Leitsatz:
Verbindet der umwandelnde Eigentümer nicht nur das Sondereigentum einer einzigen Wohnung mit je einem Miteigentumsanteil, sondern das Sondereigentum an mehreren Wohnungen, beginnt die Kündigungssperrfrist erst dann, wenn das „Wohnungspaket“ unterteilt und für die vermietete, unter Umständen zu kündigende Wohnung eine gesonderte Einheit geschaffen wird.
AG Charlottenburg vom 9.10.2013 – 213 C 211/13 –
Mitgeteilt von RA Thomas Wetzel
Urteilstext
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Räumungsverpflichtung der Beklagten.
Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagte ist aufgrund Vertrag vom 1. März 1984 Mieterin der in der R.-Str. ?? im ersten Obergeschoss des Vorderhauses gelegenen Wohnung, bestehend aus vier Zimmern. Der frühere Ehemann der Beklagten ist ebenfalls im Mietvertrag als Mieter verzeichnet, aber bewohnt die Wohnung bereits seit längerem nicht mehr.
Der Gebäudekomplex besteht aus einem Alt- und einem Neubau. Ursprünglicher Eigentümer aller Einheiten war die Firma K.-GmbH. Diese teilte das Gebäude gemäß § 8 WEG in verschiedene Wohnungseigentumseinheiten auf, wobei die diesbezügliche Eintragung am 23. August 1984 erfolgte. Die im Grundbuch vom Berlin-Schmargendorf unter der Wohnungsgrundbuchblattnummer 4796 und im damaligen Aufteilungsplan als Sondereigentumseinheit Nummer 2 (die ausschließlich im „Neubau“ gelegen war) eingetragene Einheit mit 367/1.000stel Miteigentumsanteil veräußerte die Firma K-GmbH an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Eintragung dieser Gesellschaft bürgerlichen Rechts in das Grundbuch von Berlin-Schmargendorf mit der Wohnungsgrundbuchblattnummer 4796 erfolgte am 22. November 1984. Mit Urkunde vom 31. Mai 2002 wurde das unter der Wohnungsgrundbuchblattnummer 4796 eingetragene Wohnungseigentum in vier verschiedene Wohnungseinheiten aufgeteilt. Diese vier verschiedenen Einheiten erhielten jeweils separate Wohnungsgrundbuchblattnummer (4796, 7959, 7960 und 7961). Die unter der Wohnungsgrundbuchblattnummer 4796 eingetragene Einheit Nummer 2 wies insoweit nur noch einen Miteigentumsanteil von 104/1.000stel auf und wurde – mit Eintragung am 13. Oktober 2008 – an Frau Z. veräußert. Die seitens der Beklagten genutzte Einheit wurde als Sondereigentumseinheit Nummer 3 mit 80/1.000stel Miteigentumsan teil unter der Wohnungsgrundbuchblattnummer 7960 eingetragen. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts veräußerte die Einheit an die Klägerin, die ihrerseits im Januar 2012 eingetragen wurde.
Die Klägerin ist ferner Eigentümerin der im Erdgeschoss und im Keller gelegenen Einheit.
Mit jeweils separaten anwaltlichen Schreiben vom 29. August 2012 kündigte die Klägerin gegenüber der Beklagten sowie gegenüber dem ehemaligen Ehemann der Beklagten das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Zur Begründung heißt es in dem Schreiben vom 29. August 2012 unter anderem, dass die Klägerin ihre Einheit nicht nur zu Wohnzwecken, sondern auch als Praxis für Naturheilkunde nutze und sie beabsichtige, die Einheit mit der seitens der Beklagten genutzten Einheit zusammenzulegen, um in den unteren Räumen mehr Platz für eine berufliche Nutzung und in den oberen Räumlichkeiten für ihre private Nutzung und insbesondere der Einrichtung eines Gästezimmers zu erhalten.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 25. März 2013 widersprach die Beklagte der Kündigung aus sozialen Gründen.
Die Klägerin behauptet, sie nutze ihre bisherige Einheit auch für berufliche Zwecke und wolle sich insgesamt vergrößern, ein Gästezimmer zur Verfügung haben und deshalb die Einheiten durch einen Durchbruch zusammenlegen, was rechtlich zulässig sei. Sie leide an einer Autoimmunerkrankung, so dass sie zudem auf eine Badewanne mit Tageslicht angewiesen sei. Sie würde nach Zusammenlegung der Einheiten über eine Wohnfläche von 160 bis 170 m2 verfügen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die von ihnen genutzte Wohnung in der R.-Str. ?? in 1???? Berlin, bestehend aus vier Zimme.rn mit einer Gesamtfläche von ca. 95,77 m2 im 1. Obergeschoss des Vorderhauses nebst dem dazugehörigen Keller, zum 31. Mai 2013 geräumt an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie meinen, die Frist des § 577a 8GB sei noch nicht abgelaufen. Die Klägerin handele auch rechtsmissbräuchlich, da die Klägerin selbst die Badewanne in ihrer Einheit entfernt habe. Die Klägerin habe bereits jetzt eine Wohnfläche von 141,81 m2 zur Verfügung.
