Stand: 3/22
In diesem Info wird auf die wichtigsten Aspekte einer Eigenbedarfskündigung aus Mietersicht hingewiesen. Das Info dient der Übersicht („Check-Liste“). Mieterinnen und Mieter, die von einer Eigenbedarfskündigung betroffen sind, sollten aber umgehend eine Rechtberatung in Anspruch nehmen. Dieses Info kann eine solche nicht ersetzen.
Das Info befasst sich lediglich mit Kündigungen wegen „Eigenbedarf“ (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Folgende Fragen behandelt dieser Artikel:
- Gibt es einen Kündigungsausschluss?
- Wer ist zur Kündigung berechtigt?
- Welche Formerfordernisse gibt es?
- Welche Kündigungsfrist gilt?
- Ist die Kündigungsbegründung wirksam?
- Was ist „Eigenbedarf“ im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB?
- Welche Kündigungen sind unzulässig?
- Greift die „Sozialklausel“ der §§ 574 ff. BGB
- Haben Mieter Schadensersatzansprüche?
Hier nicht behandelt werden folgende Kündigungen durch den Vermieter:
- ordentliche Kündigung wegen „Hinderung wirtschaftlicher Verwertung“ (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB)
- ordentliche Kündigung wegen schuldhafter Vertragspflichtverletzung (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB)
- Kündigung wegen „Betriebsbedarf“ oder anderer sonstiger „berechtigter Interessen“ (§ 573 Abs. 1 BGB)
- Kündigung der in einem Zwei- oder [Drei-]familienhaus gelegenen Wohnung bzw. bei Untervermietung (§ 573 a BGB)
- Teilkündigung (§ 573 b BGB)
- fristlose Kündigungen
1. Gibt es einen Kündigungsausschluss?
Der Frage, ob ein mietvertraglicher Kündigungsausschluss gegeben ist, sollte immer zuerst nachgegangen werden (z.B. „… darf erstmalig ordentlich gekündigt werden zum …“ oder „die Kündigung wegen Eigenbedarfs ist (- bis zum … -) ausgeschlossen“).
Bei der Vereinbarung, wonach der Vermieter „nur in besonderen Ausnahmefällen unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen kündigen kann, wenn wichtige berechtigte Interessen des Vermieters eine Beendigung des Mietverhältnisses notwendig machen“, genügt dann das „normale“ berechtigte Interesse des Vermieters nicht (BGH v. 16.10.2013 – VIII ZR 57/13).
Der Kündigungsausschluss kann auch außerhalb des Mietvertrags in einem Kaufvertrag des Vermieters über ein Hausgrundstück enthaltenen sein (Vertrag zugunsten Dritter; § 328 BGB). Der Mieter erwirbt hierdurch unmittelbar das Recht, von dem Käufer die Unterlassung einer ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses zu verlangen (BGH v. 14.11.2018 – VIII ZR 109/18). Auch können Kündigungsausschlüsse anlässlich von staatlich geförderten (Mieter-)Modernisierungsmaßnahmen vereinbart worden sein, die den jetzigen Vermieter binden.
Einen gesetzlichen Kündigungsausschluss enthält § 577 a BGB: Die Sperrfrist bei Kündigung nach Eigentumsumwandlung (siehe unser Info Nr. 26).
2. Wer ist zur Kündigung berechtigt?
Zunächst ist durch Einsichtnahme in das Grundbuch (siehe unser Info Nr. 118) zu ermitteln, ob der Kündigende noch bzw. schon Berechtigter ist. Berechtigter ist im Übrigen immer nur der Vermieter bzw. die Vermietermehrheit.
Der Erwerber kann vor Eintragung ins Grundbuch keine wirksame Kündigung aussprechen. Die Ermächtigung eines Erwerbers durch den Verkäufer zur Eigenbedarfs-Kündigung vor der Eigentumsübertragung im Grundbuch ist nicht zulässig.
Haben mehrere Eigentümer das Grundstück im Wege der Rechtsnachfolge (§ 566 BGB) erworben, können nur alle gemeinsam kündigen.
Der Blick ins Grundbuch nutzt beim Eigentümerwechsel aufgrund einer Zwangsversteigerung allerdings nichts. Der Rechtsübergang erfolgt hier schon durch Zuschlag (vgl. § 90 ZVG).
