Bei der Sanierung der Wohnsiedlung Grüne Stadt in Prenzlauer Berg wird zum Schutz der Mieter eine Umstrukturierungsverordnung angewandt. Dieses Instrument findet in Berlin zum ersten Mal Anwendung – mit Erfolg.
Die Wellen schlugen hoch, als die Wohnungsbaugesellschaft GSW 2005, kurz nachdem sie an die US-Finanzinvestoren Cerberus und Whitehall verkauft worden war, die Sanierung der Grünen Stadt ankündigte. In der lange vernachlässigten Siedlung sollten moderne Heizungen und Isolierglasfenster eingebaut, eine Wärmedämmung angebracht, Bäder, Küchen und Versorgungsstränge erneuert, Balkone angebaut sowie Grundrisse geändert und Wohnungen zusammengelegt werden. Für viele Mieter hätte diese umfangreiche Modernisierung eine glatte Verdoppelung ihrer Miete bedeutet.
Nach Modernisierungsankündigung liefen die Mieter davon
Die 1800 kleinen Wohnungen der ab 1938 gebauten Grünen Stadt waren bescheiden ausgestattet. Im Laufe der Jahre haben viele Mieter die Wohnungen selbst modernisiert, etwa durch den Einbau von Gasheizungen oder neuen Badausstattungen. Mehr als ein Viertel der Haushalte lebt von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe, ein Fünftel ist Rentner. Die Grüne Stadt zählt sowohl im Sozialstrukturatlas als auch beim Sozialmonitoring des Senats zu den ganz wenigen problematischen Vierteln im Bezirk Pankow. Nach der Sanierungsankündigung der GSW ist innerhalb eines Jahres ein Fünftel der Mieterschaft ausgezogen.
Diese besorgniserregende Entwicklung veranlasste den Bezirk Pankow, eine Umstrukturierungsverordnung aufzustellen. Im März 2006 wurde der Aufstellungsbeschluss gefasst, im November 2007 wurde die Verordnung rechtskräftig – erstmalig in Berlin und in Ostdeutschland.
Auf dieser Grundlage schloss der Bezirk im September 2006 mit der GSW einen Vertrag über die Einzelheiten der Sanierung ab: Für Mieter, die Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe beziehen, darf die Miete für die Dauer von zwei Jahren nach der Sanierung die Wohnkosten der Hartz-IV-Vorschriften nicht überschreiten. Für geringverdienende Mieter, die wohngeldberechtigt sind, ist die Bruttowarmmiete auf 30 Prozent des Haushaltseinkommens begrenzt, in den folgenden zwei Jahren dürfen Mieterhöhungen nicht über den Mietspiegelmittelwert hinausgehen. Für jeden Haushalt wird ein Sozialplan aufgestellt, der regelt, ob der Mieter zwischen- oder endumgesetzt wird, wie mit den mietereigenen Einbauten verfahren wird und welche Ausstattung realisiert werden soll. Nach dem Sozialplan liegen die Nettokaltmieten zwischen 3,19 und 5,00 Euro pro Quadratmeter. Ursprünglich wollte die GSW 5,69 bis 6,85 Euro fordern.
„Die Umstrukturierungssatzung ist ein Instrument, das die Sozialverträglichkeit gut absichert“, sagt Sylvia Hoehne-Killewald von der Mieterberatung Prenzlauer Berg, die mit der Durchführung der Sozialplanung beauftragt ist.
Mittlerweile hat die GSW nach dieser Maßgabe den Block zwischen Bötzow- und Werner-Kube-Straße mit rund 420 Wohnungen fast fertig saniert. Die übrigen unsanierten 1049 Wohnungen hat sie an das Schweizer Immobilienunternehmen MCT verkauft. Im Dezember 2007 konnte mit MCT ein Vertrag mit den gleichen Bedingungen geschlossen werden. Die Sanierung des Blocks zwischen Werner-Kube- und Kniprodestraße begann im April, der Baubeginn im Block zwischen Greifswalder und Eugen-Schönhaar-Straße folgt im Mai. Anders als die GSW will die MCT keine Wohnungen in Eigentum umwandeln.
Auch für die Onkel-Tom-Siedlung in Zehlendorf wurde über eine solche Satzung diskutiert. „Ein Gutachten hat ergeben, dass sich eine Umstrukturierungsverordnung dort nicht begründen lässt“, sagt Zehlendorfs Baustadtrat Uwe Stäglin (SPD). Die geplanten Modernisierungsmaßnahmen der Gehag seien nicht so tiefgreifend, dass man von einer Umstrukturierung sprechen könne.
Jens Sethmann
MieterMagazin 5/08
Sozialverträglichkeit dank Umstruktu-
rierungsverordnung gesichert: die „Grüne Stadt“ in Prenzlauer Berg wird saniert
Foto: Christian Muhrbeck
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Umstrukturierung nur mit Sozialplan
Die Umstrukturierungssatzung steht schon seit 1976 im Gesetz, doch ist sie bislang nur selten angewandt worden. Sie ist wie der Milieuschutz eine Art der Erhaltungssatzung. Die Regelung ist allerdings sehr viel einfacher: Im Gebiet einer Umstrukturierungssatzung werden Baumaßnahmen nur genehmigt, wenn deren Ablauf durch einen Sozialplan gesichert ist (§ 172 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und § 172 Absatz 5 BauGB). Umfangreiche Voruntersuchungen, wie sie bei der Aufstellung von Milieuschutz- oder Sanierungsgebieten notwendig sind, entfallen. Dadurch kann der Bezirk mit einer Umstrukturierungsverordnung schneller auf große anstehende Modernisierungsvorhaben reagieren.
js
05.02.2018