Leitsätze:
1. Ein Kündigungsschreiben, das lediglich den Gesetzeswortlaut oder das Kündigungsinteresse – wie zum Beispiel die Absicht des Verkaufs der Wohnung – mitteilt, genügt nicht den Anforderungen des § 573 Abs. 3 BGB.
2. Der bloße Umstand, dass die Wohnung vermietet ist und bei einem Verkauf in unvermietetem Zustand ein Mehrerlös erzielt werden kann, reicht für den Kündigungsgrund der Hinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung nicht aus.
LG Berlin vom 30.4.2015 – 65 S 4/15 –
Mitgeteilt von RA Matthias Tüxen
Urteilstext
Hinweisbeschluss:
… Das Kündigungsschreiben vom 29. Mai 2013 genügt schon nicht den Anforderungen des § 573 Abs. 3 BGB. Dies führt zur Unwirksamkeit der Kündigung (vgl. BT-Ds. 14/4553, § 573 Abs. 3 BGB E., S. 66).
Wie bereits § 564 b BGB a. F. verfolgt die Begründungspflicht nach § 573 Abs. 3 BGB den Zweck, es dem Mieter zu ermöglichen, sich frühzeitig Klarheit über seine Rechtsstellung zu verschaffen (vgl. BT-Ds. 14/4553, a.a.O.). Ein Kündigungsschreiben, das lediglich den Gesetzeswortlaut oder das Kündigungsinteresse – wie z.B. die Absicht des Verkaufs der Wohnung – mitteilt, genügt diesem Zweck nicht. Der Vermieter erfüllt seine Begründungspflicht vielmehr nur, wenn er dem Mieter den für die Kündigung wesentlichen Lebenssachverhalt offen legt, d.h. alle wesentlichen Tatsachen und Lebensvorgänge bekannt gibt, aus denen·sich – hier- der Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB ergibt. Der Mieter muss auf der Grundlage des vom Vermieter mitgeteilten Sachverhaltes überprüfen können, ob er die Kündigung mit Aussicht auf Erfolg in Frage stellen kann oder hinnehmen will (vgl. zu alledem BVerfG Beschl. v. 28.1.1992- 1 BvR 13 9/91, Rn. 16ft.; Kammerbeschl. v. 9.2.2000- 1 BvR 889/99, Rn. 11f.; Kammerbeschl. v. 3.2.2003- 1 BvR 619/02, Rn. 11ft.; jew. zit. nach juris, jew. mwN.).
Zwar hat der Kläger seine Absicht mitgeteilt, die Wohnung aus Altersgründen in leer stehendem Zustand verkaufen – und damit anderweitig verwerten – zu wollen. Er hat sich im Übrigen aber auf die bloße Mitteilung der allgemein bekannten Tatsache beschränkt, dass er die Wohnung in vermietetem Zustand nur mit einem erheblichen Abschlag verkaufen könne. Es fehlen jegliche Konkretisierung des Verlustes, insbesondere fehlen Angaben dazu, welche konkreten Nachteile bei Unterlassen des Verkaufs oder bei einem Verkauf in vermietetem Zustand eintreten werden (vgl. zu den Anforderungen: Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl., 2013, § 573 Rn. 230f.).
Die Berufung des Klägers bleibt auch dann ohne Erfolg, wenn die (formelle) Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung zugunsten des Klägers unterstellt wird. Frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB verneint.
Danach besteht ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses dann, wenn er durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert ist und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde.
Der Fortbestand des Mietverhältnisses hindert den Kläger weder an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung noch erleidet er dadurch einen erheblichen Nachteil.
Der bloße Umstand, dass die Wohnung vermietet ist bzw. bei einem Verkauf in unvermietetem Zustand ein Mehrerlös erzielt werden kann, kann schon kein tragfähiger Grund sein, der der Annahme der Möglichkeit einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung entgegensteht; es kann als offenkundig, § 291 ZPO, vorausgesetzt werden, dass für eine Wohnung in unvermietetem Zustand ein deutlich höherer Verkaufspreis erzielt werden kann, als für eine vermietete Wohnung (vgl. LG Berlin Urt. v. 4.1.1991 – 67 S 130/90, in: Grundeigentum 1991.. 353, nachf. bestätigt: BVerfG Beschl. v. 9.10.1991 – 1 BvR 227/91, in: NJW 1992, 361; vgl. auch: LG Berlin Urt. v. 7.11.1994- 67 S 278/94, in: NJW-RR 1995, 332). Würde dies ausreichen, liefe die mieterschützende Funktion der Regelung des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB im Ergebnis leer.