Vermieter können die Kündigung auch durch einen Bevollmächtigten ausführen lassen. Die von einem Bevollmächtigten des (Wohnraum-)Vermieters (schriftlich) erklärte Kündigung ist allerdings gem. § 174 S. 1 BGB unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Original-Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der Mieter aus diesem Grunde die Kündigung unverzüglich (innerhalb von maximal 14 Tagen) zurückweist.
3. Welche Formerfordernisse gibt es?
Verstöße gegen formale Wirksamkeitserfordernisse machen die Kündigung unwirksam, so dass es auf die komplizierten Fragen des Eigenbedarfs einstweilen – bis zur Nachholung der Kündigung in wirksamer Form – nicht ankommt.
Die Vertragsparteien müssen ihre Kündigung schriftlich erklären (§ 568 Abs. 1 BGB).
Das Kündigungsschreiben muss eigenhändig unterschrieben sein (§ 126 BGB). Erleichterungen wie die Textform (Fax, E-Mail) gelten bei der Kündigung von Wohnraum nicht.
Sind an einem Mietverhältnis mehrere Personen beteiligt, so kann eine wirksame Kündigung nur von allen an alle ausgesprochen werden.
Die Kündigung muss allen Mietern zugegangen sein. Vom Zugangszeitpunkt aus berechnet sich – bei wirksamer Kündigung – die Kündigungsfrist. Der Zugang des Kündigungsschreibens muss bei Bestreiten durch den Mieter vom Vermieter bewiesen werden.
Das Aussprechen der Kündigung zu einem zu frühen Zeitpunkt lässt die Wirksamkeit der Kündigung – zum richtigen, späteren Zeitpunkt – nicht entfallen, wenn nur hinreichend deutlich wird, dass das Mietverhältnis auf jeden Fall beendet werden soll. Davon zu unterscheiden ist die unzulässiger Weise noch während der Umwandlungs-Sperrfrist des § 577 a BGB (siehe unser Info Nr. 26) ausgesprochene Kündigung: Diese ist in jedem Falle unwirksam.
4. Welche Kündigungsfrist gilt?
Diese Frage ist nur von Bedeutung, wenn die Eigenbedarfskündigung wirksam ist. Nach § 573 c BGB ist die Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. Die Kündigungsfrist für den Vermieter verlängert sich nach fünf und acht Jahren seit der Überlassung des Wohnraums um jeweils drei Monate. Hiervon abweichende mietvertragliche Vereinbarungen sind nur insoweit wirksam, als sie sich zugunsten des Mieters auswirken (Näheres in unserem Info Nr. 91).
5. Ist die Kündigungsbegründung wirksam?
Der Vermieter muss die Gründe für den Eigenbedarf im Kündigungsschreiben näher darlegen, damit dem Mieter Klarheit darüber verschafft wird, ob der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietvertrages geltend machen kann und diesen auch gegen den Willen des Mieters beenden kann (BVerfG v. 20.10.1988 – 1 BvR 1247/88 -).
Dem Zweck des nach § 573 Abs. 3 BGB bestehenden Begründungserfordernisses wird bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs grundsätzlich durch die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, genügt (BGH v. 6.7.2011 – VIII ZR 317/10). Dagegen muss die Begründung keine Ausführungen zu Räumlichkeiten enthalten, die für den Begünstigten alternativ als Wohnraum in Betracht kommen könnten (BGH v. 15.3.2017 – VIII ZR 270/15). Der Vermieter muss die Person, zu deren Gunsten er den Eigenbedarf geltend macht, auch nicht zwingend namentlich bezeichnen. Es reicht, die Eigenbedarfsperson identifizierbar zu benennen (BGH v. 30.4.2014 – VIII ZR 284/13).
Beispiele:
- „Ich kündige wegen Eigenbedarf.“ (unwirksam)
- „Ich kündige wegen Eigenbedarfs für meine Tochter Sabine.“ (unwirksam)
- „Ich kündige wegen Eigenbedarfs für meine Tochter Sabine, weil diese jüngst 18. Jahre alt geworden ist und nunmehr einen eigenen Hausstand gründen will.“ (wirksam)
Das Begründungserfordernis des § 573 Abs. 3 BGB dient nur dem berechtigten Informationsbedürfnis des Mieters; eine weitergehende substantiierte Darlegung der Kündigungsvoraussetzungen muss der Vermieter erst im Prozess bei Bestreiten des Mieters nachholen (BVerfG v. 4.6.1998 – 1 BvR 1575/94 -).
