrug 422 Euro. Die Vor-Vormiete aus 2014 – als die Mietpreisbremse noch nicht galt – belief sich auf 380 Euro.
Das Amtsgericht hatte noch geurteilt, dass sich der Vermieter auf keine Vormiete berufen könne, weil die aktuelle Vormiete rechtlich nicht – da gegen § 556 d BGB verstoßend – geschuldet war. Dem Amtsgericht zufolge musste der Mieter nur 296 Euro zahlen.
Dem folgte das Landgericht nicht. Es urteilte, dass der Vermieter sich auf denjenigen Vormiet-Betrag berufen könne, der rechtlich geschuldet war (hier: 380 Euro). Dass die spätere Vormiete (hier: 422 Euro) preisrechtwidrig war, aber von diesem Mieter anstandslos gezahlt wurde, ändere daran nichts. Dies ergebe sich aus der Auslegung von § 556 e Abs. 1 Satz 1 BGB.
Den Ausgangspunkt jeder Gesetzesauslegung bilde grundsätzlich der Wortlaut einer Norm. Denn das nach dem Wortlaut sprachlich Mögliche, also der mögliche Wortsinn, stecke grundsätzlich die Grenzen ab, innerhalb derer ein vom Gesetz verwendeter Begriff überhaupt ausgelegt werden könne.
Gemessen an diesem Maßstab sei es rechtlich unerheblich, dass in dem dem streitgegenständlichen Mietverhältnis unmittelbar vorhergehenden Vormietverhältnis ein höherer Mietzins vereinbart worden sei: Dem Gesetzeswortlaut ließen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass eine Geltendmachung des § 556 e Abs. 1 Satz 1 BGB ausgeschlossen wäre, sofern in einem der Vormietverhältnisse eine die Grenzen des § 556 d Abs. 1 BGB oder des § 556 e Abs. 1 BGB hinausgehende Vormiete vereinbart wurde.
Nur dieses Auslegungsergebnis stehe mit dem gesetzgeberischen Willen sowie dem Sinn und Zweck des § 556 e Abs. 1 Satz 1 BGB in Einklang. Denn ausweislich der Gesetzesbegründung enthalte § 556 e Abs. 1 Satz 1 BGB eine Bestandsschutzregelung „für den Fall, dass die im vorherigen Mietverhältnis geschuldete Miete (Vormiete) die nach § 556 d BGB zulässige Miete übersteigt. In diesem Fall soll der Vermieter nicht gezwungen sein, die Miete im nachfolgenden Mietverhältnis zu senken, denn Zweck der neu eingefügten Vorschriften ist nicht die Absenkung bereits vereinbarter Mietentgelte, sondern die Unterbindung unangemessener Preissprünge bei Wiedervermietung. Rechtsfolge der Regelung in Absatz 1 ist, dass die Vertragsparteien eine Miete in Höhe der Vormiete als Obergrenze wirksam vereinbaren können“ (vgl. BT-Drs. 18/3121, S. 29 f.).
Das Landgericht hat die Revision zum BGH wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Urteilstext
Gründe
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung von 348,82 EUR nebst Zinsen sowie die Feststellung, ab dem 1. November 2021 lediglich zu einer Mietzahlung von nicht mehr als 296,27 EUR nettokalt für die von der Beklagten angemietete Wohnung verpflichtet zu sein. Die Beklagte macht widerklagend die Zahlung von 302,70 EUR sowie die Feststellung geltend, dass der Kläger verpflichtet ist, ab dem 1. November 2021 eine Nettokaltmiete i.H.v. 405,01 EUR monatlich zu zahlen.
Zwischen den Parteien besteht seit dem 1. Juli 2017 ein Mietverhältnis über die streitgegenständliche Wohnung zu einem von den Parteien vereinbarten Nettokaltmiete von monatlich 460,00 EUR. In einem ebenfalls die streitgegenständliche Wohnung betreffenden und am 16. Juni 2015 beginnenden weiteren Mietverhältnis hatte die Beklagte mit einem Vormieter eine monatliche Nettokaltmiete von 422,00 EUR vereinbart, in einem letzterem Mietverhältnis vorhergehenden und am 1. März 2014 beginnenden weiteren Mietverhältnis eine solche von 380,00 EUR.