Unberücksichtigt blieben die dem Eigentum nach Art. 14 Abs. 1, 2 GG gesetzten bzw. vom Gesetzgeber – hier in § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB – konkretisierten bzw. zu setzenden Schranken. Je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug steht, desto weiter geht die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung. Bleiben Nutzung und Verfügung nicht lediglich innerhalb der Sphäre des Eigentümers, sondern berühren sie – wie im Fall vermieteten Eigentums – Belange anderer, die auf die Nutzung des Eigentumsobjekts angewiesen sind, umfasst das . grundgesetzliche Gebot einer am Gemeinwohl orientierten Nutzung das Gebot der Rücksichtnahme auf den Nichteigentümer, der seinerseits der Nutzung des Eigentumsobjekts zu seiner Freiheitssicherung und verantwortlichen Lebensgestaltung bedarf (vgl. BVerfG Beschl. v. 9.10.1991 -1 BvR 227/91, a.a.O.).
Angemessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist eine wirtschaftliche Verwertung dann, wenn sie von vernünftigen, nachvollziehbaren Erwägungen getragen wird. Das Eigentum gewährt dem·Vermieter keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder·auf Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeiten, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil versprechen (BVerfG Beschl. v. 09.01.1991 -1 BvR 227/91, in: NJW 1992, 361; BGH 8.6.2011- VIII ZR 226/09, in: NZM 2011, 773; Urt.v. 28.1.2009 – VIII ZR 8/08, in: NZM 2009, 234).
Der Vermieter muss durch den Fortbestand des Mietverhältnisses zudem kausal erhebliche Nachteile zu erwarten haben. Vorrangig sind dies wirtschaftliche Nachteile; aber auch persönliche Nachteile können zu berücksichtigen sein (Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht 11. Aufl., 2013, § 573 Rn. 170). Da das Eigentum dem Vermieter keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeiten gewährt, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil versprechen (BVerfG Beschl. v. 9.1.1991, aaO), ist die Frage, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand eines Mietvertrages ein erheblicher Nachteil entsteht, vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) und damit des grundsätzlichen Bestandsinteresses des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verbleiben, zu beantworten. Auch das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung ist Eigentum iSv Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und deshalb grundgesetzlich geschützt (BVerfG Beschl. v. 26.05.’1993 – 1 BvR 208/93, in: NJW 1993, 2035). Die dem Vermieter entstehenden Nachteile dürfen andererseits jedoch keinen Umfang annehmen, welcher die Nachteile weit übersteigt, die dem Mieter im Falle des Verlustes der Wohnung erwachsen (BVerfG Beschl. v. 12.11.2003-1 BvR 1424/02, in: NJW RR 2004, 371).
ln die Abwägung einfließt dabei – gegebenenfalls – auch, ob der Vermieter das Objekt in Kenntnis der Vermietung und damit in Kenntnis der eingeschränkten Möglichkeiten zur Änderung oder gar Beendigung der bestehenden Mietverhältnisse erworben hat; auch das kann dem Erfolg einer auf eine Verwertungskündigung gestützten Räumungsklage entgegenstehen (BVerfG Beschl. v. 2.11.2003, aaO).
Hinsichtlich der Angaben des Klägers zur Angemessenheit der Verwertung und den durch einen Fortbestand des Mietverhältnisses verursachten erheblichen Nachteilen in der·Berufungsbegründung kann dahinstehen, ob der neue Vortrag nach §§ 529, 531 ZPO in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen ist. Wird dies zugunsten des Klägers unterstellt, ergibt sich keine andere – für ihn günstige- rechtliche Bewertung. Der Kläger hat hier nach eigenen Angaben über Jahre von einem Steuersparmodell profitiert, das über Sonderabschreibungen und in der Folge die Reduzierung seiner Steuerschuld den Eigentumserwerb gefördert hat und darauf basierte, dass die Wohnung vermietet ist. Die nunmehr gewünschte Optimierung des Gewinns fällt – wie oben ausgeführt – gerade nicht in den Schutzbereich und -zweck des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Sofern der Kläger sich von Prospektangaben geleitet erheblich höhere Einnahmen durch eine vermietete Wohnung in Berlin versprochen haben sollte, so fällt dies ebenso in seinen Risikobereich, wie der Umstand, darauf vertraut zu haben, dass zu bestimmten Zeitpunkten auslaufende Förderprogramme und·Steuervergünstigungen zugunsten einzelner begrenzter Personengruppen immer wieder verlängert, erneuert bzw. beibehalten werden, obwohl darauf zu keinem Zeitpunkt ein rechtlicher Anspruch gegen den öffentlichen Fördergeber bestand. Unabhängig davon sind die monatlichen Belastungen des Klägers und die darauf zurückzuführende Reduzierung des ihm monatlich zur Verfügung stehenden Einkommens darauf zurückzuführen, dass er zahlreiche Darlehensverpflichtungen, wohl mit einem vergleichbaren wirtschaftlichen Hintergrund eingegangen ist. Auch hier kommt ergänzend hinzu, dass weder dargelegt noch sonst ersichtlich ist, dass gerade und allein das Hindern der hier angestrebten Verwertung der Mietsache in unvermietetem Zustand erhebliche Nachteile verursacht bzw. allein durch die angestrebte Verwertung unter Optimierung des Gewinns erhebliche Nachteile abwenden würde.
30.06.2017