Entscheidungsgründe:
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt und insbesondere nicht aus § 985 Abs. 1 BGB oder § 546 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung zu. Die Kündigung der Klägerin vom 29. August 2012 hat das Mietverhältnis nicht gemäß §§ 542 Abs.1, 573 Abs.1, Abs. 2 Nr. 2 BGB beendet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Kündigung in unterschiedlichen Schreiben überhaupt wirksam sein kann, zumal die Kündigung gegenüber der Beklagten auf die Kündigung gegenüber dem ehemaligen Mann der Beklagten nicht hinreichend Bezug nimmt. Ebenfalls kann dahingestellt bleiben, ob es überhaupt einer Kündigung gegenüber dem ehemaligen Mann der Beklagten bedurft hätte (vgl. BGH, Urt. v. 16. März 2005 – VIII ZR 14/04, NJW 2005, 1715) und deshalb die Kündigung in unterschiedlichen Schreiben unerheblich war. Denn die Klägerin kann sich gemäß § 577a Abs. 1 BGB nicht auf Eigenbedarfsgründe berufen. An der vermieteten Wohnung ist nach der Überlassung an die Beklagte Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum anschließend an die Klägerin veräußert worden, ohne das bereits nach der Veräußerung drei Jahre abgelaufen sind. Insoweit kommt es nicht auf die Verlängerung der 3-Jahres-Frist nach § 577a Abs. 2 BGB an.
An der seitens der Beklagten genutzten Einheit wurde nach der Überlassung Wohnungseigentum begründet. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei nicht die ursprüngliche Aufteilung sämtlicher Einheiten im Jahre 1984, sondern die Aufteilung der mehrere Wohnungen umfassenden Einheit 2 in verschiedene Einheiten – unter anderem in die seitens der Beklagten genutzte Einheit – im Jahre 2004. Zwar war die seitens der Beklagten genutzte Einheit bereits zuvor Teil einer umfassenden Wohnungseigentumseinheit; der Einheit Nummer 2. Diese Einheit Nummer 2 wurde auch bereits vor längerer Zeit veräußert. Auf diese Veräußerung kommt es aber gerade nicht an. Denn die seitens der Beklagten genutzte Einheit war bis 2004 lediglich Teil einer Wohnungseigentumseinheit, die mehrere Wohnungen umfasste. An der Wohnung selbst wurde insoweit kein Wohnungseigentum begründet. Damit konnte die seitens der Beklagten genutzte Wohnung nicht separat veräußert werden, sondern – wie bei einem ungeteilten Gebäude – nur im Gesamtpaket. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt des § 577a Abs. 1 BGB ist aber, dass ausschließlich an der Wohnung der Beklagten Wohnungseigentum begründet wird. Dies erschließt sich bereits aus dem Wortlaut des § 577a Abs. 1 BGB, wonach entscheidend ist, dass an den genutzten Räumen selbst Wohnungseigentum begründet wird („ist an vermieteten Wohnräumen…Wohnungseigentum begründet worden“), also die vermietete Wohnung eine abgeschlossene und veräußerbare Wohnungseigentumseinheit darstellen muss. Dies korrespondiert auch mit dem Vorkaufsrecht des Mieters nach der Regelung des § 577 Abs. 1 BGB, die ebenfalls nur an den vermieteten Räumlichkeiten ein Vorkaufsrecht gewährt; also voraussetzt, dass diese selbst eine abgeschlossene Einheit bildet. Die Voraussetzung einer erstmaligen Begründung von Wohnungseigentum an der von der Beklagten genutzten Einheit lag aber erstmals im Jahre 2004 vor, als die Einheit 2 aufgeteilt und unter anderem die abgeschlossene Einheit der Beklagten als einheitliche und selbständige Wohnungseigentumseinheit ihrerseits begründet worden ist. Bei einer solchen Unter- bzw. Aufteilung von Wohnungseigentum in verschiedene selbständige Wohnungseigentumseinheiten handelt es sich auch um eine Begründung von Wohnungseigentum. Denn die Unterteilung vollzieht ich ihrerseits nach § 8 WEG (OLG München, Beschl. v. 27. Mai 2011 – 34 Wx 161/10, ZWE 2011,267; Schneider in Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, 6. Aufl. 2013, Teil A, Rn. 341; Armbrüster in Bärmann, WEG, 12. Auf. 2013, § 2, Rn. 94; vgl. auch BGH, Beschl. v. 24. Nov. 1978 – V ZB 2/78, NJW 1979, 870) und stellt damit eine Begründung von Wohnungseigentum i.S. v. § 2 WEG und damit auch § 577a Abs. 1 BGB dar. Die Veräußerung der neu begründeten separaten Wohnungseigentumseinheit der Beklagten erfolgte erstmalig im Jahre 2012, so dass die Frist des§ 577a Abs. 1 BGB noch nicht abgelaufen ist.
2. Der Klägerin steht auch gegen den Beklagten kein Anspruch auf Herausgabe zu. Die mangels vertraglicher Beziehung zwischen der Klägerin und dem Beklagten allein in Betracht kommenden Voraussetzungen des § 985 Abs. 1 BGB liegen nicht vor. Denn dem Beklagten steht gemäß § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Recht zum Besitz zu, da der Beklagte als Lebensgefährte der Klägerin die Wohnung ebenfalls nutzen darf.
II.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 7, Nr. 11, 711 Satz 1, Satz 2, 709 Satz 2 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung ist bestätigt worden durch Beschluss des Landgerichts vom 31.3.2014 – 18 S 330/13 –
15.05.2017