Leitsatz:
Werden einzelne Zimmer einer großen Wohnung an unterschiedliche Mieter vermietet, sind die Gemeinschaftsflächen, die allen Wohnungsnutzern gemeinsam zur Verfügung stehen, zur Ermittlung der höchstzulässigen Miete nach §§ 556 d BGB ff. den einzelnen Mietverhältnissen jeweils anteilig (nach „Köpfen“) zuzuordnen, so dass jeweils eine fiktive Gesamtfläche zur exklusiven Nutzung angemieteter Räumlichkeiten gebildet wird.
LG Berlin vom 11.7.2022 – 64 S 89/21 –
Mitgeteilt von RA Nikolaus Krehnke
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Das Amtsgericht Stuttgart (vom 28.4.2020 – 31 C 5490/18 –) hatte hierzu anders entschieden: Gemeinschaftsflächen sind nicht nach Kopfteilen zu berücksichtigen, sondern der Gebrauchswert ist durch die Vornahme von einzelfallabhängigen Abschlägen an der Gesamtfläche zu bestimmen und gegebenenfalls zu schätzen.
Nebenbei hat das Landgericht noch eine Lanze für die Anwendung des Mietspiegels auch auf die einzelne Zimmervermietung gebrochen: „Der Umstand, dass die Wohnung nicht als Gesamtheit, sondern Zimmer für Zimmer an einzelne Nutzer vermietet wurde, stellt einen sachlichen Grund für die Nichtanwendung des Mietspiegels und die Einholung eines Sachverständigengutachtens wegen angenommener Zugehörigkeit der Wohnung zu einem besonderen Teilmarkt nicht dar.“
Urteilstext
Gründe
Der Beschluss beruht auf § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Zu Recht hat das Amtsgericht die weiter gehende Klage auf Mietzinszahlung abgewiesen. Die Mietpreisvereinbarung ist in dem vom Amtsgericht angenommenen Umfang unwirksam, da sie über die nach § 556d Abs. 1 BGB höchstzulässige Miete hinausgeht.
a) Entgegen der Ansicht der Klägerin haben vorliegend die Vorschriften über die „Mietpreisbremse“ nicht deswegen nach § 549 Abs. 2 Nr. 2 BGB außer Anwendung zu bleiben, weil die Beklagten Teile der von der Klägerin selbst bewohnten Wohnung gemietet hätten. Dass die Klägerin sich vorbehalten hatte, gelegentlich im Wohnzimmer zu übernachten, genügt für die Anwendung der Ausnahmevorschrift nicht; nachdem die Klägerin sich weder am Wohnzimmer noch an einem anderen abgrenzbaren Bereich der Wohnung dauerhaft eine alleinige Nutzung unter Ausschluss aller anderen Wohnungsnutzer ausbedungen hatte, handelte es sich um eine bloße Besuchsregelung. Tatsächlich hielt die Klägerin sich während der Mietzeit unstreitig nur für kurze Zeit in der Wohnung auf, bewohnte also – anders als die Beklagten – die Wohnung selbst nicht.
b) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht die ortsübliche Miete im Wege der Schätzung auf Grundlage des Berliner Mietspiegels 2017 ermittelt. Es mag zutreffen, dass auch in Berlin ein abgrenzbarer Teilmarkt für besonders exklusiv vollausgestattete Appartements und Wohnungen existiert, der auf hochmobile Mieter ohne eigenen Hausstand zugeschnitten ist (vgl. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 15. Aufl. 2021, § 558 Rn. 53 und 53a, zitiert nach beck-online). Prägend für die vorliegenden Mietverhältnisse ist aber mehr noch als die Vollausstattung der Wohnung vor allem, dass jedem Mieter nur ein relativ kleines Zimmer zur alleinigen exklusiven Benutzung zur Verfügung steht, während er alle übrigen Annehmlichkeiten der Wohnung einschließlich der Sanitärräume mit für ihn fremden Personen teilen muss. Wenn die Mietnutzung, wie die Klägerin meint, insofern einem Hotelaufenthalt ähnlich sei, so müsste es sich um ein Hotel einfachsten Standards ohne hotelübliche Dienstleistungen handeln, in welchem die Gäste ihre Zimmer sowie die gemeinsam genutzten Sanitärräume und sonstigen Bereiche selbst reinigen müssen. Die Kammer teilt auch nicht die Einschätzung der Klägerin, das für eine Wohngemeinschaft typische Merkmal gemeinsamen Wirtschaftens habe es vorliegend nicht gegeben. Vielmehr mussten die Mieter sich wie für eine Wohngemeinschaft charakteristisch untereinander abstimmen, um die gemeinschaftlichen Wohnbereiche wie Küche, Wohnzimmer oder Bäder gemeinsam zu bewirtschaften, zu nutzen und zu pflegen. Der Umstand, dass die Wohnung nicht als Gesamtheit, sondern Zimmer für Zimmer an einzelne Nutzer vermietet wurde, stellt einen sachlichen Grund für die Nichtanwendung des Mietspiegels und die Einholung eines Sachverständigengutachtens wegen angenommener Zugehörigkeit der Wohnung zu einem besonderen Teilmarkt nicht dar.
