Ob Silberfischchen im Bad, Motten im Kleiderschrank oder gar Mäuse in der Küche – irgendwann hat fast jeder einmal mit solchen uneingeladenen Gästen zu tun. Was tun, wenn es so weit ist? Wann muss der Kammerjäger ran? Und was kann man tun, um es gar nicht so weit kommen zu lassen?
Von einer Geschäftsreise nach Brüssel brachte ein Mitglied des Berliner Mietervereins unlängst ein Krabbeltierchen mit, das sich hierzulande geradezu explosionsartig verbreitet: die Bettwanze. Das bis zu acht Millimeter große rotbraune Insekt versteckt sich bevorzugt in Bettritzen und saugt seinen Opfern nachts Blut aus. Bettwanzen übertragen keine Krankheiten, aber ihre Bisse führen zu juckenden Pusteln, die Entzündungen oder allergische Reaktionen auslösen können.
Lange Zeit galten die früher unter dem Namen Tapetenflundern bekannten Wanzen als fast ausgestorben. Eingeschleppt werden sie heutzutage vor allem durch gebrauchte Möbel sowie mit dem Reisegepäck – und zwar nicht nur aus Billighostels in exotischen Ländern. Der wichtigste Rat daher: Wer in einem verwanzten Hotelzimmer übernachtet hat, sollte den Koffer zuhause auf dem Balkon oder vor dem Haus auspacken und sämtliche Kleider sofort waschen oder für zehn Stunden in die Gefriertruhe legen.
Bettwanzen erfordern die chemische Keule
Ist die Wohnung erst einmal befallen, hilft nur eins: Eine Schädlingsbekämpfungsfirma muss „sprühen“. Ohne Chemie geht es nicht. Bettwanzen sind extrem schwer zu bekämpfen, mit einem einzigen Einsatz ist es meist nicht getan. Obwohl das Ungeziefer fast immer von den Bewohnern eingeschleppt wird, ist in der Regel der Vermieter für die Beseitigung verantwortlich. Weil sie ein schlechtes Gewissen hatte, beauftragte die eingangs erwähnte Mieterin lieber selber eine Firma – deren Einsatz aber nicht den erwarteten Erfolg hatte. Ihr Vermieter drohte daraufhin mit einer Klage und musste von Rechtsberater Dr. Michael Häberle vom Berliner Mieterverein darauf hingewiesen werden, dass die Bekämpfung seine Sache ist: „Eine Reise nach Brüssel kann schließlich nicht als schuldhaftes Verhalten unseres Mitglieds ausgelegt werden.“
Zu den ältesten Begleitern des Menschen gehören Mäuse und Ratten. Weil die Nager Krankheiten wie Salmonellen oder Toxoplasmose übertragen können, müssen sie unbedingt bekämpft werden. Gerade an Mäuse haben sich viele Altbaumieter schon so gewöhnt, dass Schädlingsbekämpfer Mario Heising nur den Kopf schütteln kann: „Ich hatte kürzlich in einem hochherrschaftlichen Haus mit lauter gut situierten Bewohnern zu tun, die seit Jahren Mäusefallen aufstellen“, erzählt er. Doch solange die Ursache nicht gefunden ist, bringt das wenig. Häufig nistet die Hausmaus in den Zwischendecken von Altbauten und vor allem im Winter versucht sie, sich Zugang zur Wohnung zu verschaffen. Erst wenn das Eingangsloch zur Wohnung gefunden und verschlossen wird, ist Ruhe.
Bei massivem Befall sollte auf jeden Fall die Hausverwaltung informiert werden – Mäusefamilien sind sehr groß und verbreiten sich schnell.
Bei Rattenbefall sind die Eigentümer sogar verpflichtet, die bezirklichen Gesundheitsämter zu informieren. Das Amt kontrolliert vor Ort, ob die Bekämpfung ordnungsgemäß erfolgt. Statt immer wieder den Kammerjäger zu rufen, ist es meist sinnvoller, der Ursache nachzugehen. Manchmal ist ein Leitungsrohr defekt oder die Kellerfenster sind nicht ausreichend vergittert, so dass Ratten eindringen können.
