Der Anfang Juni von der Senatorin für Stadtentwicklung vorgelegte Berliner Mietspiegel 2009 zeigt eine unterschiedliche Entwicklung der Mieten in der Stadt: Bei den ohnehin teuren Neubauten und den modernisierten Plattenbauten ist der Mieterhöhungsspielraum offenbar weitgehend ausgeschöpft. Hingegen sind bei Altbauten, den älteren Nachkriegsbauten und vor allem bei kleinen Wohnungen die Mietpreise weiterhin kräftig unter Druck. Eine Sonderauswertung belegt zudem für die City-West, Kreuzberg, Mitte und Prenzlauer Berg um 20 bis 30 Prozent höhere Mieten bei Mietvertragsabschlüssen gegenüber den Bestandsmietverhältnissen. In diesen Quartieren kann keineswegs von einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt gesprochen werden. „Es besteht kein Anlass zur Entwarnung, auch wenn der durchschnittliche Mietanstieg mit 1,7 Prozent gegenüber 2007 deutlich geringer ausfällt als in den vergangenen Jahren“, kommentiert BMV-Hauptgeschäftsführer Hartmann Vetter.
Etwas mehr als 9600 neu erhobene Mietdaten sind mittels einer Mieter- und Vermieterbefragung in die neue Mietspiegeltabelle eingeflossen. 300 Mietwerte wiesen so extreme Abweichungen auf, dass sie unberücksichtigt bleiben mussten. Auch die Mieten von knapp 600 Substandardwohnungen wurden nicht in der Tabelle abgebildet. Der Berliner Mietspiegel 2009 ist erneut ein „qualifizierter Mietspiegel“, weil er nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen auf der Grundlage einer empirischen Repräsentativerhebung erstellt wurde. Der Mietspiegel wurde erstmals auch wieder von den Verbänden der Mieter und der Vermieter anerkannt.
Schon vor Kenntnis der neuen Mietwerte hatten sich Mitte letzten Jahres die Mieter- und Vermieterverbände außerhalb der Senatsarbeitsgruppe bei zwei wichtigen Streitpunkten auf einen Kompromiss geeinigt. Die Spannenbreite wurde von bis zu vier Fünftel auf bis zu drei Viertel aller Mietwerte verkleinert, wodurch wegen niedrigerer Oberwerte der Mieterhöhungsspielraum der Vermieter schrumpft. Dafür ist die Mieterseite den Vermietern bei der Extremwertbereinigung entgegengekommen.
Nach jahrelanger Blockade der Vermieterverbände konnte für den Mietspiegel 2009 auch eine stärkere Einbeziehung des energetischen Zustands von Wohngebäuden in die Spanneneinordnung vereinbart werden – und zwar als wohnwerterhöhendes ebenso wie als wohnwertminderndes Merkmal. Mit dieser Einigung war der Grundstein für eine Anerkennung des neuen Mietspiegels gelegt worden. Leider gelang es nicht, trotz zahlreicher Vorschläge der Mieterverbände und der Senatsverwaltung für Justiz, die Spanneneinordnung sachgerechter zu gestalten. „Dies wird als wichtige Baustelle in die Erstellung des nächsten Mietspiegels mitgenommen“, erklärte Reiner Wild, Vize-Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins.
Der Berliner Mietspiegel 2009 weist die am 1. Oktober 2008 gezahlten ortsüblichen Mieten vergleichbaren Wohnraums für nicht preisgebundene, also freifinanzierte Alt- und Neubauwohnungen in Mehrfamilienhäusern aus, die bis zum 31. Dezember 2007 bezugsfertig geworden sind. Er gilt insoweit auch für Genossenschaftswohnungen und vermietete Eigentumswohnungen.
Der Mietspiegel erfüllt in erster Linie folgende Funktionen:
Er dient den Vermietern als Begründungsmittel für Mieterhöhungen.
Er dient den Mietern als Kontroll- und Begrenzungsmittel bei (überzogenen) Mietforderungen der Vermieter.
Anstieg bei den Leerfeldern
Bei richtiger Anwendung des Mietspiegels können Mieter abschätzen, ob und bis zu welchem Betrag sie einer Mieterhöhung ihres Vermieters zustimmen müssen. Der Mietspiegel ist im Mietrechtsprozess bei einer Zustimmungsklage des Vermieters das „Maß aller Dinge“. Beim „qualifizierten Mietspiegel“ unterstellt das Gesetz, dass seine Werte die ortsübliche Vergleichsmiete darstellen.
