Leitsatz:
Ein Verstoß gegen die vorvertragliche Informationsobliegenheit nach § 556 g Abs. 1a BGB führt für den gesetzlich bestimmten Mietzeitraum zu einem endgültigen Anspruchsverlust des Vermieters; § 556 g Abs. 1a Satz 3 BGB kann nicht dahin ausgelegt werden, dass die 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete übersteigenden Mietbeträge lediglich gesetzlich gestundet würden und nach Ablauf der Zweijahresfrist nachgefordert werden könnten.
LG Berlin vom 29.12.2022 – 64 S 254/22-
Mtgeteilt von VRiLG Jörg Tegeder
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Hat der Vermieter die Informationen nach § 556 g Absatz 1a Satz 1 BGB (z.B. über höhere Vormiete oder eine vorgenommene Modernisierung) nicht erteilt, kann er sich nach § 556 g Absatz 1a Satz 2 BGB nicht auf die entsprechende Ausnahmevorschrift berufen. Es bleibt dann gemäß § 556 g Absatz 1a Satz 3 BGB für zwei Jahre ab Nachholung der Auskunft bei der maximal zulässigen Wiedervermietungsmiete von 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete. Ein Verstoß gegen die vorvertragliche Informationsobliegenheit nach § 556 g Abs. 1a BGB führe – so das Landgericht – zu einem Anspruchsverlust des Vermieters und nicht lediglich zu einer vorübergehenden Anspruchshemmung. Die Regelung sei als Strafvorschrift gegen Vermieter zu verstehen, die zulässigerweise mehr als 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete als Miete vereinbaren, die Auskunft aber nicht oder erst später erteilten. Ein Verstoß gegen die Auskunftspflicht führe automatisch zum Rechtsverlust des Vermieters. Dieser könne sich auf die höhere Miete für den gesetzlich bestimmten Zweijahres-Zeitraum nicht berufen und müsse nach Rüge den überschießenden Teil zurückzahlen. Hätte der Gesetzgeber statt eines Anspruchsverlusts eine Stundung des Mietanspruchs bei nachträglicher Auskunftserteilung einführen wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass er dies dementsprechend klarstellend formuliert hätte. Schließlich wäre die Zulassung einer rückwirkenden Geltendmachung von Vermieteransprüchen vor dem Hintergrund des Strafcharakters der Vorschrift auch gänzlich sinnlos. Es erschließe sich nicht, welchem Zweck ein solches Normverständnis dann noch dienen sollte
Urteilstext
Gründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 09.08.2022, Aktenzeichen 214 C 7/22, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis der Kammer vom 16.11.2022 Bezug genommen. Die dazu erfolgte schriftsätzliche Stellungnahme der Beklagten vom 30.11.2022 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Entgegen der Ansicht der Beklagten führt ein Verstoß gegen die vorvertragliche Informationsobliegenheit nach § 556g Abs. 1a BGB zu einem Anspruchsverlust des Vermieters und nicht lediglich zu einer vorübergehenden Anspruchshemmung. Die Regelung ist als Strafvorschrift gegen Vermieter zu verstehen, die zulässigerweise mehr als 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete als Miete vereinbaren, die Auskunft aber nicht oder erst später erteilen. Ein Verstoß gegen die Auskunftspflicht führt automatisch zum Rechtsverlust des Vermieters. Dieser kann sich auf die höhere Miete für den gesetzlich bestimmten Zeitraum nicht berufen und muss nach Rüge den überschießenden Teil zurückzahlen (Schmidt/Futterer-Börstinghaus, Mietrecht, 14. Aufl., § 556g BGB Rn. 27a, 27b m.w.N.). Entgegen der Ansicht der Beklagten funktioniert die gesetzliche Regelung des § 556g Absatz 1a Satz 3 BGB nicht wie eine auf zwei Jahre befristete Verjährungseinrede. Bei der Verjährungseinrede handelt es sich um einen Einwand des Schuldners. Vorliegend ist jedoch der Anspruch des Vermieters als Gläubiger betroffen, sodass schon von vornherein keine mit der Verjährung vergleichbare Konstellation gegeben ist. Die Ansicht der Beklagten würde vielmehr im Ergebnis auf eine Stundung der Ansprüche des Vermieters hinauslaufen. Hätte der Gesetzgeber statt eines Anspruchsverlusts eine Stundung des Mietanspruchs bei nachträglicher Auskunftserteilung einführen wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass er dies dementsprechend klarstellend formuliert hätte, wie er dies auch in anderen Fällen gesetzlicher Stundung – vgl. etwa §§ 1382, 1613 Abs. 3 und 2331a BGB – getan hat. Schließlich wäre die Zulassung einer rückwirkenden Geltendmachung von Vermieteransprüchen vor dem Hintergrund des Strafcharakters der Vorschrift auch gänzlich sinnlos. Es erschließt sich nicht, welchem Zweck ein solches Normverständnis dann noch dienen sollte. Da die hier zugrundeliegende Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig, sondern eindeutig in dem dargelegten Sinne zu beantworten ist, sind auch keine Revisionszulassungsgründe im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt. Der Streitwert entspricht dem Zahlungsbegehren i.H.v. 850,08 €. Das Feststellungsbegehren betrifft den gleichen Streitgegenstand, so dass es nicht werterhöhend wirkt.
22.02.2024