Eine älter werdende Mieterklientel bestimmt zunehmend wohnungswirtschaftliches Denken: Vermieter bieten ihren Kunden immer mehr Umbaumaßnahmen und Serviceangebote. Aber vieles beschränkt sich auf die Neubausiedlungen. Wer in der Berliner Innenstadt sucht, hat schlechte Karten. Dabei werden die Wohnbedürfnisse der Generation 65 plus immer vielfältiger, sagen Altenforscher.
Wenn Evelin Bilabel morgens die Tür zum Bad öffnet, erlebt sie noch immer einen kleinen Glücksmoment. Der Raum scheint ihr heute größer, denn wo einmal eine Badewanne viel Platz in Anspruch nahm, steht jetzt eine Dusche mit aufklappbaren Glastüren. Sie hatten die Sanierung ihrer Tempelhofer Wohnanlage aus den 1950er Jahren genutzt, um die bauliche Veränderung vornehmen zu lassen – mit Zustimmung und Unterstützung ihres Vermieters. Das gibt ihnen ein Stück Gewissheit: „Hier können wir noch lange wohnen bleiben.“
So wie die 70-Jährige hoffen das viele Ältere, und dieser Wunsch ist längst bei Vermietern angekommen – sind doch Senioren ein Kundenpotenzial, das weiter wächst: In Berlin rechnen die Demografen damit, dass die Zahl der 65- bis 80-Jährigen bis 2030 um 14 Prozent ansteigt. Bei der Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892, zu deren Mietern auch Evelyn Bilabel und ihr Mann gehören, ist eine ältere Bewohnerschaft heute bereits Realität: über 40 Prozent der Mieter sind älter als 60 Jahre. Daher gehören altersfreundliche Wohn- und Serviceangebote zum notwendigen Standard. Dazu zählen zuallererst Umbauangebote, die sich längst nicht mehr nur auf Haltegriffe in Bädern und den Einbau von Duschen oder das Absenken der Duschtassen beziehen. Es ist – je nach Bedarf der jeweiligen Mieter – auch möglich, Küchenmöbel an eingeschränkte Bewegungsfreiheit anzupassen, Handläufe an Wänden anzubringen, Übergänge auf Balkone abzusenken oder mit leicht begehbaren Rampen zu versehen und Türen so zu erweitern, dass ältere Menschen sich mühelos auch mit einem Rollator oder einem Rollstuhl in der Wohnung bewegen können. Vor allem kommunale Wohnungsunternehmen informieren Interessenten schon einmal im Vorhinein, was möglich ist.
Bei der Wohnungsgesellschaft Stadt und Land gibt es dafür eine Seniorenbeauftragte, Degewo und Howoge bieten mit Katalogen erste handhabbare Übersichten. Mit dem Heft der Howoge können Interessenten sich auch über die Preise informieren, mit denen sie rechnen müssen: So schlägt die Erhöhung einer Steckdose (unter Putz) mit 180 Euro zu Buche, ein Handlauf im Flur ist mit 75 Euro veranschlagt, der Einbau einer Schiebetür kostet 420 Euro und die Umrüstung von der Badewanne auf eine XXL-Dusche ist für 2400 Euro zu haben.
Wer im jeweiligen Fall die Kosten für solche Ein- und Umbauten trägt, kann sehr unterschiedlich sein: Der Mieter kann sie selbst übernehmen. Oder der Vermieter zahlt und legt die Ausgaben dann als 11-prozentige Modernisierungsumlage auf die Miete um.
Zuschüsse von Pflege- und Krankenkassen
Geprüft werden sollte unbedingt, welche Zuzahlungen zu derartigen Umbauten etwa bei Kranken- und Pflegekassen beantragt werden können. Dabei helfen Seniorenberatungsstellen, aber auch Kundenberater in Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften.
Wer einen Umbau scheut und lieber in eine fertig umgebaute, seniorenfreundlich ausgestattete Wohnung ziehen möchte, wird inzwischen bei vielen großen Vermietern fündig. Die Palette reicht bis zu sogenannten Seniorenhäusern, wie sie beispielsweise die Gewobag in ihrem Bestand hat. An vier Standorten in Tempelhof baut das Unternehmen gegenwärtig im Rahmen eines Modellvorhabens des Bundesbauministeriums aufwändig ganze Blöcke um und will den künftigen Mietern nicht nur altersgerechte Wohnungen bieten, sondern auch mit dafür sorgen, dass im umliegenden Quartier Bedingungen entstehen, die sowohl ein selbstbestimmtes Leben im Alter als auch ein Miteinander der Generationen möglich machen: Dienstleistungen, Treffs, soziale Einrichtungen und ein Wegenetz, das sowohl für Mieter mit Rollatoren aber auch für Kinderwagen und Fahrräder bequem zu nutzen ist.
Mit „Wohnkomfort 50 Plus“ wirbt die Gesobau im Märkischen Viertel, wo sie ihre Bestände grundlegend saniert. Wer eine der seniorenfreundlich ausgestatteten Wohnungen mietet – mit bodengleichen Duschen, abgesenkten Balkonschwellen, breiteren Türöffnungen – der zahlt je nach Wohnungsgröße 20 bis 30 Euro mehr Miete als sonst üblich.
