Sinnlose Aufzüge direkt am Balkon vorbei, zusätzliche Balkons an der Nordseite – und nach der Modernisierung mehr Mängel als vorher: Die Zustände in der Winterfeldtstraße 13/15 in Schöneberg erinnern an die Geschichten der Schildbürger. Man könnte darüber lachen, wenn es für die Betroffenen nicht zum Weinen wäre.
„Ich kann meine Balkons nicht mehr nutzen“, ärgert sich Dr. Ingrid Fenner, Mieterin in der Winterfeldtstraße 15. „Auch der Wohnwert meines Schlafzimmers hat sich erheblich verschlechtert.“ Seit kurzem fährt ein gläserner Aufzug direkt an ihren beiden Balkons vorbei. Jeder, der in dem Lift fährt, kann auf die Balkons sehen und, wenn er den Hals lang macht, sogar ins Schlafzimmer. Von Privatsphäre kann keine Rede mehr sein. Trotzdem soll sich Ingrid Fenners Miete erhöhen. Der Liftanbau wird als Modernisierung auf die Miete umgelegt, obwohl sie sich gegen den Aufzug ausgesprochen hat. Sie bewohnt eine Maisonettewohnung im ersten und zweiten Stock und nutzt den Aufzug nicht. Gebaut wurde der Lift vor allem für das ausgebaute Dachgeschoss. Ansonsten hat er wenig Nutzen: Er hält auf den Treppenpodesten, so dass man bis zur Wohnung immer noch circa zehn Stufen überwinden muss. Auch zur Fahrstuhltür im Erdgeschoss muss man erstmal sechs Treppenstufen erklimmen – kaum geeignet für Gehbehinderte oder Eltern mit Kinderwagen.
Ingrid Fenners Schlafzimmer und die Küche sind die einzigen Räume zum ruhigen Hof auf der Südseite. Über die zwei neuen Balkons, die an die Straßenfront angebaut wurden, kann sie sich nicht freuen. „Was soll ich mit vier Balkons?“ Auf die Nordseite kommt keine Sonne, und die Straße ist laut. Sie hat den Türeinbau zu den vorderen Balkons abgelehnt.
Auch nach über zwei Jahren Bauzeit ist das Haus noch nicht fertig. Von den sieben Mietparteien des Vorderhauses haben inzwischen fünf das Weite gesucht. Die Bauarbeiten sind zum Teil schlampig ausgeführt. Ingrid Fenner hat wegen diverser Mängel die Miete um 15 Prozent gekürzt. „Die Hausverwaltung schreibt sich die Mängel nur auf, sagt, sie kümmert sich drum, aber es passiert nichts“, beklagt sie sich. „Der Vermieter modernisiert mit allen Mitteln auf Kosten der Mieter“, erklärt Thomas Florange, Rechtsberater des Berliner Mietervereins, „im Hinterhaus sind die Zustände himmelschreiend.“ Während der Bauarbeiten sind in einer Wohnung Teile der Decke herabgestürzt. „Die Wohnung war zeitweise nicht bewohnbar“, so Florange. Die Mieter warten immer noch auf eine Regulierung des Schadens. Auch Ingrid Fenner will sich nicht kleinkriegen lassen. „Wenn man das so lange durchgehalten hat, dann kämpft man auch weiter.“ Weder von der Eigentümerin, der „Winterfeldtstraße 13/15 GmbH & Co. KG“ noch von der „Vitalis-Hausverwaltung“ war eine Stellungnahme zu erhalten.
Jens Sethmann
MieterMagazin 5/06
Winterfeldtstraße 13/15: Dieser Lift bringt Transparenz in die Privatsphäre
Foto: Jens Sethmann
03.01.2018