Der Kläger macht geltend, die preisrechtlich zulässige Miete läge für die streitgegenständliche Wohnung unter Zugrundelegung der bei Mietvertragsbeginn ortsüblichen Vergleichsmiete von 255,29 EUR bei 280,82 EUR. In Folge einer durch Schreiben der Beklagten vom 22. September 2021 erklärten Indexmieterhöhung betrage die geschuldete Nettokaltmiete seit dem 1. November 2021 nunmehr 296,27 EUR monatlich.
Die Beklagte ist der Ansicht, sich auf die gesetzliche Ausnahme des § 556e Abs. 1 BGB berufen zu können. In dem im Jahre 2015 geschlossenen Mietvertrag habe jedenfalls eine Miete i.H.v. 10,00 EUR/m² wirksam vereinbart werden können, da in dem vor Inkrafttreten der sog. Mietpreisbremse im Jahre 2014 begründete weiteren Mietverhältnis eine Miete in eben dieser Höhe vereinbart worden sei. Die im Jahre 2015 getroffene „Vormietvereinbarung“ sei daher lediglich teilunwirksam. Der mit der Widerklage geltend gemachte Zahlungsbetrag i.H.v. 302,70 EUR ergebe sich daraus, dass der Kläger von Mai bis November 2021 statt der geschuldeten Nettokaltmiete von 383,90 EUR tatsächlich 460,00 EUR gezahlt und ihm deshalb ein Guthaben i.H.v. 532,70 EUR zugestanden habe. Wegen der Nichtigkeit des MietenWoG Bln schulde der Kläger jedoch – insoweit unstreitig – 835,40 EUR, woraus sich nach erklärter Aufrechnung der von ihr geltend gemachte Zahlungsanspruch ergebe.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stünde ein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete gegen die Beklagte zu, da er nicht verpflichtet sei, ab dem 01.03.2022 mehr als 296,27 EUR nettokalt für die streitgegenständliche Wohnung zuzüglich der monatlichen Vorauszahlungen auf Heiz- und Betriebskosten zu zahlen. Die Beklagte könne sich nicht auf § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB berufen. Zwar habe im Vormietverhältnis vom 16.06.2015 die Miete 10,99 EUR/m² betragen. Diese Miete sei jedoch nicht „geschuldet“ i.S.v. § 556e Abs. 1 BGB gewesen, weil sie wiederum selbst gegen die §§ 556d ff. BGB verstoßen habe. Insofern käme der Beklagten nicht die Ausnahme des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB hinsichtlich der „Vor-Vormiete“ aus dem Vertrag vom 01.03.2014 zu Gute. Die Vereinbarung einer Vormiete i.H.v. 10,99 EUR/m² in dem Vertrag vom 16.06.2015 sei daher in Gänze unwirksam, eine Begrenzung des unwirksamen Teils auf 0,99 EUR/m² und die Annahme einer zulässigen Vormiete i.H.v. 10,00 EUR/m² sei mit dem Wortlaut der Vorschriften und dem Gesetzeszweck nicht vereinbar. Die nach § 556d Abs. 1 BGB zulässige Miethöhe zu Beginn des Mietverhältnisses habe daher bei 280,82 EUR gelegen. Wegen der von der Beklagten wirksam erklärten Indexmieterhöhung betrage die zulässige Miete ab dem 01.11.2021 nunmehr 296,27 EUR nettokalt.
