Immer mehr Vermieter verlangen beim Mietvertragsabschluss einen Nachweis darüber, dass der Mieter keine Mietschulden hat. Doch was tun, wenn der Ex-Vermieter eine solche Bescheinigung nicht ausstellen will, etwa weil man in der Vergangenheit eine Mietminderung vorgenommen hat?
Vermieter wollen auf Nummer sicher gehen: Es soll gewährleistet sein, dass der künftige Mieter immer pünktlich die Miete zahlt und dass es sich bei ihm nicht etwa um einen der berüchtigten „Mietnomaden“ handelt. Doch viele Vermieter wollen noch mehr: „Kritische Mieter, die unzulässige Betriebskostennachforderungen verweigern oder die Miete wegen Mängeln mindern, werden gerne von vornherein herausgefiltert“, meint Michael Roggenbrodt vom Berliner Mieterverein.
Ohne Vorlage einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung ist mittlerweile kaum noch eine Wohnung zu bekommen – private Eigentümer fordern sie ebenso wie Wohnungsbaugesellschaften. Allerdings: Die meisten Gerichte sind der Auffassung, dass der bisherige Vermieter nicht verpflichtet ist, eine solche Erklärung auszustellen. Eine obergerichtliche Entscheidung steht noch aus. Das Amtsgericht Schöneberg, das in einem Urteil den Anspruch des Mieters gegen seinen ehemaligen Vermieter auf Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung verneinte, ist der Auffassung, diese erfülle ohnehin nicht den Zweck, verlässlich Auskunft über die Zuverlässigkeit eines Mieters zu geben (Amtsgericht Schöneberg, Grundeigentum 2006, Seite 975). Schließlich gehe aus ihr weder hervor, für welchen Zeitraum sie gelte noch sei klar, ob auch sonstige Rückstände wie beispielsweise Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen enthalten seien. Noch deutlicher wurde das Amtsgericht Tiergarten. Die Pflicht zur Erteilung sei aus „rechtspolitischer Sicht nicht wünschenswert“. Es bestehe die Gefahr, dass Vermieter verstärkt dazu übergehen, die Vermietung einer Wohnung von der Vorlage einer solchen Bescheinigung abhängig zu machen (Amtsgericht Tiergarten, 27. November 2007 – 6 C 427/07 -). Beim Berliner Mieterverein sieht man das genauso und hofft, dass diese Rechtsauffassung in der nächsten Instanz bestätigt wird.
Das Papier wird verlangt – was tun?
Doch was tun, wenn der neue Vermieter das Papier verlangt, der Ex-Vermieter sich aber weigert, es auszustellen? „Mieter sollten ihren künftigen Vermieter auf die ablehnende Rechtsprechung hinweisen“, empfiehlt Michael Roggenbrodt. Denkbar sei auch, dass auf der Bescheinigung vermerkt wird, dass zwar immer pünktlich die Miete gezahlt wurde, dass aber beispielsweise noch 300 Euro aus der Nebenkostenabrechnung offen sind. Eine abweichende Ansicht vertritt das Amtsgericht Hohenschönhausen. Es ist der Auffassung, dass der Vermieter seinem ehemaligen Mieter eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung ausstellen muss. Das gehöre zu seinen Nebenpflichten aus dem Vertrag. Der Vermieter sei jedoch nicht verpflichtet, sich in seiner Erklärung auf das Bestehen beziehungsweise Nichtbestehen von Mietrückständen zu beschränken. Er dürfe auch auf noch ausstehende Prozess- und Gerichtskosten hinweisen (Amtsgericht Hohenschönhausen, MieterMagazin 2006, Seite 183).
Für Mieter, die aber tatsächlich Mietschulden haben, stellt der Trend zum Schein eine unüberwindliche Hürde dar. Selbst bei belegungsgebundenen Sozialwohnungen muss fast immer ein solcher „Persilschein“ vorgelegt werden. Beratungsstellen, die sich um Haftentlassene und Ex-Drogenabhängige kümmern, sind daher dazu übergegangen, als Träger Wohnungen anzumieten und sie weiterzuvermieten. Nach ein oder zwei Jahren pünktlicher Mietzahlung können sie die begehrte Bescheinigung ausstellen und die Betroffenen haben auf dem freien Wohnungsmarkt bessere Chancen.
Birgit Leiß
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MieterMagazin 4/08
Die Rechtsmeinungen sind unterschiedlich: Muss der Vermieter seinem ausziehenden Mieter eine Mietschuldenfreiheits-
bescheinigung ausstellen?
Foto: Christian Muhrbeck
Rat und Tat
Erteilung einer Einzugsermächtigung
Immer häufiger sollen Mieter bei Mietvertragsabschluss eine Einzugsermächtigung erteilen. Was für den Vermieter praktisch ist, hat für den Mieter eine Reihe von Nachteilen. Insbesondere Mietminderungen sind dann schwerer durchzusetzen. Mitunter werden auch strittige Nachforderungen aus Nebenkostenabrechnungen kurzerhand abgebucht. Grundsätzlich gilt: Wurde die Einzugsermächtigung vertraglich vereinbart, kann man sie nicht einfach zurückziehen. Doch sobald sie einmal vom Vermieter missbräuchlich benutzt wurde, kann sie widerrufen werden.
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BGH-Urteil:
Kein Anspruch auf Mietschulden-
freiheitsbescheinigung
04.02.2019