Leitsätze:
a) Eine objektiv feststehende finanzielle Leistungsunfähigkeit eines nach dem Tod des Mieters in das Mietverhältnis Eintretenden kann einen wichtigen Grund zur Kündigung des Mietverhältnisses nach § 563 Abs. 4 BGB darstellen. Voraussetzung hierfür ist regelmäßig, dass dem Vermieter ein Zuwarten, bis die Voraussetzungen einer Kündigung wegen Zahlungsverzugs nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB erfüllt sind, nicht zuzumuten ist.
b) Eine auf eine nur drohende finanzielle Leistungsunfähigkeit oder eine „gefährdet erscheinende“ Leistungsfähigkeit des Eintretenden gestützte Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses stellt nur dann einen Kündigungsgrund nach § 563 Abs. 4 BGB dar, wenn sie auf konkreten Anhaltspunkten und objektiven Umständen beruht, die nicht bloß die Erwartung rechtfertigen, sondern vielmehr den zuverlässigen Schluss zulassen, dass fällige Mietzahlungen alsbald ausbleiben werden. Solche Anhaltspunkte fehlen dann, wenn Geldquellen vorhanden sind, die die Erbringung der Mietzahlungen sicherstellen, wie dies etwa bei staatlichen Hilfen, sonstigen Einkünften oder vorhandenem Vermögen der Fall ist.
BGH vom 31.1.2018 – VIII ZR 105/17 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 30 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die alleinige Mieterin einer Wohnung ist verstorben. Nach ihrem Tod erklärte ihr Lebensgefährte, mit dem sie die Wohnung gemeinsam bewohnt hatte und der eine Ausbildung absolvierte, den Eintritt in das Mietverhältnis. Die monatliche Kaltmiete betrug 545 Euro zuzüglich Betriebskostenvorauszahlungen von 170 Euro.
Daraufhin kündigte der Vermieter das Mietverhältnis gemäß § 563 Abs. 4 BGB unter Berufung auf einen in der Person des (neuen) Mieters liegenden Grund. Dieser sei mit seinem Ausbildungsgehalt nicht in der Lage, die Miete nebst Vorauszahlungen auf Dauer zu zahlen.
Der Mieter widersprach der Kündigung und erklärte, er sei ohne Weiteres in der Lage, die Miete und Nebenkostenvorauszahlungen entrichten zu können. Außerdem verlangte er die Zustimmung des Vermieters zu einer Untervermietung eines Teils der Wohnung (§ 553 Abs. 1 BGB) an einen Arbeitskollegen, der sich (ebenfalls) im zweiten Ausbildungsjahr befinde und ein Gehalt in gleicher Höhe beziehe. Die geplante Untervermietung hätte – so der Mieter – zugleich den Vorteil, dass sich sein Arbeitskollege an der Miete und den Nebenkosten sowie an Fahrtkosten zur Arbeitsstelle beteiligen würde. Der Vermieter verweigerte die begehrte Zustimmung und widersprach der Fortsetzung des Mietverhältnisses.
Der Bundesgerichtshof erteilte dem Vermieter eine doppelte Abfuhr: Kündigung unwirksam, Untermieterlaubnis muss erteilt werden.
Denn eine drohende finanzielle Leistungsunfähigkeit beziehungsweise eine „gefährdet erscheinende“ Leistungsfähigkeit eines nach dem Tod des ursprünglichen Mieters eingetretenen (neuen) Mieters komme nur in besonderen Ausnahmefällen als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 563 Abs. 4 BGB in Betracht.
Ob eine drohende wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit oder „gefährdet erscheinende finanzielle Leistungsfähigkeit“ vorliege, sei – anders als bei feststehender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit – aufgrund einer Prognose zu beurteilen, die naturgemäß mit Unwägbarkeiten behaftet sei. Bei Fehleinschätzungen laufe der in das Mietverhältnis eingetretene (neue) Mieter aber Gefahr, sein von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie geschütztes Besitzrecht selbst dann zu verlieren, wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass die Bedenken gegen seine Leistungsfähigkeit unberechtigt gewesen seien. Deshalb müsse die auf eine bloß drohende finanzielle Leistungsunfähigkeit oder „gefährdet erscheinende“ Leistungsfähigkeit des eingetretenen Mieters gestützte Unzumutbarkeit stets auf konkreten Anhaltspunkten und objektiven Umständen beruhen, die nicht bloß die Erwartung rechtfertigten, sondern vielmehr den zuverlässigen Schluss zuließen, dass fällige Mietzahlungen alsbald ausbleiben werden. Solche Anhaltspunkte fehlten dann, wenn Geldquellen vorhanden seien, die die Erbringung der Mietzahlungen sicherstellten, wie dies etwa bei staatlichen Hilfen oder sonstigen Einkünften (zum Beispiel Untermietzahlungen, Unterstützung Verwandter, Nebentätigkeitsvergütungen) oder vorhandenem Vermögen der Fall sei.
Allein den Umstand, dass der Mieter zum Zeitpunkt der Kündigung eine Ausbildungsvergütung bezog, für eine „gefährdet erscheinende“ finanzielle Leistungsfähigkeit ausreichen zu lassen, weil weder ein erfolgreicher Abschluss der Ausbildung noch eine abschließende Festanstellung absehbar seien und damit die Erbringung der Miete nicht dauerhaft gesichert sei, sei unangebracht. Diese Sichtweise stelle überhöhte Anforderungen an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines nach § 563 Abs. 1 oder 2 BGB in ein unbefristetes Mietverhältnis eingetretenen Mieters. Denn auch ein Vermieter, der mit einem von ihm selbst ausgewählten solventen Mieter einen unbefristeten Mietvertrag abschließe, könne bei Vertragsschluss regelmäßig nicht ausschließen, dass dessen finanzielle Leistungsfähigkeit durch zukünftige Entwicklungen (etwa durch Verlust des Arbeitsplatzes) herabgesetzt werden könnte. Hinzu komme, dass der Mieter jetzt schon bereits zwei Jahre in der Wohnung lebe und die geschuldete Miete stets vollständig und pünktlich gezahlt habe. Außerdem müsse in Betracht gezogen werden, dass der Mieter einen Teil der Wohnung einem Untermieter überlasse.
17.06.2018