Mieter leben traditionell in Etagenwohnungen. In Einfamilienhäusern lassen sich in der Regel deren Eigentümer nieder. Das trifft auch auf die meisten Berliner Haushalte zu, aber eben nicht auf alle. Tausende Hauptstädter erfüllen sich ihren Traum vom Häuschen mit Garten, ohne sich auf lange Sicht zu verschulden. Sie zahlen Miete und ziehen in das Eigenheim eines anderen.
Gesine und Stefan Harries hätten ihre schöne Eigentumswohnung in Charlottenburg nie verlassen, wären da nicht Lewin, Neele und Bela. Für den heute sechsjährigen Lewin, die vierjährige Neele und den ein Jahr alten Bela tauschten die Eltern ihre 95-Quadratmeter-Jugendstilaltbauwohnung gegen ein 120-Quadratmeter-Haus im Tempelhofer Leonhardyweg. „Ich würde nicht hier wohnen, wenn ich keine Kinder hätte. Aber als Lewin ein Jahr alt und ich mit Neele schwanger war, wollten mein Mann und ich unbedingt einen Garten für die Kleinen“, sagt Gesine Harries. Also suchten die beiden ein Haus mit Grünfläche. Anfangs überlegten sie zu kaufen, doch kein Haus war so überzeugend, dass die jungen Leute ihr gesamtes Eigenkapital investiert hätten. „Außerdem wollten wir uns nicht so fest binden. Mein Mann ist selbstständig und hat ein Büro für Meerestechnik. Heutzutage muss man flexibel sein“, so die 36-jährige Dozentin für Kunstgeschichte. Nun wohnt die Familie seit fünf Jahren im ehemaligen Fliegerviertel nahe des Flughafens Tempelhof in einer Doppelhaushälfte. Das Haus entstand in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Im Keller wurde ein ehemaliger Stall zum Heizraum umfunktioniert, die fünf Zimmer, Küche und Bad sind teils nicht sehr groß. Aber das Haus hat Charme und es hat einen etwa 250 Quadratmeter großen Garten. „Der wird wirklich exzessiv genutzt. Sobald das Wetter einigermaßen erträglich ist, spielen die Kinder dort ausgiebig“, sagt Gesine Harries. Schließlich gibt es ein Baumhaus, ein extra Spielehaus mit Übernachtungsmöglichkeit und einen Sandkasten direkt neben dem Erdbeerbeet – ein Familienidyll für 956 Euro Kaltmiete plus 300 Euro Nebenkosten monatlich.
Zielgruppe um die 40
Familie Harries gehört laut Mikrozensus des Statistischen Landesamtes Berlin zu den 18.700 Berliner Haushalten, die zur Miete in einem Haus wohnen. Das ist rund ein Prozent aller Haushalte der Stadt. „Auf diesem kleinen Markt vermieteter Häuser haben wir in Berlin allerdings deutlich mehr Nachfrage als Angebot“, weiß Dirk Wohltorf. Er ist Vorsitzender des Landesverbandes Berlin-Brandenburg im Immobilienverband Deutschland (IVD) und Immobilienmakler mit Büros in Frohnau und Tegel. Wohltorf vermittelt häufig Häuser zur Miete und kennt die Zielgruppe genau: „Meist sind das junge Leute zwischen 35 und 45 Jahren mit Kind, die gerade erst nach Berlin ziehen. Häufig handelt es sich um Besserverdienende, die in ihrem Job auf Mobilität angewiesen sind. Oder es sind Mieter, die sich in ihrer momentanen Lebensphase ein Häuschen im Grünen wünschen, aber dafür nicht ihre gesamten Ersparnisse opfern wollen.“ Gefragte Lagen seien vor allem der Süd- und Nordwesten Berlins, so zum Beispiel Dahlem, Wannsee, Zehlendorf und Frohnau. In der Gunst der Mieter stehen Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften besonders hoch, so der Makler. Reihenhäuser und Villen komplettieren das Angebot. „Einen Mieter für ein Haus in guter Lage zu finden, dauert höchstens vier Wochen. Meist ist das Haus schon nach ein bis zwei Wochen weg. Vermieter seien oft Berliner, die beruflich für einige Zeit die Stadt verlassen müssen, ihr Haus jedoch behalten wollen. Oder Hauseigentümer, denen ihre Immobilie zu groß wurde, nachdem die Kinder flügge geworden sind. Sie sehen von einem Hausverkauf ab, weil sie hoffen, dass eines ihrer Kinder später einmal dort einziehen wird.
So ist es auch im Falle von Familie Harries. Ihr Mietvertrag ist auf fünf Jahre befristet und wurde gerade erst für weitere fünf Jahre verlängert. Für Mieter eines Hauses gilt dasselbe Mietrecht wie für alle anderen Mieter. Ausgenommen sind nur Mieter von Einliegerwohnungen (siehe Kasten). Da Mieter eines Einfamilienhauses tendenziell eher mit einer Eigenbedarfskündigung konfrontiert werden, birgt ein solches Mietverhältnis meist einen größeren Unsicherheitsfaktor.
