Leitsatz:
Dem Vermieter im Sozialen Wohnungsbau ist es nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt, bereits vor Mietvertragsbeginn eingetretene beziehungsweise erkennbare Kostensteigerungen später an den Mieter weiterzugeben.
LG Berlin vom 30.11.2015 – 18 S 168/15 –
Urteilstext
Gründe
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Kündigung vom 12.08.2014 hat nicht zu einer fristlosen Beendigung des Mietverhältnisses infolge Zahlungsverzuges gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 b) BGB geführt, da infolge vollständigen Ausgleichs des Rückstandes innerhalb der Schonfrist, wie mit Schriftsatz der Klägerin vom 09.10.2014 bestätigt, die Kündigung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB unwirksam wurde. Die Kündigung ist auch nicht als ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB wirksam, da sie unter Berücksichtigung des anschließenden Zahlungsverhaltens des Beklagten in einem milderen Licht erscheint. Denn der Beklagte hatte der Klägerin den Ausgleich der Forderungen mit Schreiben vom 14.08.2014 umgehend zugesichert und diese dann auch in dem Folgemonat (September 2014) tatsächlich vorgenommen. Die Kündigung kann auch nicht auf unpünktliche Zahlungen gestützt werden, da sie entgegen §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 4 und § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht hierauf gestützt wurde. Da die Kündigung wegen Zahlungsverzuges unwirksam ist, kann diese auch nicht deshalb zur Vertragsbeendigung führen, wenn nach Kündigungsausspruch neue Gründe entstehen; denn wegen dieser Gründe muss eine neue Kündigung ausgesprochen werden (Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 12. Aufl., § 573 Rn. 264).
Auch die Kündigung vom 09.10.2014 ist weder als fristlose noch als fristgemäße Kündigung wegen fortgesetzt verspäteter Mietzahlungen wirksam. Zwar wurden zuvor die ständig unpünktlichen Mietzahlungen mit Schreiben vom 15.08.2014 abgemahnt. Der Beklagte ist aber anschließend nicht mit weiteren Mietzahlungen als denjenigen, die abgemahnt wurden, in Zahlungsverzug geraten. Denn der Beklagte hat mit der Zahlung vom 21.08.2014 die Mietforderungen für August und September 2014 beglichen, so dass auch die Zahlung vom 16.09.2014 bereits die Oktober-Miete abdeckte, da der Beklagte ab Eintritt der Klägerin in das Mietverhältnis ab Juni 2013 die monatliche Miete mit 109,88 € überzahlte, wie dies das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat. Denn der Vermieterin war es nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt, bereits vor Mietvertragsbeginn eingetretene bzw. erkennbare Kostensteigerungen an den Mieter weiterzugeben (vgl. AG Schöneberg, Urteil vom 29.04.2004 – 14 C 153/04 -; AG Tiergarten, Urteil vom 02.03.2010 – 2 C 380/09 – jeweils zitiert nach juris; zeitlich einschränkend LG Braunschweig, WuM 1987, 191). Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch nicht eine zeitliche Begrenzung der Sperre geboten, da es der Vermieterin freigestanden hätte, sich bereits bei Vertragsschluss im Hinblick auf die bereits aus April 2012 stammende Wirtschaftlichkeitsberechnung Erhöhungen ausdrücklich vorzubehalten. Darüber hinaus ist es ihr auch nicht verwehrt, künftig Mieterhöhungen entsprechend den geltenden normativen Vorgaben vorzunehmen. Für die Verrechnung des überzahlten Mietzinses mit rückständigen Forderungen bedurfte es auch nicht einer Aufrechnungserklärung gemäß § 388 BGB, da sich die Verrechnung automatisch gemäß §§ 366 f. BGB vollzieht. Denn soweit der Beklagte auf vermeintliche Schulden geleistet hat, waren seine Tilgungsbestimmungen gegenstandslos und dahin auszulegen, dass anstelle der vermeintlichen Schuld die tatsächliche Schuld erfüllt werden sollte (vgl. BGH NJW 2006, 509). Auch die Kündigung vom 18.11.2014 hat nicht zu einer Beendigung des Mietverhältnisses geführt. Insoweit kann zunächst auf die Ausführungen zur Kündigung vom 09.10.2014 Bezug genommen werden. Da – wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat – hinsichtlich Zahlung vom 30.10.2014 als Zahlung für November 2014 darstellte, bestand auch insoweit kein Zahlungsverzug.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es ist auch nicht erforderlich, die Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf die Beurteilung der Frage, ob die Klägerin mit einer Kostenmietanpassung nach Treu und Glauben für die Zukunft ausgeschlossen ist, wenn die Kostensteigerung vor Vertragsschluss bereits eingetreten ist. Ob die Geltendmachung von Rechten im vorliegenden Fall treuwidrig war, ist eine Beurteilung des Einzelfalles.
01.07.2016