Die Beklagte rügt mit ihrer Berufung, das Amtsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass eine Vormiete i.H.v. 10,00 EUR/m² nicht habe berücksichtigt werden können. Die Höhe der Vormiete sei nur teilweise unwirksam gewesen. In Höhe von 10,00 EUR/m² sei die Vormiete wirksam vereinbart worden, weil in dem vor Inkrafttreten der Vorschriften der §§ 556d ff. BGB abgeschlossenen Mietvertrag zulässigerweise eine Miete in eben dieser Höhe vereinbart gewesen sei. Demnach ergäbe sich unter Berücksichtigung der Indexmieterhöhung eine von dem Kläger geschuldete Miete i.H.v. 405,01 EUR.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
1. die Klage abzuweisen;
2. gemäß der erstinstanzlich erhobenen Widerklage
a. den Kläger zu verurteilen, an sie, die Beklagte, 302,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.09.2021 zu zahlen;
b. festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, für die Wohnung in der X-Straße eine monatliche Miete in Höhe von 405,01 EUR nettokalt zzgl. monatlicher Vorauszahlung auf die Betriebskosten im Höhe von derzeitig 75,00 EUR zu zahlen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft seine erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die erst- und zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das angefochtene Urteil (Bl. 112-122 d.A.) Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist überwiegend begründet.
1. Die Feststellungs- und Zahlungsklage des Klägers ist unbegründet.
a. Die Feststellungsklage ist unbegründet, da sich die von dem Kläger geschuldete Nettokaltmiete auf zunächst 380,00 EUR und seit dem 1. November 2021 auf 400,90 EUR statt des zum Gegenstand der Feststellung erhobenen Betrages von 296,27 EUR beläuft.
Die von dem Kläger geschuldete monatliche Nettokaltmiete belief sich aufgrund der zwischen der Beklagten und dem „Vor-Vormieter“ mit Mietvertrag vom 24. Februar 2014 vereinbarten Vormiete auf ursprünglich 380,00 EUR und beträgt nach der streitgegenständlichen Indexmietanpassung seit November 2021 400,90 EUR.
Die Beklagte kann sich zunächst mit Erfolg auf § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB berufen. Danach darf eine Miete bis zur Höhe der Vormiete vereinbart werden, wenn die Miete, die der vorherige Mieter zuletzt schuldete (Vormiete), höher als die nach § 556d Abs. 1 BGB zulässige Miete ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Zu Grunde zu legen ist eine Vormiete i.H.v. 380,00 EUR. Diese Miethöhe ist zwischen der Beklagten und dem „Vor-Vormieter“ des Klägers vor Inkrafttreten der Regelungen der §§ 556d ff. BGB – mangels Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen die §§ 5 WiStG, 134 BGB – wirksam im Jahr 2014 vereinbart worden.
Der Geltendmachung dieser Vormiete i.S.v. § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB durch die Beklagte im Verhältnis zum Kläger steht es nicht entgegen, dass mit dem unmittelbaren Vormieter des Mieters im Mietvertrag vom 15. Juni 2015 ein hiervon abweichender höherer und die Preisgrenzen des § 556d Abs. 1 BGB überschreitender Mietzins vereinbart wurde.
Dies ergibt sich aus der Auslegung von § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB.
Für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen. Den Ausgangspunkt jeder Gesetzesauslegung bildet grundsätzlich der Wortlaut einer Norm. Denn das nach dem Wortlaut sprachlich Mögliche, also der mögliche Wortsinn, steckt grundsätzlich die Grenzen ab, innerhalb derer ein vom Gesetz verwendeter Begriff überhaupt ausgelegt werden kann (st. Rspr., vgl. zum Ganzen etwa BGH, Urt. v. 27. Oktober 2021 – VIII ZR 264/19, NJW-RR 2022, 228 Tz. 23 m.w.N.).
Gemessen an diesem Maßstab ist es rechtlich unerheblich, dass in dem dem streitgegenständlichen Mietverhältnis unmittelbar vorhergehenden Vormietverhältnis ein höherer Mietzins vereinbart worden ist:
Nach dem Wortlaut von § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB darf eine Miete bis zur Höhe der Vormiete vereinbart werden, wenn die Miete, die der vorherige Mieter zuletzt schuldete, höher als die nach § 556d Abs. 1 BGB zulässige Miete war. Dabei muss der Vormieter diese Miete rechtlich geschuldet haben. Das Gesetz versteht darunter die von dem vorherigen Mieter zuletzt geschuldete Miete, d.h. den Betrag, den der vorausgegangene Wohnraummieter zuletzt bei Ende seines Mietvertrages tatsächlich als Miete zahlen musste. Daraus folgt, dass § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB nur an eine wirksam vereinbarte Miete in dem Vertrag mit dem Vormieter anknüpft (vgl. V. Emmerich, in: Staudinger, Neubearbeitung 2021, § 556e Rn. 4 m.w.N; BT-Drs. 18/3121, S. 30).