Eine Übersicht schafft Transparenz
Anders ist es, wenn man eines jener Reihenhäuser anmietet, die im Verlaufe der vergangenen zehn Jahre wegen günstiger Fördermöglichkeiten wie die Pilze aus dem Boden geschossen sind. Kapitalanleger haben in diese Reihenhäuser investiert und versprechen sich Gewinn bringende Mieteinnahmen. Tatsächlich sind auch diese Immobilien mit meist kleiner Wohnfläche und sehr überschaubarem Grundstück bei Mietern recht beliebt. „Fünf Jahre lang haben meine Lebensgefährtin und ich in einem sehr schönen Reihenhaus am Treptower Mahonienweg gewohnt. Allerdings war es dort ziemlich beengt, und die Warmmiete betrug mehr als 1000 Euro monatlich. Da haben wir uns entschlossen, doch lieber ein eigenes Haus zu bauen, in das wir gerade eingezogen sind. Ein Haus zu mieten war für mich immer nur eine Übergangslösung“, sagt Jochen Mieder. Der 51-Jährige bestätigt damit einen Trend, den auch Makler Dirk Wohltorf registriert hat. „Häuser werden in der Regel nicht dauerhaft, sondern temporär gemietet. Alles andere wäre wirtschaftlich gesehen nicht sinnvoll“, so Wohltorf.
12 Euro kalt an der Krummen Lanke
Denn die Miete für ein Haus kann ganz schön ins Geld gehen. Für eine Villa in Zehlendorf werden monatlich schon mal 4000 Euro fällig. Da die Mieten von Ein- und Zweifamilienhäusern nicht im Mietspiegel abgebildet sind, gestaltet sich die Mietpreis-Findung schwierig. Viele Vermieter verlangen horrende Summen. Dr. Manfred Stelter will dazu beitragen, dass dieser Markt transparenter wird. „Deshalb habe ich Übersichten erstellt, die Hinweise auf das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmieten für Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern in Berlin und Brandenburg geben“, sagt der Sachverständige für Mieten. Sein eigens entwickeltes Mietbewertungsverfahren für Ein- und Zweifamilienhäuser werde in Berlin und Brandenburg auch von Gerichten zur Bewertung von Häusermieten herangezogen. Stelter dokumentiert darin unter anderem, dass Altbauten in guter Lage, die in Teilen modernisiert wurden, durchschnittlich für eine Miete von 5,50 bis 7 Euro nettokalt pro Quadratmeter angeboten werden. Neubauten in guter Lage gehen dagegen für 7,50 bis 12,50 Euro nettokalt pro Quadratmeter weg.
Anna und Bernd Schulze liegen mit 12 Euro pro Quadratmeter nettokalt schon im gehobenen Mietbereich. Ihr 120 Quadratmeter großes Einfamilienhaus mit dem rund 500 Quadratmeter großen Garten an der Krummen Lanke in Dahlem ist es ihnen wert. Die 50-jährige Anwältin und der gleichaltrige Lehrer leben seit drei Jahren in dem Haus. Fuchs und Elster sagen sich hier nicht nur im sprichwörtlichen Sinne „Gute Nacht“, auch mehrere Eichhörnchen schwingen sich in Schulzes Garten von Baum zu Baum. „Die Lage ist einfach wunderschön, wir haben sehr nette Nachbarn und eine tolle Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel. Was will man mehr?“, sagt Anna Schulze. Ein Haus kaufen wollten sie wegen der hohen finanziellen Aufwendungen nie.
Zum Vermieter existiert ein gutes Verhältnis. Er schaut nur selten vorbei, um sich zu versichern, ob mit dem Haus alles in Ordnung ist. Fast vergessen die Schulzes manchmal, dass sie nur zur Miete wohnen: „Wir pflegen das Haus, als wäre es unser eigenes. Kleine Reparaturen erledigen wir selbst und stellen sie dem Vermieter auch nicht in Rechnung“, erzählen sie. Gefragt, ob sie sich vorstellen können, jemals wieder in einer ganz normalen Mietwohnung zu leben, antwortet Bernd Schulze sofort „Ich nicht!“, Anna Schulze dagegen: „Selbstverständlich.“
Sandra Klose
MieterMagazin 6/06
‚Ein Garten für die Kleinen‘:
Familie Harries in ihrem Haus in Tempelhof
alle Fotos: Rolf Schulten
Günstige Fördermöglichkeiten haben zu einem Boom bei Reihenhäusern in den letzten zehn Jahren geführt (hier im Treptower Mahonienweg)
Ihr Recht als Mieter: Einlieger und Co.
Gerade im Ein- oder Zweifamilienhaus fürchten sich Mieter vor einer Kündigung wegen Eigenbedarfs. Hier greift jedoch derselbe Kündigungsschutz wie in jeder Mietwohnung auch. Will der Vermieter das Mietverhältnis beenden, hat er berechtigte Interessen nachzuweisen. Er muss plausibel darlegen, warum er das Haus für seine Familie oder Angehörige seines Haushaltes benötigt. Kann der Mieter Härtegründe geltend machen, sollte er sich auf die Sozialklausel berufen. Ein Gericht prüft dann, wessen Interessen Vorrang haben.Eine Ausnahme gibt es allerdings. Mietet man eine so genannte Einliegerwohnung, ist man im Hinblick auf den Kündigungsschutz nur Mieter zweiter Klasse. Sobald man nämlich gemeinsam mit dem Vermieter im selben Haus wohnt, kann dieser ohne Angabe von Gründen kündigen.Vorsicht ist auch bei Zeitmietverträgen geboten. Nach Ablauf der vereinbarten Mietzeit hat der Mieter das Haus zu räumen. Frühestens vier Monate vor Ablauf der Befristung kann der Mieter verlangen, dass ihm der Vermieter binnen eines Monats mitteilt, ob ein Anschlussvertrag gewährt wird oder nicht.
san
29.03.2022