Die Mittelwerte in den nach Wohnungsgröße, Baualter, Ausstattungsstandard und Wohnlage differenzierten Tabellenfeldern haben sich gegenüber 2007 in den meisten Feldern des Mietspiegels geändert. Von den 104 besetzten Feldern weisen 61 eine Steigerung der Miete aus, 32 eine Senkung. In 11 Feldern entspricht der Mittelwert in etwa dem Wert von 2007. Bei den für die Mieterhöhung wichtigen Oberwerten wiesen 56 von den 104 belegten Feldern einen Anstieg aus, 40 eine Senkung. Bei den restlichen Feldern gab es keine Änderung. Leider ist gegenüber 2005 und 2007 die Zahl der Leerfelder erneut gestiegen. Für 28 Felder wurden weniger als 10 Mietwerte ermittelt. Noch gravierender ist der Anstieg der sogenannten Sternchenfelder, in denen nur 10 bis 29 Mietwerte ermittelt werden konnten. Da diese Felder nicht zum qualifizierten Teil des Mietspiegels gehören, besteht im Zustimmungsprozess ein erhöhtes Risiko, dass der Richter zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ein Sachverständigengutachten einholt, was in der Regel für den Vermieter von Vorteil ist. Nach Auffassung des Berliner Mietervereins sollte beim nächsten Mietspiegel die Struktur der Tabelle überprüft werden.
Die Änderungen gegenüber dem Vorgängermietspiegel sind wiederum uneinheitlich. Bei den Neubauten ab 1984, aber auch bei den Baujahrgängen 1965 bis 1972 weisen rund die Hälfte aller Mietspiegelfelder sinkende Mittelwerte aus. Neu ist, dass auch bei den Wohngebäuden im Ostteil der Stadt aus den Baujahren 1973 bis 1990 die Mieterhöhungsspielräume aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen weitgehend ausgeschöpft sind. Der nach Wohnungsbestand gewichtete Mittelwert sank gegenüber 2007 um 0,2 Prozent, in den Jahrgängen 1965 bis 1972 (Ost und West) um 2,2 Prozent und bei den Wohnbauten im Westteil, errichtet zwischen 1984 und 1990, sogar um 3,6 Prozent. Alle anderen Baualtersklassen weisen Steigerungen aus. Überdurchschnittlich stiegen die Mieten in den Zwischenkriegsbauten (plus 3,9 Prozent), in den Nachkriegsbauten (1950 bis 1955: plus 3,8 Prozent, 1956 bis 1964: plus 1,9 Prozent) und auch in den Altbauten mit einem Baujahr bis 1918 (plus 1,8 Prozent). Das Feld C4 (Baujahr 1919 bis 1949, unter 40 Quadratmeter in guter Wohnlage) weist mit 1,24 Euro pro Quadratmeter monatlich den höchsten Mittelwertanstieg (plus 25 Prozent) aus.
Unerwartete Entwicklung
Die wachsende Zahl von Single-Haushalten und der Druck zur Wohnungsverkleinerung bei Haushalten mit geringerem Einkommen sorgen für einen überdurchschnittlichen Anstieg bei den Wohnungen bis 40 Quadratmetern. Gegen den Trend sanken die Mittelwerte bei den Altbauten bis 1918. Überhaupt hat die Mietpreisentwicklung bei diesem Gebäudetyp für erhebliche Überraschung – bei Mieter- wie Vermieterverbänden – gesorgt: Wegen der großen Nachfrage im innerstädtischen Bereich war in allen Wohnlagen und bei allen Wohnungsgrößen mit einem erheblichen Anstieg gerechnet worden. Doch das war nicht eingetreten. Vielmehr sanken die Mittelwerte in mittlerer und guter Wohnlage, wohingegen sie in einfacher Lage einen deutlichen Sprung nach oben gemacht haben. Neben den rückläufigen Mittelwerten bei den Plattenbauten trägt diese Entwicklung bei den Altbauten maßgeblich dazu bei, dass der durchschnittliche Anstieg mit 1,7 Prozent moderat ausgefallen ist.
Der Trend der letzten Jahre setzt sich indessen fort. Bei den bislang preisgünstigeren Wohnungen gibt es weiterhin einen Aufwärtstrend, für die bereits sehr teuren Wohnungen scheint, von einzelnen Mietspiegelfeldern abgesehen, das Ende der Fahnenstange erreicht. Allerdings stellen die teuren Neubauwohnungen nur einen recht kleinen Teil des Berliner Wohnungsmarktes dar. Die Verringerung des Angebots preiswerter Wohnungen stellt vor allem deshalb ein Problem dar, weil die derzeitige Entwicklung keine relevanten Einkommenszuwächse für einkommensschwache Haushalte aufweist. Vielmehr stagnierten die Nettoeinkommen trotz Abbau der Arbeitslosigkeit im letzten Jahr.
Der Berliner Mietspiegel bildet die ortsüblichen Vergleichsmieten der gesamten Stadt ab. Er differenziert nach Wohnlagen, gibt aber keine Daten zu einzelnen Bezirken oder Ortsteilen wieder. Dass der Mietspiegel nicht für alle Stadtquartiere „passt“, ist eine Erfahrung, die beispielsweise Mieter in besonders begehrten Wohngegenden immer wieder machen. Gleichwohl wurde die-ses Manko bei der Senatsverwaltung als Randerscheinung abgetan.
