Leitsatz:
Eine Formularklausel in einem Wohnraummietvertrag zur Erhebung eines Aufschlags auf die ortsübliche Vergleichsmiete für den Fall, dass die vereinbarte Übernahme der Schönheitsreparaturen durch den Mieter unwirksam ist, verstößt gegen § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB.
LG Berlin vom. 27.1.2015 – 16 O 442/14 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Unwirksamkeit der Formularklausel ergibt sich daraus, dass sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in § 558 BGB abweicht. Hiernach sind Mieterhöhungen an bestimmte Voraussetzungen gebunden und nur bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete zulässig. Die Berücksichtigung eines Aufschlags auf die ortsübliche Vergleichsmiete für den Fall, dass die vereinbarte Übernahme der Schönheitsreparaturen durch den Mieter unwirksam ist, ist mit dieser Regelung nicht vereinbar, denn gemäß § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Vermieter lediglich die Zustimmung zur Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete und nicht darüber hinaus verlangen; danach bilden die Marktverhältnisse den Maßstab für die Berechtigung einer Mieterhöhung und nicht die Kosten für die Vornahme von Schönheitsreparaturen (BGH, Urteil vom 11.2.2009 – VIII ZR 118/07 –). Der Einwand, es seien auch Erhöhungen erfasst, die die ortsübliche Vergleichsmiete nicht erreichten, verfängt nicht. Denn der Wortlaut der Klausel lässt einen Aufschlag über die ortsübliche Vergleichsmiete hinaus zu.
Im Übrigen wäre auch eine entsprechende Individualvereinbarung im Mietvertrag ebenfalls unwirksam (§ 557 Abs. 4 BGB).
Urteilstext
Tatbestand
Der Antragsteller ist ein Verbraucherschutzverein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, Interessen der Verbraucher zu wahren. Er ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG aufgenommen.
Die Antragsgegnerin betreibt ein Immobilienunternehmen und ist Eigentümerin des aus mehreren Gebäuden bestehenden Objekts X, … Berlin, das sie unter dem Namen „S“ vermarktet und zu dem u.a. ein Wohnhaus mit 18 Wohneinheiten gehört.
Die Antragsgegnerin verwendete in einem mit Frau S. A. und Herrn B. A. am 31.07.2012 geschlossenen Mietvertrag über eine Wohnung im Seitenflügel mit 18,90 qm Wohnfläche die aus dem Tenor/Verfügungsantrag ersichtlichen Klauseln. Der Mietvertrag wurde zum Oktober 2014 beendet. Wegen der Einzelheiten des Vertrags wird auf Anlage ASt 1 Bezug genommen.
Der Antragsteller meint, bei den Klauseln des Mietvertrags handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gemäß §§ 307 ff. BGB unwirksam seien.
Der Antragsteller beantragt,
was erkannt wurde sowie der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Abschluss von Mietverträgen gegenüber Verbrauchern nachfolgende oder dieser gleiche Klauseln zu verwenden oder sich bei der Abwicklung entsprechender Verträge auf solche Klauseln zu berufen:
1. f) Verstopfungen an Entwässerungsleitungen bis zum Hauptrohr hat der Mieter auf seine Kosten zu beseitigen; dies gilt nicht, wenn die Verstopfungen lediglich durch vertragsgemäßen Gebrauch entstanden sind.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin meint, die Klausel zur Erhebung eines Aufschlags bei unwirksamer Schönheitsreparaturklausel (Tenor zu 1.a)) habe nicht zur Folge, dass durch den Aufschlag die Mieterhöhung die ortsübliche Vergleichsmiete überschreite, da die Erhöhung auch geringer ausfallen könne.
Die Klausel zur Haftung bei Störung der Heizung (Tenor zu 1.b)) verstoße nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil eine Entschädigung ausdrücklich einen Schaden voraussetze. Das Minderungsrecht wegen eines Mangels sei nicht betroffen.
Die Klausel zur Haftungsbegrenzung bei Aufzugsmängeln (Tenor zu 1.c)) verstoße nicht gegen § 309 Nr. 7a BGB, weil § 12 Nr. 2 des Mietvertrages die Haftung für anfängliche Mängel bei der Verletzung des Körpers, des Lebens und der Gesundheit ausdrücklich einräume und daher die Regelung in § 6 Nr. 1 des Mietvertrages ergänze.
Die Klausel zum Untermietzuschlag (Tenor zu 1.e)) sei aufgrund des Verweises auf die gesetzlichen Bestimmungen wirksam. Es werde ausdrücklich auf einen „gesetzlich zulässigen Untermietzuschlag“ Bezug genommen.
Die Umkehr der Beweislast bzgl. Verstopfungen (Antrag zu 1.f)) sei nicht zu beanstanden, weil es um den Verantwortungsbereich des Mieters gehe.
Die Klausel zur Ausbesserung bei nicht fälligen Schönheitsreparaturen (Tenor zu 1.g)) sei nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Vielmehr sei dem Mieter klar, welche Ausbesserungen er vornehmen müsse.
