Ein Lichtenberger Doppelwohnhochhaus der Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE wird das größte Niedrigenergiehaus Deutschlands. Vor wenigen Wochen haben die Sanierungsarbeiten begonnen. Schon Ende 2006 soll der 32 Jahre alte Plattenbau so ausgestattet sein, dass der Energieverbrauch der Bewohner um bis zu 50 Prozent sinkt.
Presslufthämmer dröhnen hinter den Bauplanen des Hochhauses Schulze-Boysen-Straße 35-37. Die 18 und 21 Stockwerke hohen Türme des Plattenbaus sind komplett eingerüstet. Anfang März rückten Bauarbeiter als Erstes der Fassade des Doppelwohnhochhauses zu Leibe. Schließlich ist die Dämmung der Plattenbau-Außenhaut eines der Hauptprojekte innerhalb der neun Monate andauernden Komplettsanierung. Bis Dezember dieses Jahres sollen außerdem die zugigen alten Fenster durch Isolierfenster mit Dreifachglas ersetzt, Decken und Wände im Innenbereich wärmegedämmt und die komplette Heiztechnik erneuert werden. Künftig wird ein neuer Fernwärmeanschluss mit einem modernen Blockheizkraftwerk kombiniert und eine moderne Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung installiert. Die Zuluft soll in sämtliche Wohnräume der 296 Wohnungen geleitet und in den Bädern sowie Küchen wieder abgesaugt werden. Eine Wärmerückgewinnungsanlage stellt dem Gebäude anschließend die in der Abluft enthaltene Wärme wieder zur Verfügung.
Weniger Verbrauch – besseres Klima
„Das Wohnklima wird dadurch entscheidend verbessert“, versichert HOWOGE-Projektleiterin Gudrun Höfs. Hinzu kommen eine Energie sparende Warmwasserbereitungsanlage, neue Wasserleitungen und Einbauten wie Wasser sparende WC-Anlagen, mit denen jeder Bewohner sein jährliches Wassergeld um bis zu 30 Euro reduzieren kann.
Der Lichtenberger Plattenbau mit rund 18.000 Quadratmetern Wohnfläche soll auf diese Weise das größte Niedrigenergiehaus Deutschlands werden. Die HOWOGE verwirklicht die Sanierung im Rahmen des bundesweiten Modellvorhabens „Niedrigenergiehaus im Bestand“ der Deutschen Energie-Agentur (dena). Dabei finanziert die städtische Wohnungsbaugesellschaft 15 Prozent der 8,5 Millionen Euro Sanierungskosten aus Eigenmitteln. Die restlichen 85 Prozent stammen aus einem zinsgünstigen Darlehen des CO2-Gebäudesanierungsprogramms des Bundesbauministeriums und einer Förderung der staatseigenen KfW-Bankengruppe.
Ziel der Komplettsanierung ist eine deutliche Senkung des Energieverbrauchs und damit der Energiekosten. „Im Niedrigenergiehaus wird sich der Energieverbrauch um bis zu 50 Prozent verringern“, sagt Gudrun Höfs. Allerdings werden sich die Einsparungen nicht auf den Konten der Mieter bemerkbar machen. Denn mit Beendigung der Sanierungsarbeiten will die HOWOGE die Mieten im gleichen Umfang anheben wie die Nebenkosten sinken. Durchschnittlich soll die Nettokaltmiete pro Quadratmeter um 80 Cent steigen. Das entspricht der Modernisierungspauschale von elf Prozent der Modernisierungskosten, die der Vermieter an den Mieter weitergeben darf. Klima- und Umweltschutz sind sehr zu begrüßen, aber die Lasten dürfen nicht einseitig vom Mieter getragen werden“, betont Reiner Wild, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins.
Bevor die Miete steigt und die Betriebskosten sinken, müssen die Bewohner aber erst einmal den Baustellenstress bewältigen. Während der nächsten Monate stemmen die Handwerker Wände in Küchen und Bädern auf, um neue Wasserleitungen zu installieren. Trotzdem müssen die Mieter nicht auf Körperhygiene verzichten. Im Haus gibt es 100 Ausweichbäder, denn so viele Wohnungen sind momentan unvermietet.
Sandra Klose
MieterMagazin 5/06
Größtes Niedrigenergiehaus Deutschlands: In der Schulze-Boysen-Straße 35-37 wird bis Jahresende der Energieverbrauch halbiert
Foto: Rolf Schulten
800 Wohnungen modellhaft saniert
Mit dem Modellprojekt „Niedrigenergiehaus im Bestand“ fördert die Deutsche Energie-Agentur (dena) bis zu 110 vorbildliche Sanierungsvorhaben im gesamten Bundesgebiet. Bewerben können sich alle Hauseigentümer, deren Wohngebäude vor dem Jahr 1979 errichtet wurden. Ziel ist, den Energiebedarf eines vergleichbaren Neubaus um mindestens 30 Prozent zu unterschreiten. Seit 2003 sanierten innerhalb des Modellprojektes 20 Wohnungsbaugesellschaften 36 Gebäude mit insgesamt 800 Wohnungen. „Bei diesen Häusern sank der Verbrauch an Primärenergie um bis zu 70 Prozent“, so DENA-Geschäftsführer Stephan Kohler. Besonders rechne sich eine moderne Heizungsanlage und eine Dämmung von Dach und Kellerdecke. Die Sanierung nach Niedrigenergiestandard koste im Vergleich zu herkömmlichen Sanierungen allerdings auch 100 Euro pro Quadratmeter mehr.
san
13.12.2015