Leitsatz:
Für die Anwendbarkeit des WoBindG ist nicht erforderlich, dass die Parteien ausdrücklich vereinbaren, dass es sich bei der Wohnung um eine Sozialwohnung handelt.
AG Neukölln vom 25.9.2015 – 10 C 56/15 –
Mitgeteilt von RA Matthias Tüxen
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Mietvertragsparteien hatten einen Mietvertrag über eine in Neukölln gelegene Sozialwohnung abgeschlossen. Allerdings war der Vermieter aufgrund eines Bescheids des Bezirksamts Neukölln vom 7.11.2008 für den Zeitraum vom 1.8.2008 bis einschließlich 30.6.2010 insoweit von der Bindung befreit, als die Wohnung auch an Bewerber ohne Wohnungsberechtigungsschein vermietet werden durfte.
Bei Abschluss des schriftlichen Mietvertrages der Parteien, welcher weder auf die Mietpreisbindung der Wohnung hinweist noch erläutert, dass es sich bei dem Mietobjekt um eine Sozialwohnung handelt, wies die Mieterin demzufolge auch keinen Wohnungsberechtigungsschein nach.
Mit Schreiben vom 25.7.2012 erhöhte der Vermieter die für die Wohnung erhobene Miete wegen gestiegener Kosten unter Berufung auf eine Neuberechnung nach § 10 WoBindG um monatlich 68,85 Euro und machte in der Folge hinsichtlich eines entsprechend erhöhten Betrages von seiner mietvertraglich eingeräumten Einziehungsermächtigung Gebrauch. Dem widersprach die Mieterin.
Sie meint, dass der Vermieter die Miete nicht wirksam erhöht hätte, da er ihr bei Mietvertragsabschluss nicht mitgeteilt hätte, dass es sich um preisgebundenen Wohnraum handele und eine Kostenmiete von den Parteien nicht vereinbart worden sei. Die Mieterin war offensichtlich davon ausgegangen, dass die Mieterhöhungen sich nach §§ 558 ff. BGB richten, wonach der Berliner Mietspiegel und die 15%ige Kappungsgrenze den Mieterhöhungsbetrag begrenzen. Sie beantragte daher vor Gericht, den Vermieter zu verurteilen, die eingezogenen Mieten wieder an sie zurückzuzahlen.
Das Amtsgericht gab der Klage jedoch nicht statt. Ein formell ordnungsgemäßes Mieterhöhungsschreiben nach § 10 WoBindG sei der Mieterin vor Fälligkeit der hier in Streit stehenden Mieten zugegangen.
Der Vermieter sei zur Mieterhöhung nach §§ 8 ff. WoBindG auch in der geltend gemachten Höhe berechtigt gewesen, denn die geltend gemachte Miete war zur Deckung der laufenden Aufwendungen nach schlüssiger Darlegung des Vermieters, welche die Mieterin auch nicht bestritten habe, erforderlich.
Die Mieterin könne sich in diesem Zusammenhang nicht erfolgreich darauf berufen, dass nicht Gegenstand des Vertrags geworden sei, dass die Wohnung eine Sozialwohnung sei, und die Parteien auch keine Kostenmiete nach dem WoBindG vereinbart hätten. Für die Anwendbarkeit des WoBindG sei nicht erforderlich, dass die Parteien ausdrücklich vereinbarten, dass es sich bei der Wohnung um eine Sozialwohnung handele.
Eine Einigung über die Eigenschaft der Wohnung als Sozialwohnung sei bereits deswegen nicht erforderlich, weil die rechtliche Möglichkeit einer Einigung über die Sozialwohnungseigenschaft voraussetzen würde, dass diese Eigenschaft überhaupt zur Disposition der Parteien stünde. Dies sei indes nicht der Fall, vielmehr beruhe diese Eigenschaft der Wohnung allein auf öffentlich-rechtlichem Akt.
Es sei für die Erhöhung einer Kostenmiete auch nicht erforderlich, dass die Parteien im Mietvertrag schriftlich vereinbart hätten, dass die geschuldete Miete eine Kostenmiete im Sinne des § 10 WoBindG sei.
Zwar sei die Vereinbarung einer Kostenmiete im Mietvertrag möglich, indes nicht für die Erhöhung der Miete auf Grundlage von § 10 WoBindG erforderlich (vgl. LG Dortmund, Urteil vom 13.6.2002 – 11 S 45/02 –).
Zuletzt könne auch dahinstehen, ob den Vermieter grundsätzlich infolge der weitreichenden Folgen für die Mietzahlungsverpflichtung eine Informationspflicht darüber treffe, dass es sich bei dem Mietobjekt um eine Sozialwohnung handele beziehungsweise eine Kostenmiete erhoben werde, welche der Vermieter hier möglicherweise verletzt habe.
Denn aus der etwaigen Verletzung einer Informationspflicht seitens des Vermieters, § 241 Abs. 2 BGB, würde nicht die Unanwendbarkeit des Wohnungsbindungsgesetzes folgen.
Die Verletzung von Informationspflichten führe nicht zum Entfallen der mit der unterlassenen Information zusammenhängenden vertraglichen Primärpflichten der Parteien, sondern habe allenfalls das Entstehen von vertraglichen Schadensersatzansprüchen zur Folge. Entsprechende, kausal auf einer etwaigen Informationspflichtverletzung beruhende Ansprüche habe die Mieterin aber nicht behauptet, da sie nicht vorgetragen habe, dass sie den Mietvertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn sie gewusst hätte, dass es sich bei der angemieteten Wohnung um eine dem WoBindG unterfallende Sozialwohnung handele.
09.03.2016