Leitsatz:
Für die Anwendbarkeit der 10-jährigen Kündigungssperrfrist gemäß der am 1.10.2013 in Kraft getreten Kündigungsschutzklauselverordnung kommt es nicht darauf an, dass die Verordnung schon zum Zeitpunkt des Erwerbs des Wohnungseigentums in Kraft gewesen ist, vielmehr reicht es aus, wenn die Verordnung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beim Mieter in Kraft war.
LG Berlin vom 10.2.2017 – 63 S 71/16 –
Mitgeteilt von RA Johann Heinrich Lüth
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Mietvertrag datierte vom 1.10.1999. Danach wurde das in Steglitz gelegene Haus in Wohnungseigentum umgewandelt. Am 15.8.2011 erfolgte die Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch. Mit Schreiben vom 26.8.2014 kündigte dieser wegen Eigenbedarfs zum 31.5.2015.
Zum Zeitpunkt der Grundbucheintragung des Erwerbers galt eine Kündigungssperrfrist von drei Jahren. Durch Verordnung vom 16.8.2011 hatte der Gesetzgeber von seinem Recht aus § 577 a Abs. 2 S. 2 BGB Gebrauch gemacht und die Sperrfrist auf sieben Jahre angehoben, wobei der Bezirk Steglitz-Zehlendorf nicht von der Anhebung der Sperrfrist betroffen war.
Durch Verordnung vom 13.8.2013 hat der Gesetzgeber dann die Sperrfrist für das gesamte Berliner Stadtgebiet auf zehn Jahre angehoben.
Der Vermieter war der Auffassung, für die Anwendung der Kündigungssperrfrist käme es auf den Zeitpunkt des Erwerbs, nicht auf den der Kündigungserklärung an. Ferner genösse der Vertrauensschutz, der den Mieterschutz überwiege, da der Vermieter nicht damit hätte rechnen müssen, dass der Gesetzgeber die Kündigungssperrfrist auch auf Steglitz-Zehlendorf ausweite, einen Bezirk, der bislang nie erfasst gewesen sei und in welchem auch nicht mit einer Wohnungsknappheit zu rechnen gewesen sei, Vorrang.
Das Landgericht wies die Räumungsklage wegen Nichteinhaltung der zehnjährigen Kündigungssperrfrist nach Umwandlung ab. Ob der behauptete Eigenbedarf vorliege, könne dahinstehen. Jedenfalls sei die Kündigung gemäß § 577 a Abs. 2 BGB in Verbindung mit der KündigungsschutzklauselVO des Senats von Berlin vom 13.8.2013 (GVBI. 2013, 488) ausgeschlossen. Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs könnte frühestens am 15.8.2021 ausgesprochen werden.
Sofern der Vermieter der Auffassung sei, es komme für die Anwendbarkeit der KündigungsschutzklauselVO auf den Zeitpunkt des Erwerbs, nicht auf den der Kündigung an, widerspreche dies der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Verordnung erfasse ausweislich ihres Wortlauts und nach ihrem Sinn und Zweck jeweils nach Inkrafttreten auch alle bereits bestehenden Mietverhältnisse (BGH vom 15.11.2000 – VIII ARZ 2/00 –).
Auch für Gesetze, die auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkten, könnten sich zwar, obgleich sie grundsätzlich zulässig seien, aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes je nach Lage der Verhältnisse verfassungsrechtliche Grenzen ergeben. Hierbei sei zwischen dem Vertrauen auf den Fortbestand des Rechtszustands nach der bisherigen gesetzlichen Regelung und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit abzuwägen. Der Vertrauensschutz gehe allerdings nicht so weit, den Betroffenen vor jeder Enttäuschung zu bewahren (BGH vom 24.7.2013 – XII ZB 340/11 –).
Die Erwartung des Erwerbers, die zum Zeitpunkt des Erwerbs bestehenden Einschränkungen der Verfügungsbefugnis über Wohneigentum an vermieteten Wohnräumen würden jedenfalls im Großen und Ganzen unverändert bleiben, sei abzuwägen gegen das durch die Beschränkung seiner Kündigungsmöglichkeiten verfolgte sozialpolitische Ziel, die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen zu gewährleisten. Bei dieser Güterabwägung sei dem Anliegen des Mieterschutzes wegen seiner überragenden Bedeutung für das allgemeine Wohl grundsätzlich der Vorzug zu geben (BGH vom 15.11.2000 – VIII ARZ 2/00 –).
Zum Zeitpunkt des Erwerbs war durch § 577 a BGB bereits die Ermächtigungsgrundlage für den Verordnungsgeber geschaffen worden. Gerade in städtischen Ballungsgebieten wie in Berlin war auch mit dem Gebrauch von der Ermächtigungsgrundlage durch den Verordnungsgeber zu rechnen. Insofern könne der Vermieter den durch ihn angeführten Vertrauensschutz nicht isoliert auf den Bezirk Steglitz-Zehlendorf stützen, sondern es sei vielmehr das gesamte Stadtgebiet nach Sinn und Zweck der Ermächtigungsgrundlage des § 577 a BGB zu betrachten. Dass der Wohnungsmarkt in den verschiedenen Bezirken Berlins immer wieder Schwankungen unterworfen sei und durch eine ständige Fluktuation geprägt sei, sei einer Großstadt immanent und gerade der Grund für den Verordnungsgeber, auf derartige Veränderungen durch Erlass einer neuen Rechtsverordnung zu reagieren.
31.12.2017