Neuabschlüsse deutlich über Bestandsmieten
Der neue Berliner Mietspiegel weist zu 40 Prozent Neuvertragsmieten aus – soviel wie in bislang keinem Berliner Mietspiegel. Für eine bezirkliche Sonderauswertung mit einem Mietenvergleich von Neuvertragsmieten und Bestandsverhältnissen war daher genügend Datenmaterial vorhanden. Diese Sonderauswertung wurde vorgenommen für den Bereich City-West, Kreuzberg sowie Mitte mit Prenzlauer Berg. Der Mittelwert lag mit 5,79 Euro pro Quadratmeter in der City-West am höchsten und rund 20 Prozent über dem Berliner Durchschnitt. In Kreuzberg werden hingegen mit 4,16 Euro pro Quadratmeter deutlich niedrigere Mieten gezahlt als in Gesamt-Berlin. Die Analyse der Neuvertragsmieten zeigt allerdings eine einheitliche Tendenz. In allen drei Gebieten lagen sie erheblich über den Bestandsmieten. In Kreuzberg ist mit rund 30 Prozent die Abweichung am höchsten. Hier wurden Neuverträge mit durchschnittlich 4,97 Euro pro Quadratmeter abgeschlossen, während in bestehenden Mietverhältnissen lediglich 3,73 Euro pro Quadratmeter gezahlt wurden. In Mitte und Prenzlauer Berg wurden im Schnitt 5,72 Euro pro Quadratmeter, in der City-West 6,28 Euro pro Quadratmeter bei Vertragsabschlüssen vereinbart. Die Gebietsdatenauswertung solle 2011 ausgeweitet werden, fordert der Berliner Mieterverein, um weitere Erkenntnisse über den Wohnungsmarkt zu erlangen. Für 2009 belege sie, „dass in einem erheblichen Teil der Berliner Innenstadt aufgrund der engen Marktlage das Mietniveau durch Neuverträge erheblich nach oben gedrückt wird“, so Reiner Wild, Vize-Hauptgeschäftsführer des BMV.
MM
MieterMagazin 7+8/09
Der jetzt der Öffentlichkeit präsentierte Berliner Mietspiegel 2009 zeigt bei der Mietenentwicklung in unterschiedliche Richtungen – abhängig von Baualter und Lage
alle Fotos: Christian Muhrbeck
Dass der Mietspiegel für manche Stadtquartiere nicht passt, hält Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer (SPD) für vernachlässigbar.
Auch wenn der Mietenanstieg geringer ist als bei früheren Mietspiegeln – zur Entwarnung besteht nach Ansicht von Mietervereins-Hauptgeschäftsführer Hartmann Vetter kein Anlass
Bei Altbauten zeigte sich überraschenderweise ein Rückgang der Mittelwerte in mittlerer und guter, aber ein deutlicher Anstieg in schlechter Lage
Bei Wohnungen, die bereits sehr teuer sind – insbesondere im Bereich der Neubauten – scheint das Ende der Fahnenstange erreicht: Die Mietentwicklung tendiert seitwärts.
Sinkende Werte bei den Plattenbauten tragen zu einem geringeren Anstieg in der Gesamtmietenentwicklung bei.
Qualifizierter Mietspiegel
Der Berliner Mietspiegel 2009 wurde nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen als fortgeschriebener qualifizierter Mietspiegel erstellt und von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung herausgegeben. Vermieter müssen deshalb auch bei Mieterhöhungen, die nicht mit dem Mietspiegel begründet werden, das entsprechende Mietspiegelfeld der betroffenen Wohnung benennen.
Die gleichzeitig mit dem Mietspiegel veröffentlichte Betriebskosten-Übersicht für das Abrechnungsjahr 2007 stellt das MieterMagazin in seiner nächsten Ausgabe ausführlich vor.
Zum Thema
Einstieg in den Öko-Mietspiegel
Mit Merkmalen für die Spanneneinordnung wird erstmals dem energetischen Zustand von Wohngebäuden bei der Ermittelung der ortsüblichen Vergleichsmiete ein gewisser Stellenwert eingeräumt. Sehr gute wie sehr schlechte energetische Zustände werden in der Merkmalgruppe Gebäude so stark wie drei andere Merkmale gewichtet. Um von dieser besonderen Bewertungsmöglichkeit Gebrauch machen zu können, bedarf es des Energieverbrauchskennwertes. Er ist bei zentralbeheizten Gebäuden leicht aus der Heizkostenabrechnung unter Berücksichtigung des Klimafaktors zu ermitteln. Wer einen Energieausweis vorliegen hat, kann den Kennwert daraus entnehmen.
Der Berliner Mieterverein hat ein Infoblatt (BMV-Info 196) zur Ermittlung der Energieverbrauchskennwerte erstellt.
Sie finden es im Internet unter
BMV-Info 196: 7-Punkte-Programm zur Ermittlung des energetischen Zustands
16.07.2018