Kein Gift in Laienhand
Unnötig leicht gemacht wird es den Schädlingen durch das weit verbreitete Schamgefühl vieler Betroffener. Vielen Mietern sind Kakerlaken in der Küche oder Pelzkäfer im Teppich so peinlich, dass sie mit den Nachbarn nicht darüber reden. Die Folge: Keiner weiß, dass der andere das gleiche Problem hat, eine koordinierte Bekämpfung im ganzen Haus wird so nicht möglich. Dabei kommt Ungeziefer auch im saubersten Haushalt vor, wie es beim Deutschen Schädlingsbekämpfer-Verband heißt. Mangelnde Reinlichkeit begünstigt Schädlinge mitunter, ist aber nicht die Ursache. Die gefürchtete Orientalische Küchenschabe beispielsweise wandert häufig über benachbarte Imbisse oder auch über undichte Abwasserleitungen ein. Kakerlaken können ganze Wohnblöcke besiedeln und lassen dabei auch hygienisch einwandfreie Wohnungen nicht aus. Putzen hilft gar nichts. Ebenso wie bei Taubenzecken und Pharaoameisen gilt: Ein Profi muss den Tierchen zu Leibe rücken. Zwar gibt es im Handel eine Vielzahl von Elektroverdampfern, Insektensprays und ähnliche Mittel, doch bei der Verbraucherzentrale Berlin warnt man eindringlich vor einem wahllosen Einsatz: „Gifthaltige Schädlingsbekämpfungsmittel gehören wegen der möglichen Gefahren für Mensch und Umwelt nicht in Laienhand“, heißt es in einer Verbraucherinformation. Auch die frei verkäuflichen Mittel können bei Mensch und Haustier zu ernsthaften Vergiftungen bis hin zu Krebs führen.
Während einige Leute allzu sorglos mit der Spraydose umgehen, haben andere geradezu panische Angst davor, dass der Kammerjäger ihre Wohnung vergiftet. In der Branche wird gern betont, dass weit weniger Chemie zum Einsatz kommt als früher. Statt den Raum großflächig einzunebeln, wird er heute meist gezielter und mit weniger Wirkstoffen behandelt. Dennoch empfiehlt die Verbraucherzentrale, darauf zu bestehen, dass möglichst unbedenkliche Mittel eingesetzt werden, zum Beispiel Köderdosen, Gele und Fallen statt Sprays und Vernebler. Zudem sollte man sich genau erklären lassen, welche Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten sind und dabei auch auf Allergien oder Kleinkinder im Haushalt hinweisen.
Kein Fall für den Kammerjäger sind dagegen in der Regel die ebenfalls weit verbreiteten Motten aller Art. Hier gilt es zu allererst, den Befallsherd zu finden, etwa die vergessene Müslipackung im Regal oder den lange nicht mehr angezogenen Wollpullover. Vor allem für Vorratsschädlinge gilt: Vorbeugen ist besser als bekämpfen. Lebensmittel sollten regelmäßig auf die typischen Gespinstfäden der Mehlmotten kontrolliert und bei Befall weggeworfen werden. Wer Vorräte grundsätzlich in verschließbare Dosen oder Gläser füllt, bleibt von den Plagegeistern meist verschont. Zur Vorbeugung gegen gefräßige Kleidermotten helfen die altbewährten Lavendelduftsäckchen im Wäscheschrank. Ebenfalls wichtig: Teppiche häufig saugen und abklopfen und Wolltextilien, die länger nicht benötigt werden, in gut verschließbare Schutzbezüge geben. Fliegen die Motten bereits durch die Wohnung, sind Pheromonfallen eine gute, weil ungiftige Wahl.
In die Kategorie „eklig, aber harmlos“ gehören die Silberfischchen, die sich gern in feuchten Badezimmern breit machen. Da sie eine hohe Luftfeuchtigkeit brauchen, hilft hier oft schon regelmäßiges gründliches Lüften. Staubsaugen in dunklen Ecken kann vorhandene Populationen reduzieren. Das Verfugen von Ritzen und Spalten nimmt ihnen zudem die Schlupfwinkel.