Die Klausel zur Besichtigung der Mieträume (Tenor zu 1.h)) sei wirksam, weil sie den Mieter nicht benachteilige.
Schließlich sei die doppelte Schriftformklausel (Tenor zu 1.i)) nicht zu beanstanden. Klauseln in form bedürftigen Verträgen, die nach ihrem Wortlaut keinen anderen Zweck haben als die Einhaltung der Form seien auch als Formularvereinbarung wirksam.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist zulässig und weitgehend begründet. Lediglich die Klausel zu 1 .f) ist nicht zu beanstanden, weshalb der Verfügungsantrag insoweit unbegründet ist.
Bei dem Antragsteller handelt es sich um eine anspruchsberechtigte Stelle im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG, da er in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG aufgenommen ist.
Gemäß § 1 UKlaG besteht ein Unterlassungsanspruch bei Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach §§ 307 bis 309 BGB unwirksam sind.
Bei den von der Antragsgegnerin verwendeten Klauseln handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Hierunter sind gemäß § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen zu verstehen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Der von der Antragsgegnerin verwendete Mietvertrag (Anlage ASt 1) mit den Klauseln erweckt dem äußeren Erscheinungsbild nach den Eindruck, dass es sich um solche handelt, die standard-/formularmäßig in einer Vielzahl von Fällen verwendet werden. Dies folgt aus der Gestaltung des Vertrags als Vordruck, der Raum für individuelle handschriftliche Ergänzungen lässt, im Übrigen aber standardmäßige Ausführungen enthält. Im Falle der Verwendung eines gedruckten oder sonst vervielfältigten Textes spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass es sich bei den Klauseln um AGB handelt (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage 2014, § 305 Rn. 23 m.w.N.).
Die nachfolgenden von der Antragsgegnerin verwendeten Klauseln sind aus folgenden Gründen unwirksam:
Klausel Ziffer 1 a) des Tenors (§ 3 Nr. 1 des Mietvertrags)
Diese Klausel verstößt gegen §§ 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB. Denn sie weicht von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in § 558 BGB ab. Hiernach sind Mieterhöhungen an bestimmte Voraussetzungen gebunden und nur bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete zulässig. Die Berücksichtigung eines Aufschlags auf die ortsübliche Vergleichsmiete für den Fall, dass die vereinbarte Übernahme der Schönheitsreparaturen durch den Mieter unwirksam ist, ist mit dieser Regelung nicht vereinbar, denn gemäß § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Vermieter lediglich die Zustimmung zur Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete und nicht darüber hinaus verlangen; danach bilden die Marktverhältnisse den Maßstab für die Berechtigung einer Mieterhöhung und nicht die Kosten für die Vornahme von Schönheitsreparaturen (BGH, Urteil vom 11.02.2009 – VIII ZR 118/07 – juris). Der Einwand der Antragsgegnerin, es seien auch Erhöhungen erfasst, die die ortsübliche Vergleichsmiete nicht erreichten, verfängt nicht. Denn der Wortlaut der Klausel lässt einen Aufschlag über die ortsübliche Vergleichsmiete hinaus zu.
Klausel Ziffer 1 b) des Antrags (§ 5 Nr. 8 des Mietvertrags)
Zwar liegt insoweit kein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB vor. Denn der Begriff der „Entschädigung“ in der genannten Klausel ist dahin gehend zu verstehen, dass dem Mieter bei Störung der Warmwasserversorgung keine materiellen oder immateriellen Schadenersatzansprüche zustehen. Dass darunter auch das Recht zur Mietminderung fällt, was nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam wäre, weil das Minderungsrecht gemäß § 536 Abs. 4 BGB nicht eingeschränkt werden darf, kann der Klausel nicht entnommen werden.
Allerdings verstößt ein pauschaler Ausschluss von Schadenersatzansprüchen gegen § 309 Nr. 7a BGB, weil nach dieser Klausel auch Schadenersatzansprüche wegen Körperschäden ausgeschlossen wären. Dass § 12 Nr. 2 des Mietvertrags diese Regelung ergänzt und die Haftung für anfängliche Mängel bei Verletzung des Körpers, des Lebens und der Gesundheit ausdrücklich einbezieht, verhilft der angegriffenen Klausel nicht zu ihrer Wirksamkeit. Denn insoweit handelt es sich um eine gesonderte Regelung, die nur anfängliche Mängel betrifft und nicht in der betreffenden Regelung selbst aufgeführt ist, was zur fehlenden Transparenz der Klausel führt.
Klausel Ziffer 1 c) des Antrags (§ 6 Nr. 1 Satz 2 des Mietvertrags)
Diese Klausel verstößt ebenfalls gegen § 309 Nr. 7a) BGB, weil sie die Haftung des Vermieters auch für Körperschäden bei einer fahrlässigen Pflichtverletzung begrenzt. Im Übrigen gilt das zuvor Gesagte.