Es reicht auch aus, wenn sich ein erneutes Kündigungsschreiben ausdrücklich auf die in einem früheren Kündigungsschreiben genannten Gründe bezieht und seitdem hinsichtlich der darin genannten Gründe keine Änderungen eingetreten sind (BVerfG v. 31.3.1992 – 1 BvR 1492/91 -).
6. Was ist „Eigenbedarf“ im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB?
Der Kündigungsgrund „Eigenbedarf“ gibt dem Vermieter dann ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, wenn
(1) – der Vermieter die Räume
(2) – als Wohnung
(3) – für sich,
(4) – die zu seinem Haushalt gehörenden Personen oder
(5) – seine Familienangehörigen
(6) – benötigt.
„der Vermieter der Räume“
Ist der Eigentümer des Hauses nicht zugleich auch Vermieter so kann er Eigenbedarf nicht geltend machen.
Der Vermieter muss eine natürliche Person im Sinne des Zivilrechts sein. Juristische Personen, Behörden oder Unternehmen können Eigenbedarf ebenso wenig geltend machen, wie eine OHG oder eine Kommanditgesellschaft (BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 210/10).
Bei einer Mehrheit von Vermietern genügt es, wenn der Wohnbedarf nur bei einem Vermieter besteht.
Grundsätzlich kann auch der Untervermieter (= Hauptmieter) Eigenbedarf geltend machen.
Die Kündigung durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist grundsätzlich auch wegen des Eigenbedarfs eines Gesellschafters oder dessen Angehörigen zulässig (BGH v. 14.12.2016 – VIII ZR 232/15). Jedoch unterliegt der Eigenbedarf von GbR-Gesellschaftern seit dem 1.5.2013 einer Kündigungssperrfrist – jedenfalls in den Fällen des „gekauften“ Eigenbedarfs bei (noch) nicht in Wohneigentum umgewandelten Wohnraum (vgl. § 577 a Abs. 1 a BGB).
„Wohnung“
Auch der Wunsch des Vermieters, die bisher vermietete Wohnung künftig selbst als Zweitwohnung zu nutzen, kann eine Eigenbedarfskündigung rechtfertigen. Hierbei kommt es maßgeblich auf die Würdigung der Umstände des Einzelfalls an (BGH v. 22.8.2017 – VIII ZR 19/17).
„für sich“
benötigt der Vermieter die Räume auch dann, wenn er aus zwingenden Gründen eine Hilfs- oder Pflegeperson in die zu kündigende Wohnung aufnehmen will (Kindermädchen, Haushaltshilfe, Gebrechlichkeitspfleger). Es handelt sich also auch hierbei um den eigenen Bedarf des Vermieters.
„Haushaltsangehörige“
Der Vermieter muss verpflichtet sein (aufgrund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht), für den Wohnbedarf des Haushaltsangehörigen sorgen zu müssen. Haushaltsangehörige sind z.B. auch Lebenspartner, nicht aber Arbeitnehmer.
„Familienangehörige“
Familienangehörige sind erst einmal alle Verwandten und Verschwägerten ohne Rücksicht auf den Grad der Verwandtschaft. Es wird unterschieden zwischen nahen Familienangehörigen, die per se Bedarfspersonen sein können (Kinder, Ehegatten, Enkel, Geschwister) und anderen ferneren, für die nur dann der Bedarf geltend gemacht werden kann, wenn im Einzelfall eine besondere Beziehung zum Vermieter besteht (z.B. Cousine zweiten Grades). Familienangehörige des Vermieters müssen nicht in seinem Haushalt leben.
Auch leibliche Nichten und Neffen des Vermieters sind kraft ihres nahen Verwandtschaftsverhältnisses zum Vermieter Familienangehörige im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB (BGH v. 27.1.2010 – VIII ZR 159/09).
Der Wohnbedarf eines Schwagers des Vermieters kann Eigenbedarf zumindest dann begründen, wenn ein besonders enger Kontakt besteht (BGH v. 3.3.2009 – VIII ZR 247/08 ).
