Bündnis 90/Die Grünen haben unlängst ein Richtungspapier verabschiedet, dass die Anfordungen des Klimaschutzes mit dem Anliegen eines sozial gerechten Mietrechts versöhnt („Wohnraum in Deutschland zukunftsfähig machen“). Wie das aussehen soll, erläuert die wohnungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen, Daniela Wagner, im MieterMagazin-Gespräch.
MieterMagazin: Ein Anliegen der Grünen in der Wohnungspolitik ist die energetische Sanierung. Sie wünschen sich die Warmmietenneutralität, sagen aber auch, dass diese nicht in allen Beständen zu realisieren ist. Wie kann man es hinkriegen, dass energetische Sanierung dort warmmietenneutral durchgeführt wird, wo es möglich ist, und in Beständen, wo nicht möglich, die Mieter nicht die Dummen sind, die die Rechnung bezahlen müssen?
Wagner: Wir haben festgestellt, dass die warmmietenneutrale Sanierung im Moment tatsächlich nur in Ausnahmefällen möglich ist. Sollten die Energiepreise sich allerdings im gleichen Tempo wie bisher verteuern, wird die Möglichkeit immer größer, dass man modernisiert, ohne die Bruttomieten zu verteuern.
Wie auch immer: Da 40 Prozent der Endenergie im Bereich des Wohnens verbraucht werden, kommen wir nicht daran vorbei, den Gebäudebestand der Bundesrepublik energetisch zu erneuern. Darüber hinaus ist ohne eine hohe Energieeffizienz im Gebäudebestand der Atomausstieg nicht zu schaffen.
Da Mieter und Vermieter die damit verbundenen Lasten nicht alleine schultern können, braucht es eine angemessene Förderung. Wir planen daher eine Ausgestaltung der KfW-Förderprogramme für die energetische Gebäudesanierung, die verbindlich, transparent und zielgruppengerecht die energetische Sanierung fördert. Und zwar auf einem Niveau, das modernisierungsbedingte Mietsteigerungen soweit verringert, dass wir zumindest in die Nähe der Warmmietenneutralität kommen.
MieterMagazin: Die energetische Sanierungsquote liegt derzeit bei 1 Prozent des Bestandes. Um die Klimaschutzziele in einem überschaubaren Rahmen von 30 bis 40 Jahren zu erreichen, müsste die Quote auf 3 Prozent hochgefahren werden. Wie wollen Sie das erreichen?
Wagner: Machbar ist dies nach meiner Meinung, indem man Fordern und Fördern aneinander koppelt: Wir müssen zunehmend Energiesparmaßnahmen für den Gebäudebestand gesetzlich einfordern, andererseits müssen wir dieses Verlangen flankieren mit einer entsprechenden öffentlichen Bezuschussung. Dabei ist zu beachten, dass die Förderung auf die Bedürfnisse der in Betracht kommenden Vermieter abgestimmt ist. Was ist zum Beispiel daran attraktiv, wenn der Staat den Vermietern – wie bisher – zinsgünstige Kredite über die KfW anbietet, die an hohe energetische Anforderungen geknüpft sind, es aber die aktuelle Lage am Geldmarkt zulässt, dass sich ein Gebäudeeigentümer bei jeder anderen Bank ähnlich günstig mit Geld versorgen kann, dabei jedoch keinen Förderbedingungen unterliegt? Um die Attraktivität zu erhöhen, müssen die Zinssätze der KfW-Förderbank signifikant unterhalb der marktüblichen Lage liegen.
MieterMagazin: Nach wie vor werden bei einer energetischen Bestandssanierung vorwiegend Heizungen mit fossilen Brennstoffen eingebaut. Auch wenn diese deutlich sparsamer sind als noch vor 20 Jahren: Macht das angesichts der Kostenexplosion bei den fossilen Brennstoffen überhaupt noch Sinn?
Wagner: Natürlich sind Heizungen mit fossilen Brennstoffen ein Auslaufmodell. Künftige staatliche Marktanreizprogramme müssen die Förderung von Heizanlagen koppeln an Solarthermie, Photovoltaik und andere nicht-fossile Energieträger.
MieterMagazin: Die Bundesregierung hat angekündigt, dass sie im Rahmen der Energiewende für die KfW-Gebäudesanierungsprogramme 1,5 Milliarden Euro aus dem Energie- und Klimafonds bereitstellen will. Wirksame staatliche Förderungen im Bereich der energetischen Sanierung – wie von Ihnen vorgeschlagen – werden sehr viel mehr kosten. Kündigen die Grünen hier womöglich nicht ein Vorhaben an, dass sie im Falle einer Regierungsteilhabe genauso schnell fallen lassen müssen, wie weiland die FDP ihre angekündigten Steuersenkungen?