Gegen die seitens des Amtsgerichts unter Berücksichtigung der in der Miete enthaltenen Nebenleistungen ermittelte Höhe der ortsüblichen Miete von 9,74 €/m² vermag die Berufung nichts zu erinnern. Das Amtsgericht hat sich dabei zu Recht mangels hinreichenden Sachvortrags der Klägerin nicht in der Lage gesehen, von Amts wegen einen Möblierungszuschlag anzusetzen oder gar per Sachverständigengutachten zu erforschen. Es hätte zunächst der Klägerin oblegen, nach bestem Wissen und Gewissen, notfalls im Wege einer informierten Schätzung, zu Alter und Restwert der einzelnen zur Mietnutzung überlassenen Ausstattungsgegenstände sowie auf dieser Grundlage zur angemessenen Höhe eines Möblierungszuschlags vorzutragen. Ihr Vorbringen, sie verfüge nicht über Belege und wisse nicht, wie alt die einzelnen Gegenstände seien, ist unerheblich und führt jedenfalls nicht dazu, dass das Amtsgericht und nunmehr die Kammer ohne jegliche faktische Grundlage willkürlich einen Zuschlag anzusetzen hätte; denn die vorgelegten Abbildungen reichen als Grundlage einer gerichtlichen Schätzung nach § 287 ZPO ohne jeglichen Sachvortrag zu Anschaffungspreisen und -daten offensichtlich nicht aus. Erst Recht kommt nicht in Betracht, einen Sachverständigen zu beauftragen, um die unzureichende Substantiierung des klägerischen Vortrags auszugleichen und einen Restwert der Wohnungsausstattung als Basis der Schätzung eines angemessenen Möblierungszuschlags erst zu ermitteln.
c) Die Gemeinschaftsflächen, die allen Wohnungsnutzern gemeinsam zur Verfügung stehen, sind zur Ermittlung der höchstzulässigen Miete entgegen der Ansicht der Klägerin nicht mehrfach zu berücksichtigen. Vielmehr ist der auf die Gemeinschaftsflächen entfallende Nutzen, wie es das Amtsgericht unternommen hat, den einzelnen Mietverhältnissen jeweils anteilig zuzuordnen und so jeweils eine fiktive Gesamtfläche zur exklusiven Nutzung angemieteter Räumlichkeiten zu bilden. Das Amtsgericht hat dabei zu Recht berücksichtigt, dass neben den drei Untermietern auch die Klägerin am Nutzen der Gemeinschaftsflächen beteiligt war. Nachdem die Klägerin sich für die von ihr frei bestimmbaren Zeiten ihrer Anwesenheit sogar den alleinigen Zugriff auf das Wohnzimmer ausbedungen hatte, ist ihr jedenfalls nicht weniger als ¼ des Gesamtnutzens der Gemeinschaftsflächen zuzuordnen.
d) Ohne Erfolg bleibt der Hinweis der Berufung, die Beklagten müssten für den Zeitraum bis zur ersten erklärten Rüge einer Mietüberhöhung jedenfalls die vertraglich vorgesehene Miete zahlen. Nach dem Wortlaut des § 556g Abs. 2 BGB (a. F.) ist die Rüge zwar notwendige Voraussetzung eines erfolgreichen Verlangens auf anteilige Rückzahlung der Miete, nicht aber einer Zurückweisung des Verlangens auf Zahlung überhöhter Mietanteile. Die Rügeobliegenheit soll redliche Vermieter davor bewahren, sich nach womöglich schon geraumer Mietzeit überraschenden und dann unter Umständen hohen Ansprüchen auf Rückforderung überhöhter Miete ausgesetzt zu sehen (vgl. Staudinger/V Emmerich (2021), § 556g, Rn. 12 und Rn. 20, zitiert nach juris). Ein solches Vertrauen des Vermieters, wie es außerhalb der Regelungen über die „Mietpreisbremse“ durch § 814 BGB geschützt wird, kann nicht entstehen, wenn der Mieter die abgesprochene Miete von vorne herein nicht bezahlt.
e) Schließlich hat das Amtsgericht der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 1. zu Recht keinen Anspruch auf Zahlung weiterer Nutzungsentschädigung für den Zeitraum ab 5. Oktober 2019 zuerkannt. Selbst wenn der von dem Beklagten zu 1. zurückgesandte Schlüssel tatsächlich nicht gepasst haben sollte, lag für die Klägerin jedenfalls auf der Hand, dass der Beklagte zu 1. seinen Mitbesitz an der Wohnung endgültig aufzugeben und ihr das Zimmer zurückzugeben beabsichtigte. Die Klägerin hätte sich daher notfalls auch ohne passenden Schlüssel Zugang zur Wohnung und zu dem ja ohnehin nicht abschließbaren Zimmer verschaffen können; sie hätte sich nach Erhalt der Schlüssel jedenfalls nicht, ohne den Beklagten zu 1. auf seinen etwaigen Irrtum aufmerksam zu machen und die Übersendung der richtigen Schlüssel einzufordern, stillschweigend auf den Standpunkt stellen dürfen, der Beklagte zu 1. verweigere weiterhin die Rückgabe des ihm vermieteten Zimmers. …
26.09.2023