„benötigen“
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes reicht zwar der Wille des Vermieters, in den eigenen Räumen zu wohnen, für sich genommen nicht, aber vernünftige und nachvollziehbare Gründe genügen für die Geltendmachung von Eigenbedarf. An das Vorliegen eines „vernünftigen nachvollziehbaren Grundes“ stellen BVerfG und der BGH aber denkbar geringe Anforderungen.
Beispiele für „vernünftige und nachvollziehbare Gründe“:
- Vermieter will Zweitwohnungsbedarf befriedigen (BGH v. 23.10.2018 – VIII ZR 61/18).
- Vermieter will die Wohnung nur für wenige Wochen im Jahr für sich und seine Familie nutzen (BGH v. 21.8.2018 – VIII ZR 186/17).
- Vermieter will die Wohnung nur etwa ein Jahr nutzen (BGH v. 4.3.2015 – VIII ZR 166/14).
- Eigenbedarf für Pflegekraft, auch wenn Pflegebedarf im Wesentlichen nur tagsüber besteht (BVerfG v. 9.2.2000 – 1 BvR 889/99 -).
- Vermieter will in Zukunft eine Wohnung mit der darüber liegenden zusammenzulegen (BVerfG v. 26.11.1997 – 1 BvR 1698/95 -).
- Tochter des Vermieters soll in der Wohnung mit ihrem Lebensgefährten eine Familie gründen können (BVerfG v. 20.2.1995 – 1 BvR 665/94 -).
- Vermieter will seine Wohn- und Arbeitsstätte im selben Haus haben um dort Geschäftspartner in wohnlicher Atmosphäre zu bewirten (BVerfG v. 30.6.1994 – 1 BvR 2048/93 -).
- Vermieter wünscht Einrichtung eines Arbeitszimmers, Aufnahme eines Au-pair-Mädchens als Betreuerin für den Sohn und Unterbringung einer umfangreichen Puppensammlung in der Wohnung (BVerfG v. 31.1.1994 – 1 BvR 1465/93 -).
- Vermieter will Zusammenlegung zweier nebeneinander liegender Wohnungen, weil er einen Teil der von ihm und seiner Familie genutzten Räume nur über das allgemeine Treppenhaus erreichen kann (BVerfG v. 23.12.1993 – 1 BvR 853/93 -).
- Vermieter will vorübergehend in der Wohnung wohnen, weil die eigentlich ins Auge gefasste Wohnung im selben Hause erst später frei wird (BVerfG v. 23.11.1993 – 1 BvR 697/93 -9).
- Vermieter hat finanzielle Mittel dazu verwendet, eine Eigentumswohnung zu erwerben, um in dieser selbst zu wohnen, weil er schlichtweg „Herr seiner eigenen vier Wände“ sein will (BVerfG v. 11.11.1993 – 1 BvR 696/93 -).
- Vermieter wünscht eine größere Wohnung mit zwei Schlafzimmern (BVerfG v. 10.7.1992 – 1 BvR 1614/91 -).
- Vermieter wünscht kleinere Wohnung (BVerfG v. 27.9.1991 – 1 BvR 1324/90 -).
- Auch Eigenbedarf, der durch den Kauf einer vermieteten Eigentumswohnung erst geschaffen worden ist („Gekaufter Eigenbedarf“), ist grundsätzlich ein vernünftiger Grund (BayObLG v. 14.7.1981 – Allg.Reg. 32/81 -).
Ein – auf vernünftige, nachvollziehbare Gründe gestützter – Eigennutzungswunsch rechtfertigt die Kündigung des Mietverhältnisses aber nur dann, wenn er vom Vermieter auch ernsthaft verfolgt wird und bereits hinreichend bestimmt und konkretisiert ist. Dagegen rechtfertigt eine bislang nur vage oder für einen späteren Zeitpunkt verfolgte Nutzungsabsicht eine Eigenbedarfskündigung (noch) nicht (sog. „unzulässige Vorratskündigung“) (BGH v. 23.9.2015 – VIII ZR 297/14).
