Ein haarsträubender Vorgang: Da wird ein landeseigenes Seniorenwohnhaus ohne irgendwelche Auflagen verkauft. Der neue Eigentümer, die Stadtmission, will dort ein Kirchenzentrum errichten und beginnt, zu entmieten. Nachdem ein Großteil der Senioren umgesetzt ist, werden die Neubaupläne sang- und klanglos abgesagt. Für die noch verbliebenen Mieter fühlt sich nun niemand zuständig.
Das MieterMagazin hatte bereits zweimal über den Fall berichtet, zuletzt in Ausgabe 1+2/11, Seite 6 („Senioren verdrängt, Pläne geändert“). Mittlerweile wohnen noch elf teilweise schwer pflegedürftige und behinderte Mieter in dem Haus Lehrter Straße 67/Seydlitzstraße 21/22. „Sie fühlen sich hilflos und von sämtlichen Behörden vergessen“, sagt Susanne Torka vom Betroffenenrat Lehrter Straße.
In den freigewordenen Wohnungen hat die Stadtmission Absolventen von Freiwilligendiensten, Flüchtlingsfamilien und Alkoholkranke untergebracht – ein Wohnumfeld, in dem sich die Senioren zunehmend unwohl fühlen, ganz zu schweigen von der zerstörten Hausgemeinschaft und den weggefallenen Gemeinschaftsaktivitäten. Die Situation im Haus sei für viele unerträglich geworden, meint Torka: „Mir wurde von lauten Parties berichtet und von Alkoholkranken, die bei den alten Leuten klingeln, um Geld zu erbetteln.“
Bei der Stadtmission sind indes keine besonderen Probleme bekannt. „Das sind Konflikte, wie sie in jedem Mietshaus vorkommen“, meint Sprecherin Ortrud Wohlwend. Das Wohnprojekt für alkoholkranke Menschen sei in einem separaten Trakt untergebracht, zudem sei rund um die Uhr ein Betreuer vor Ort. Man habe, so betont die Sprecherin, große Anstrengungen unternommen, um die Mieter bei der Wohnungssuche individuell zu unterstützen. So wurden die Umzugskosten bezahlt und auch die Mietdifferenz übernommen, wenn die neue Wohnung teurer war. Dass für die noch verbliebenen elf Bewohner keine Wohnung gefunden werden konnte, läge an deren hohen Ansprüchen.
Auch der Bezirk Mitte, der die Neubaupläne damals unterstützt hat, sieht offenbar keinen Handlungsbedarf. Bei einer Sitzung des Sozialausschusses der Bezirksverordnetenversammlung Anfang Januar konnten zwar einige Senioren ihre Situation schildern, konkrete Hilfe wurde ihnen jedoch nicht zugesagt.
Birgit Leiß
MieterMagazin 3/12
Für die elf „übrig gebliebenen“ Senioren ist die Situation im Wohnheim der Stadtmission eine Zumutung
Foto: Christian Muhrbeck
03.05.2018