Birgit Leiß
Häufig weigern sich Vermieter, die Kosten für den Kammerjäger zu übernehmen. Auch Schädlingsbekämpfungsfirmen geben nicht selten eine falsche Auskunft, wer für ihren Einsatz aufkommen muss – mit dem Ergebnis, dass Bewohner die Kosten dann selber zahlen.
Richtig ist: In den allermeisten Fällen hat der Vermieter für die Entfernung des Ungeziefers zu sorgen. Grundsätzlich gilt auch: Der Befall mit Schädlingen ist ein Mangel. Der Mieter ist verpflichtet, den Mangel zu melden – sonst kann er sich sogar schadensersatzpflichtig machen. Und der Vermieter muss den Mangel beseitigen. Einzige Ausnahme: Der Mieter hat den Mangel schuldhaft verursacht, etwa indem er Bettwanzen wissentlich eingeschleppt und sich nicht weiter darum gekümmert hat. In der Praxis dürfte das kaum vorkommen. Zudem müsste der Vermieter das auch noch beweisen können.
Wie bei jedem Mangel hat der Mieter ein Recht auf Mietminderung. Wenn man nach dem Sprühen einige Tage oder Wochen ausquartiert werden muss, hat man Anspruch auf eine angemessene Ersatzunterkunft. Bei einem extremen Befall mit gesundheitsgefährdendem Ungeziefer, beispielsweise Ratten, hat der Mieter gegebenenfalls das Recht zur fristlosen Kündigung.
Die Umlage der Schädlingsbekämpfung auf die Betriebskosten ist nur dann zulässig, wenn es sich um regelmäßig anfallende Kosten handelt, etwa bei dem turnusmäßigen Auslegen von Rattenködern.
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MieterMagazin: Gibt es bei den Schädlingsarten bestimmte Trends
Mario Heising: Massiv auf dem Vormarsch sind Bettwanzen. Früher hatte ich drei oder vier Anfragen im Jahr, heute sind es täglich vier. Auch Ameisen haben stark zugenommen – mitunter führen ganze Straßen durch die Wohnung. Ein Grund dafür sind milde Winter, außerdem spielt die moderne Bauweise mit Belüftungsschlitzen eine Rolle. Schaben sind dagegen auf dem Rückzug. Das liegt daran, dass die Hygienestandards in Gaststätten viel höher sind und dass weniger Lagerhaltung betrieben wird als früher.
MieterMagazin: Wie sollten sich betroffene Mieter verhalten? Was wird am häufigsten falsch gemacht?
Heising: Viele warten zu lange. Gerade habe ich einen Fall, wo die Leute schon seit elf Jahren mit Bettwanzen leben. Mittlerweile haben sich die Tierchen bis ins Treppenhaus ausgebreitet und sämtliche Wohnungen befallen. Mein Rat: Mieter sollten sich nie scheuen, das der Hausverwaltung zu melden.
MieterMagazin: Viele schämen sich, weil sie Ungeziefer in der Wohnung haben. Zu Recht?
Heising: Überhaupt nicht. Solche Schädlinge machen auch vor goldenen Türklinken nicht halt. In einem absolut sauberen Haushalt entdeckt man den Befall vielleicht eher, aber auch hier gehen die Leute auf Reisen und schleppen Ungeziefer ein, oder sie bringen aus dem Bioladen Lebensmittelmotten mit. Schädlinge müssen fressen und sich verstecken, das finden sie in jeder Wohnung.
Interview: Birgit Leiß
MieterMagazin 4/12
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Mario Heising ist Vorsitzender des Landesverbands Berlin-Brandenburg im Deutschen Schädlingsbekämpfer-Verband
Foto: Sabine Münch
Website des Deutschen Schädlingsbekämpfer-Verbandes mit Adressen von empfehlenswerten Firmen:
www.dsvonline.de
07.11.2017