Wagner: Es ist in diesen Zeiten natürlich immer hochriskant, irgendetwas anzukündigen, was mit hohen Kosten verbunden ist. Andererseits muss eine Partei auch eine Position und den Willen entwickeln, diese dann auch durchzusetzen. Eine entscheidende Frage ist beispielsweise: Haben wir den Mut, steuerliche Privilegien und Subventionen anzutasten, die im großen Umfang klimaschädliches Verhalten honorieren?
MieterMagazin: Woran denken Sie?
Wagner: Na, nehmen wir doch mal die Dienstwagen-Besteuerung: Das ist eine riesige Steuerentlastungsmaschine …
MieterMagazin: … mir deren Abschaffung Sie aber keine Milliarden-Beträge einsparen werden.
Wagner: Wir haben für unseren Klimahaushalt ausgerechnet, dass wir für 2012 circa 16 Milliarden Euro durch den Abbau klimaschädlicher Subventionen einsparen können. Die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs, welches mit circa 90 Millionen Euro zu Buche schlägt, ist dabei nur ein Instrument unter vielen. Auch die Einführung der Kerosinbesteuerung im Inland kann weitere finanzielle Spielräume eröffnen.
MieterMagazin: In Ihrem Papier heißt es: Energetische Sanierungen sollen umfassend durchgeführt werden, gleichzeitig die soziale Ausgewogenheit des Mietrechts erhalten bleiben: Ihre Diktion lässt erkennen, dass Sie da ein Spannungsfeld sehen. Worin besteht das?
Wagner: Es besteht darin, dass sich die Mieten nach einer energetische Sanierung erheblich erhöhen können, was wiederum dazu führen kann, dass mancher Mieter seine Wohnung verlassen muss. Deshalb haben wir in unserem Papier auch einige mögliche Stellschrauben im Mietrecht benannt, die es erlauben, solche unerwünschten Effekte zu vermeiden. Da ist zum Beispiel die Reduzierung der Modernisierungsumlage von 11 auf 9 Prozent. Zusätzlich wollen wir, die Landesregierungen ermächtigen, dass sie in Kommunen und Teilgebieten die Wiedervermietungsmieten auf einen Betrag von höchstens 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete begrenzen können, wenn dort ein Wohnungsmangel vorliegt. Weiter beabsichtigen wir, die Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete auf 15 Prozent zu reduzieren. Das alles soll die Dynamik der Mietpreisentwicklung dämpfen, damit die Haushalte in ihren Wohnungen und Wohngebieten verbleiben können.
MieterMagazin: Wenn das Haushaltseinkommen eines Mieters durch eine Modernisierung überstrapaziert wird, soll die Modernisierung zwar dennoch durchgeführt werden, der Mieter aber nicht dafür zahlen müssen. Wer bezahlt?
Wagner: Das muss im Verhältnis von Hauseigentümer und staatlicher Förderung geregelt werden. Wir setzen uns beispielsweise für die Einführung eines Klimawohngelds ein.
MieterMagazin: Zum Schluss noch eine Frage zum Thema Contracting: Sie wollen diese Form des Outsourcings von Wärmelieferung für Vermieter rechtlich erleichtern. Bislang haben wir aber die Situation, dass für den Mieter dadurch die Heizkosten in erster Linie teurer wurden – und zwar, ohne dass ihm dafür im Gegenzug eine saubere Technik geboten wurde. Wie soll der Mieter künftig denn von Contracting profitieren?
Wagner: Unerwartet hat hierzu Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger einen durchaus mieterfreundlichen Vorschlag gemacht, den wir unterstützen. Vorgesehen ist in ihrem Referentenentwurf zu einer Mietrechtsnovelle, dass der Mieter die Kosten als Betriebskosten zwar tragen muss, aber nur dann, wenn diese die bisherigen finanziellen Aufwendungen für Wärme und Wasser nicht übersteigen. Das ist leider der einzige Vorschlag von ihr, in dem Mieter- und Klimaschutz zusammenkommen.
MieterMagazin: Wir bedanken uns für das Gespräch.
MieterMagazin 7+8/11
Rund 16 Milliarden Euro lassen sich allein 2012 nach Ansicht der Grünen-Wohnungsexpertin Daniela Wagner durch den Abbau klimafeindlicher Subventionen einsparen
alle Fotos: Christian Muhrbeck
Das Gespräch führte MieterMagazin-Redakteur Udo Hildenstab
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Wohnungspolitikerin mit langem Atem
In ihrer Zeit als Darmstädter Stadträtin legte Daniela Wagner den ersten ökologischen Mietspiegel Deutschlands vor. Nach Mandaten in Kommune und Land ist sie seit 2009 Mitglied der Bundestagsfraktion und wohnungspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen. Die 53-Jährige gehört dieser Partei seit 30 Jahren an.
uh
11.05.2017