Klausel Ziffer 1 d) des Antrags (§ 6 Nr. 2 des Mietvertrags)
Diese Klausel verstößt ebenfalls gegen § 309 Nr. 7a) BGB, weil sie die Haftung des Vermieters auch für Körperschäden bei einer fahrlässigen Pflichtverletzung begrenzt.
Klausel Ziffer 1 e) des Antrags (§ 7 Nr. 4 des Mietvertrags)
Die Berechtigung des Vermieters zur Erhebung eines angemessenen Zuschlags zur Miete im Falle der Untervermietung verstößt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 553 BGB. Sie ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren, weshalb eine unangemessene Benachteiligung des Mieters vorliegt. Nach § 553 Abs. 2 BGB, wonach nach Abs. 3 nicht zum Nachteil des Mieters abgewichen werden kann, kann der Vermieter die Erlaubnis zur Untervermietung nur dann von der Vereinbarung einer Mieterhöhung abhängig machen, wenn ihm die Untervermietung nur gegen eine Mieterhöhung zumutbar ist. In diesem Fall kann er die Erlaubnis der Untervermietung davon abhängig machen, dass der Mieter sich mit einer solchen Erhöhung einverstanden erklärt. Nach der Regelung im Mietvertrag steht dem Vermieter hingegen per se, also unabhängig vom Kriterium der Zumutbarkeit und der Zustimmung des Mieters, ein Zuschlag vom Zeitpunkt der Untervermietung an zu. Der Verweis auf die gesetzlichen Bestimmungen betrifft nur die Höhe, nicht aber das „Ob“ des Zuschlags.
Klausel Ziffer 1 g) des Antrags (§ 15 Nr. 3 Satz 2 des Mietvertrags)
Die Klausel widerspricht dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Es ist nicht ersichtlich, welche Schönheitsreparaturen der Mieter genau vorzunehmen hat. Die Klausel verpflichtet den Mieter dazu, auch solche Schönheitsreparaturen vorzunehmen, die gar nicht erforderlich sind, weil sie nach den vereinbarten Fristen nicht fällig sind oder weil der Zustand der Räume dies nicht verlangt. Was in diesem Fall unter einer „fachgerechten Ausbesserung“ von Teilen der Schönheitsreparaturen, die nicht vollständig nachgeholt werden müssen, zu verstehen ist, bleibt unklar. Die Übertragung der Endrenovierung auf den Mieter ist nur zulässig, wenn die Schönheitsreparaturen fällig sind und, soweit dies nicht der Fall ist, eine lediglich anteilige Kostenabgeltung verlangt wird (Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Auflage 2014, § 535 Rn. 43). Dem wird die Klausel nicht gerecht.
Klausel Ziffer 1 h) des Antrags (§ 19 Nr. 1 Satz 1 und 3 des Mietvertrags)
Eine Formularklausel, wonach der Vermieter berechtigt ist, die Wohnung nach vorheriger Ankündigung „zur Überprüfung des Wohnungszustands“ anlasslos zu besichtigen, benachteiligt den Mieter unangemessen und ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam; vielmehr besteht eine vertragliche Nebenpflicht des Mieters, dem Vermieter den Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren, nur dann, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund gibt (BGH Urteil vom 04.06.2014 – VIII ZR 289/13 Rz. 17 bis 20). Nach der beanstandeten Klausel wäre eine Besichtigung auch ohne konkreten sachlichen Grund möglich.
Klausel Ziffer 1 il des Antrags (§ 23 Satz 2 und 3 des Mietvertrags)
Schriftformklauseln verstoßen gegen §§ 305b, 307 BGB, soweit sie für Vertragsänderungen konstitutiv die Einhaltung der Schriftform fordern (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage 2014, § 305b Rn. 5). Dies ist bei der angegriffenen Klausel der Fall.
Die Klausel Ziffer 1 f) des Antrags (§ 13 Nr. 3 des Mietvertrags) begegnet hingegen keinen Bedenken.
Zwar ist der Vermieter nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB dazu verpflichtet, die Mietsache während der Mietzeit in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Die Pflicht zur Beseitigung von Verstopfungen an Entwässerungsleitungen bis zum Hauptrohr auf eigene Kosten des Mieters begegnet allerdings keinen Bedenken, wenn sie durch einen nicht sachgemäßen Gebrauch verursacht worden sind. Dies gilt auch für den Umstand, dass der Mieter nach der Formulierung der Klausel die Beweislast dafür trägt, dass Verstopfungen lediglich durch vertragsgemäßen Gebrauch entstanden sind. Eine solche Änderung der Beweislast zum Nachteil des Vertragspartners des Verwenders der Klausel ist nicht gemäß § 309 Nr. 12a) BGB unwirksam. Denn Verstopfungen bis zum Hauptrohr liegen in der räumlichen Sphäre und damit im Herrschaftsbereich des Mieters.
Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr folgt aus dem Verletzungsgeschehen und kann nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden.
Die Dringlichkeit wird vermutet, § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 2 UWG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
07.05.2017