7. Welche Kündigungen sind unzulässig?
Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind folgende Fallgruppen zu entnehmen, wo (auch aus verfassungsrechtlicher Sicht) Kündigungen unzulässig sind:
- Rechtsmissbräuchliche Kündigungen
- Treuwidrige Kündigungen
- Zweckverfehlende bzw. vernunftwidrige Kündigungen
- Vorgeschobene Kündigungen – fehlende Ernsthaftigkeit
7.1. Rechtsmissbrauch: Anderweitig zu befriedigender Eigenbedarf?
Wenn vor Ausspruch der Eigenbedarfskündigung eine vergleichbare Wohnung frei geworden und zu diesem Zeitpunkt bereits der endgültige Nutzungswunsch gefasst worden war, kann sich die Kündigung als rechtsmissbräuchlich darstellen (BGH v. 23.8.2016 – VIII ZR 178/15). Die Eigenbedarfskündigung ist aber nicht dann unwirksam, wenn der Vermieter vor Entstehen des Eigenbedarfs eine andere Wohnung weitervermietet (BVerfG v. 28.5.1993 – 1 BvR 1515/92 -).
Auf die leerstehende Wohnung darf der Vermieter aber nur verwiesen werden, wenn die leere Wohnung mit der gekündigten vergleichbar ist, d.h. wenn der vom Eigentümer bestimmte Wohnbedarf in dem Alternativobjekt ohne wesentliche Abstriche befriedigt werden kann (BVerfG v. 7.11.1990 – 1 BvR 416/90 -).
Beachte: Bei vergleichbaren zur Verfügung stehenden Wohnungen muss der Vermieter nicht denjenigen Mieter in Anspruch nehmen, den der Verlust der Wohnung am wenigsten hart trifft (keine „Sozialauswahl“). Der Vermieter hat unter den vor Entstehen des Eigenbedarfs vermieteten Wohnungen des Hauses grundsätzlich die Entscheidungsfreiheit zur Eigenbedarfskündigung.
7.2 Rechtsmissbrauch: „Weit überhöhter Wohnbedarf“?
Rechtsmissbrauch liegt auch dann vor, wenn der Vermieter einen weit überhöhten Wohnbedarf geltend macht. Das BVerfG hat offengelassen, wann von einem solchen „weit überhöhtem Wohnbedarf“ auszugehen ist. Zwei Entscheidungen zeigen aber, dass das BVerfG doch recht „großzügig“ ist:
- Weit überhöhter Eigenbedarf wird nicht geltend gemacht, wenn ein jungverheiratetes Ehepaar eine etwa 74 qm große 3-Zimmer-Wohnung beziehen möchte und sich nicht auf eine deutlich kleinere, im Haus freigewordene 2-Zimmer-Wohnung verweisen lassen will. Ob ein konkreter Nachwuchswunsch vorliegt, ist darüber hinaus insoweit nicht zu prüfen (BVerfG v. 7.11.1990 – 1 BvR 416/90 -).
- Es liegt kein weit überhöhter Wohnbedarf vor, wenn der Eigentümer zu zweit eine Fünfeinhalb-Zimmer-Wohnung nutzen will, die ebenfalls von zwei Mietern bewohnt wird (BVerfG v. 30.6.1994 – 1 BvR 2048/93 -).
Auch nach Ansicht des BGH (v. 4.3.2015 – VIII ZR 166/14) ist der Vermieter prinzipiell berechtigt, den von ihm oder seiner Bedarfsperson favorisierten Lebensentwurf ohne Wenn und Aber in den Räumlichkeiten zu realisieren: „Es lassen sich keine Richtwerte (etwa Wohnfläche) aufstellen, ab welcher Grenze bei einem Alleinstehenden von einem weit überhöhten Wohnbedarf auszugehen ist. Denn diese Beurteilung hängt nicht allein von der in Anspruch genommenen Wohnfläche oder der Anzahl der Räume ab, sondern von einer umfassenden Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls.“
7.3 Rechtsmissbrauch: Willkürliche Kündigung?
Hierunter sind vor allem sogenannte „Kündigungen aus Rache“ zu verstehen, etwa weil der Mieter sich in der Vergangenheit erfolgreich geweigert hat, unzulässigen Mieterhöhungen Folge zu leisten. Eine solche Kündigung bleibt auch dann willkürlich, wenn der Vermieter – im Unterschied zu den Konstellationen des vorgeschobenen Eigenbedarfs – auch tatsächlich in die Wohnung einziehen will, sein Hauptinteresse aber darin liegt, den unliebsamen Mieter los zu werden.