Dem Gesetzeswortlaut lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass eine Geltendmachung des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB ausgeschlossen wäre, sofern in einem der Vormietverhältnisse eine die Grenzen des § 556d Abs. 1 BGB oder des § 556e Abs. 1 BGB hinausgehende Vormiete vereinbart wurde. Vielmehr ergibt sich aus § 556g Abs. 1 BGB, der sich systematisch auch auf § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB bezieht, dass eine zum Nachteil des Mieters von den Vorschriften dieses Unterkapitels abweichende Vereinbarung unwirksam ist, wobei dies für Vereinbarungen über die Miethöhe bei Mietbeginn nur gilt, „soweit“ die zulässige Miete überschritten wird. Demnach bezieht sich die Teilunwirksamkeit nur auf den die zulässige Miete überschießenden Teil (vgl. Börstinghaus, NJW 2015, 1553, 1558), so dass die „Vormiete“ in ihrer zulässigen und damit tatsächlich geschuldeten Höhe maßgebend für § 556e Abs. 1 BGB ist.
Nur dieses Auslegungsergebnis steht mit dem gesetzgeberischen Willen sowie dem Sinn und Zweck des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB in Einklang. Denn ausweislich der Gesetzesbegründung enthält § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB eine Bestandsschutzregelung „für den Fall, dass die im vorherigen Mietverhältnis geschuldete Miete (Vormiete) die nach § 556d BGB zulässige Miete übersteigt. In diesem Fall soll der Vermieter nicht gezwungen sein, die Miete im nachfolgenden Mietverhältnis zu senken, denn Zweck der neu eingefügten Vorschriften ist nicht die Absenkung bereits vereinbarter Mietentgelte, sondern die Unterbindung unangemessener Preissprünge bei Wiedervermietung. Rechtsfolge der Regelung in Absatz 1 ist, dass die Vertragsparteien eine Miete in Höhe der Vormiete als Obergrenze wirksam vereinbaren können“ (vgl. BT-Drs. 18/3121, S. 29 f.). Dieser vom Gesetzgeber zugebilligte Bestandsschutz würde dem Vermieter jedoch ohne sachlichen Grund entzogen, wenn er in einem nach Inkrafttreten der §§ 556d ff. BGB geschlossenen Mietverhältnis – womöglich aus bloßer Unachtsamkeit und lediglich in geringfügigem Umfang – eine die vor Inkrafttreten der §§ 556d ff. BGB vereinbarte Vormiete und die Grenzen des § 556d Abs. 1 BGB oder eine seiner Ausnahmevorschriften überschreitenden Mietzins vereinbaren würde. Es kommt hinzu, dass der durch § 556e Abs. 1 BGB gewährte – unbeschränkte – Schutz des Vormietbestandes des Eigentümers ein maßgebliches Gewicht für die Vereinbarkeit der §§ 556d ff. BGB mit Art. 14 GG zukommt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvR 1595/18, NJW 2019, 3054 Tz. 103).
Eine gegenteilige Auslegung wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber für den Fall einer Überschreitung der aufgezeigten Grenzen dem Vermieter nachteilige Rechtsfolgen im Gesetz geregelt oder jedenfalls in der Gesetzesbegründung mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht hätte. An beidem jedoch fehlt es, anders als etwa bei § 556a Abs. 1a Satz 2 BGB in seinen ab dem 1. Januar 2019 geltenden Fassungen, die jeweils ausdrücklich anordnen, dass sich ein Vermieter nicht auf eine nach § 556e BGB oder § 556f BGB zulässige Miete berufen kann, wenn er dem Mieter über die in § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 1-4 BGB genannten Umstände nicht unaufgefordert Auskunft erteilt hat.
