Das Sanierungsgebiet Pankow-Wollankstraße ist nach gut 16 Jahren aufgehoben worden. Die Bevölkerungsumwälzung war hier weniger stark als in den innerstädtischen Sanierungsgebieten – trotz stark gestiegener Mieten. Um eine Verdrängung ärmerer Bewohner nach der Sanierung zu verhindern, wird überlegt, das Gebiet unter Milieuschutz zu stellen.
Der Name des 68 Hektar großen Sanierungsgebiets ist etwas irreführend. Es umfasst das Pankower Bezirkszentrum um die Breite Straße und die Berliner Straße und reicht nur von Osten an die Wollankstraße heran. In seiner Bebauung lassen sich die verschiedenen Siedlungsphasen ablesen: Es gibt vorstädtische Villen aus dem 19. Jahrhundert, viergeschossige Gründerzeithäuser, einige Wohngebäude aus den 30er Jahren, DDR-Großblock- und Plattenbauten sowie Neubauten aus der Jetztzeit.
Der historische Dorfanger an der Breiten Straße ist völlig neu gestaltet worden. Mit dem 1999 eröffneten Rathaus-Center erfuhr die Breite Straße als Einzelhandelszentrum eine Aufwertung. Doch schräg gegenüber steht seit Jahren die Ruine einer Kaufhalle, die schon längst abgerissen sein sollte. Pläne, hier eine Ladenpassage oder ein Gesundheitszentrum zu bauen, zerplatzten. Neue Grünanlagen und Spielplätze wie der Bleichröderpark oder der Paule-Park haben aber die Lebensqualität erhöht.
Die 3200 Altbauwohnungen im Gebiet sind zu etwa 70 Prozent saniert. Über 600 Wohnungen wurden neu gebaut, knapp 200 kamen durch den Ausbau von Dachgeschossen dazu. Heute leben im Gebiet rund 7500 Menschen, 1500 mehr als zu Beginn der Sanierung im Jahr 1994.
Wie die Sozialforscher des Büros ASUM in ihrer Studie zum Abschluss der Sanierung herausgefunden haben, sind die Bewohner ihrem Kiez verhältnismäßig treu: 19 Prozent von ihnen lebten auch schon 1994 im Gebiet. In den innerstädtischen Sanierungsgebieten liegt dieser Wert nur zwischen 10 und 15 Prozent. Aber auch in Pankow ist fast die Hälfte der Gebietsbewohner erst in den letzten fünf Jahren zugezogen. Auch dass viele der Neu-Pankower deutlich mehr verdienen als die Alt-Bewohner, schlägt sich in der Statistik nieder: Zwischen 1996 und 2009 ist hier das mittlere Haushaltseinkommen von 1600 Euro auf 2100 Euro angewachsen – deutlich stärker als im Gesamtbezirk.
Der Trend, alte Fabrikgebäude in teure Wohnungen umzubauen, hat auch Pankow erreicht. Die ehemalige Schultheiss-Mälzerei zwischen Mühlenstraße und Neuer Schönholzer Straße wurde in den letzten zwei Jahren – nach 18-jähriger Ratlosigkeit, was man mit dem leeren Baudenkmal anfangen soll – in eine Luxuswohnanlage umgebaut. Die 130 Wohnungen wurden zu Preisen zwischen 3000 und 3500 Euro pro Quadratmeter verkauft. In dieser Preiskategorie liegen auch die exklusiven Loft-Wohnungen, die zurzeit in der früheren Zigarettenfabrik Garbáty in der Berliner Straße eingerichtet werden. Auf der Industriebrache des ehemaligen VEB Elektrokeramik in der Gaillardstraße ist außerdem die Neubau-Wohnanlage „Floragärten“ mit Lofts, Etagenwohnungen und Townhouses geplant.
Folgt auf die Sanierung der Milieuschutz?
Der Sozialstudie zufolge hat das Gebiet Wollankstraße „inzwischen ein sehr hohes Mietenniveau erreicht“. Die durchschnittliche Nettokaltmiete liegt bei 5,56 Euro pro Quadratmeter. Knapp 800 mit öffentlicher Förderung modernisierte Wohnungen haben gebundene Mieten und stehen für Mieter mit niedrigem Einkommen zur Verfügung. Eine hohe Verdrängungsgefahr wurde für 14 Prozent aller Haushalte festgestellt, das sind vor allem die Geringverdiener in den noch unsanierten Wohnungen. Um den hohen Aufwertungsdruck abzumildern, hat die Sozialstudie von ASUM den Milieuschutz empfohlen. Mit einer solchen Satzung können nachholende Luxusmodernisierungen verhindert und etwaige Mietsteigerungen in einem sozialverträglichen Rahmen gehalten werden.
Jens Sethmann
MieterMagazin 6/11
Nach 18 Jahren Leerstand kann man in der ehemaligen Schultheiß-Mälzerei in Pankow jetzt gut und teuer wohnen
Foto: Christian Muhrbeck
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Vier Abgänge, sieben Zugänge
Im April hat der Senat vier Sanierungsgebiete aufgehoben. Neben Pankow-Wollankstraße sind das Winsstraße und Bötzowstraße in Prenzlauer Berg und Warschauer Straße in Friedrichshain. Von den 22 Sanierungsgebieten aus dem 1993 begonnenen ersten Gesamt-Berliner Stadterneuerungsprogramm bestehen jetzt nur noch drei. Fast gleichzeitig hat der Senat sieben neue Sanierungsgebiete festgesetzt.
js
18.12.2016