„Ich will nicht ins Märkische Viertel ziehen“, erklärt Martin Kemper. Der 64-jährige Beamte geht in wenigen Monaten in den Ruhestand und sucht seit einem halben Jahr. Weil er muss – seine Charlottenburger Altbauwohnung wurde verkauft und die Besitzer machen Eigenbedarf geltend. Aber auch weil ihm nach dem Tod seiner Frau die Dreizimmerwohnung zu groß und vier Treppen inzwischen zu hoch sind. Für Martin Kemper steht fest: Er will in der City West bleiben, möglichst in Charlottenburg. Hier hat er all seine Bekannten, seinen Kegelklub und die Kultur, die er mag.
„Die Wohnbedürfnisse der über 65-Jährigen sind heute vielfältig und differenziert – ganz ähnlich wie in anderen Altersgruppen auch“, gibt Hans-Werner Wahl, Psychologe und Altersforscher der Uni Heidelberg zu bedenken. Es stimmt eben nicht, dass sich alle verkleinern und im Alter vielleicht in einem Zimmer auf 30 Quadratmetern leben wollen.
Martin Kemper legt neben der Lage auch Wert auf einen Fahrstuhl im Haus, er möchte am liebsten eine ebenerdige Dusche, auf jeden Fall wieder einen sonnigen Balkon, aber eben auch gerne hohe Räume mit Stuck an der Decke. Alterstaugliche Gründerzeit.
„Altersgerechte Gründerzeit“ ist selten
Aber da wird er länger suchen müssen, denn Umbauten, wie sie derzeit in der Platte stattfinden, scheint es im Altbau kaum zu geben. Nicht machbar oder unbezahlbar, begründen dies Vermieter. Und meinen damit wohl auch, dass sich die Wohnungen in den gefragten Altbauquartieren auch an Jüngere problemlos vermieten lassen. „Tatsache ist, dass Ältere mit ihren Ansprüchen auf dem freien Wohnungsmarkt nicht so viele Chancen haben“, weiß Wahl.
Wer die seniorenfreundlichen Wohnangebote vor allem der kommunalen Vermieter auf einem Stadtplan sucht, merkt schnell: Senioren werden allermeist an den Stadtrand verwiesen: Nach Marienfelde und Marzahn, in die Gropiusstadt, nach Hellersdorf oder Hohenschönhausen.
Bestände wie die der Wohnungsbaugesellschaft Mitte sind eine Ausnahme. Ihre Plattenbauten stehen allesamt in der City Ost – beispielsweise am Alexanderplatz, dem Platz der Vereinten Nationen, in der Spandauer oder der Rosenthaler Vorstadt. Da bietet sich beides an: attraktive Zentrumslage und Flexibilität, was Umbauten angeht. So verwundert es nicht, dass hier ein Teil der Mieter seit über 50 Jahren lebt. Damit das auch weiter gut möglich ist, rüstet die WBM ihre Bestände auf, um Älteren das Bleiben solange wie es geht zu ermöglichen.
Auch Lisa und Heinz Schenk waren in ihrer Wohnung geblieben – von Halle nach Berlin zu Tochter und Enkeln zu ziehen, dagegen hatten sie sich immer gewehrt. Nachdem sich das Augenlicht der Mutter stark verschlechterte, der Vater zunehmend Anzeichen von Demenz zeigte, musste schnell eine Lösung gefunden werden. Die Tochter begann unter großem Druck in ihrer Friedrichshainer Umgebung zu suchen.
Alten-Wohngemeinschaften, Pflegewohnen oder auch betreutes Wohnen zählen zu Wohnformen, die sich in den zurückliegenden Jahren für Hochaltrige oder Pflegebedürftige etabliert haben. „Ich kann nur raten, über eine solche Möglichkeit für andere, aber auch für sich rechtzeitig nachzudenken“, rät Hans-Werner Wahl. Und möchte auch die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften dabei in die Pflicht nehmen: „Die haben meiner Ansicht nach einen Aufklärungs- und Bildungsauftrag.“ Nicht nur Kataloge über ihre Umbauten sollten vorliegen, sondern vielleicht auch eine DVD entwickelt werden, mit deren Hilfe Wohnen im Alter schon für Jüngere visualisiert werden kann.
Rosemarie Mieder
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MieterMagazin 12/11
Handläufe und schwellenlose Zugänge ermöglichen ein sicheres seniorengerechtes Wohnen
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Rat und Tat
Freundlich oder gerecht
Viele Vermieter bieten Serviceleistungen an, die helfen sollen, einen schwieriger werdenden Alltag zu managen. Die Angebote reichen von Conciergediensten, vor allem in Hochhäusern, über Einkaufshilfen, Hausmeisterdienste, Ausweichwohnungen für die Zeit von Umbauten bis hin zu organisierten Dampferfahrten und Weihnachtsfeiern im Kiez. Soziale Betreuungsdienste wie „Sophia“ können gebucht werden und sind dann rund um die Uhr erreichbar.
Seniorenfreundlich ist ein dehnbarer Begriff. Gemeint sind modern ausgestattete Wohnungen, die den Bedürfnissen Älterer angepasst sind. Beispielsweise durch stufenlose Zugänge, weitgehende Barrierefreiheit innerhalb der Wohnung und Anpassungen in Küche und Bad.
Seniorengerecht dagegen ist an bestimmte DIN-Normen gebunden: Sie sind konsequent barrierefrei, das heißt rollstuhlgerecht gebaut, verfügen zum Teil über eine Notrufanlage und können häufig auf die Dienste einer Sozialstation in der Nachbarschaft zurückgreifen
rm
12.06.2018