Diese Auslegung steht in Gleichklang mit den vom Gesetzgeber für den Fall einer über die Grenzen des § 556d Abs. 1 BGB hinausgehenden Neuvermietungsmiete. Auch insoweit wird der Vermieter – abgesehen von der Absenkung der vereinbarten Miethöhe auf die nach § 556d Abs. 1 BGB preisrechtlich zulässige Miethöhe und der Teilunwirksamkeit einer etwaigen Kautionsabrede (vgl. dazu Bub, in: Bub/Treier, in: Hdb. der Geschäfts- und Wohnraummiete, Kap. II Rz. 2227.28) – nicht zusätzlich mit ihm unmittelbar nachteiligen Rechtsfolgen dafür belegt, zuvor eine preisrechtlich unzulässige Miete vereinbart zu haben. Für § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB gilt auch vor diesem Hintergrund nichts anderes.
Davon ausgehend ist hier eine Vormiete von 380,00 EUR maßgebend; nur der darüber hinausgehende Teil von 42,00 EUR unterfällt der Unwirksamkeit. Die Kammer hatte insoweit auf die insgesamt vereinbarte „Vor-Vormiete“ abzustellen. Eine gesetzliche Rechtfertigung für die von der Beklagten unter Zugrundelegung einer abweichenden Gesamtfläche ermittelten Quadratmeter-Vor-Vormiete fehlt. Unter Berücksichtigung der streitgegenständlichen – und in ihrer Wirksamkeit unzweifelhaften und unbestrittenen – Indexmieterhöhung (§ 557b Abs. 1 BGB) beträgt die geschuldete monatliche Nettokaltmiete seit dem 01.11.2021 damit 400,90 EUR.
b. Die Zahlungsklage ist unbegründet. Zwar stand dem Kläger ursprünglich ein Anspruch in Höhe von insgesamt 539,10 EUR zu, da er ausgehend von einer monatlichen Nettokaltmiete i.H.v. ursprünglich 380,00 EUR und einer solchen i.H.v. 400,90 EUR seit dem 01.11.2021 jeweils 80,00 EUR für Mai bis einschließlich Oktober 2021 sowie 59,10 EUR für November 2021 überzahlt hat. Der Beklagten stand allerdings eine im Zusammenhang mit der Verfassungswidrigkeit des sog. Mietendeckels stehende Nachforderung i.H.v. 835,40 EUR zu. Nach erfolgter Aufrechnung ist die klägerische Forderung gemäß §§ 387, 389 BGB erloschen.
2. Die Widerklage ist überwiegend begründet.
a. Der Beklagten steht nach erfolgter Aufrechnung aus den Erwägungen zu II.1.b ein überschießender Zahlungsanspruch i.H.v. 296,30 EUR gegen den Kläger zu.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB. Nach erfolgter Zustellung der Widerklage am 30.12.2021 waren Rechtshängigkeitszinsen erst ab dem 31.12.2021 zuzusprechen.
b. Die widerklagend erhobene Feststellungsklage ist aufgrund der vorstehenden Erwägungen zu Ziffer II.1.a in dem aus dem Tenor ersichtlichem Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Soweit die Widerklage hinsichtlich der Feststellung der von dem Kläger geschuldeten Nettokaltmiete hinsichtlich eines Betrages von 4,11 EUR und hinsichtlich des von der Beklagten geltend gemachten Zahlungsanspruchs i.H.v. 6,40 EUR abgewiesen wurde, stellt sich diese Zuvielforderung als verhältnismäßig geringfügig dar und hat auch keine höheren Kosten veranlasst. Insofern war es angemessen, dem Kläger die Kosten insgesamt aufzuerlegen (vgl. Herget, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 92 ZPO Rn. 10).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 ZPO.
4. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, um eine höchstrichterliche Klärung der Frage zu ermöglichen, ob die Berücksichtigung einer Vormiete bis zu ihrer zulässigen Höhe i.S.v. § 556e Abs. 1 BGB zulässig ist, wenn diese Vormiete die „Vor-Vormiete“ überschreitet, die in einem Mietverhältnis vor Inkrafttreten der §§ 556d ff. BGB vereinbart worden war.
25.04.2023