7.4 Rechtsmissbrauch: Wegfall des Eigenbedarfs?
Rechtsmissbräuchlich ist auch die Weiterverfolgung der Räumung, wenn der Eigenbedarf zwischenzeitlich entfallen ist. Dies ist allerdings nur dann zu berücksichtigen, wenn der Grund vor dem Ablauf der Kündigungsfrist entfallen ist; in diesem Fall ist der Vermieter zu einer entsprechenden Mitteilung an den Mieter verpflichtet (BGH v. 9.11.2005 – VIII ZR 339/04; BVerfG v. 18.4.2006 – 1 BvR 31/06 -).
Ist streitig, ob der Vermieter den Mieter vor seinem Auszug über den Wegfall des Eigenbedarfs informiert hat, so trifft die Beweislast den Vermieter (BGH v. 18.5.2005 – VIII ZR 368/03 -).
7.5 Rechtsmissbrauch: Unterlassung der Anbietpflicht?
Kündigt der Vermieter eine vermietete Wohnung wegen Eigenbedarfs, so hat er dem Mieter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine vergleichbare, im selben Haus oder in derselben Wohnanlage ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehende Wohnung, die vermietet werden soll, zur Anmietung anzubieten (BGH v. 9.7.2003 – VIII ZR 276/02 -; BGH v. 14.12.2016 – VIII ZR 232/15). Zur Erfüllung dieser Anbietpflicht muss der Vermieter den Mieter über die wesentlichen Bedingungen einer Anmietung (Größe, Ausstattung, Miethöhe) informieren (BGH v. 13.10.2010 – VIII ZR 78/10).
Der Mieter muss die Existenz einer freien vermietbaren Wohnung darlegen und beweisen. Er kann hierzu Einsicht in das Grundbuch seiner Wohnanlage nehmen (§ 12 GBO).
Ausnahmen: Da der Vermieter nicht verpflichtet ist, ihm gehörende unvermietete Wohnungen dem allgemeinen Mietwohnungsmarkt durch Vermietung zur Verfügung zu stellen, stellt es keine Pflichtverletzung dar, wenn dem Mieter eine leerstehende – nicht zur Vermietung, sondern zum Verkauf, vorgesehene – Wohnung nicht angeboten wird (BVerfG v. 23.11.1993 – 1 BvR 904/93 -). Ebenso wenig stellt es eine Pflichtverletzung dar, wenn der Vermieter vor Entstehen des Eigenbedarfs eine andere Wohnung weitervermietet (BVerfG v. 28.5.1993 – 1 BvR 1515/92 -).
Folge: Die Verletzung dieser Anbietpflicht hat aber nicht zur Folge, dass die berechtigt ausgesprochene Eigenbedarfskündigung nachträglich rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam wird. Sie zieht lediglich einen Anspruch auf Schadensersatz in Geld nach sich (BGH v. 14.12.2016 – VIII ZR 232/15). Die Kündigung als solche war und bleibt wirksam. Der Mieter ist so zu stellen, als hätte der Vermieter ihm die Alternativwohnung angeboten und als wäre dieser neue Mietvertrag auch zu Stande gekommen. Der Mieter ist also so zu stellen, als sei die Anbietpflicht erfüllt worden – nicht aber so, als sei die Kündigung gar nicht erfolgt.
7.6 Treuwidrige Kündigung?
Treuwidrig ist die Kündigung, wenn der Mieter bei Abschluss des unbefristeten Mietvertrages vom Vermieter nicht über den schon zu diesem Zeitpunkt bestehenden oder aber absehbaren Eigenbedarf aufgeklärt wurde und sich deshalb insoweit ein Vertrauenstatbestand auf Seiten des Mieters gebildet hat, wonach ein Eigenbedarf in absehbarer Zeit nach Mietvertragsabschluss nicht geltend gemacht werde (BGH v. 6.7.2010 – VIII ZR 180/09). Das BVerfG (v. 14.2.1989 – 1 BvR 308/88 -; 19.7.1993 – 1 BvR 501/93 -) billigt dem Mieter grundsätzlich einen Zeitraum von 5 Jahren zu, während derer er damit rechnen darf, dass eine Eigenbedarfskündigung nicht geltend gemacht werde.
Allerdings ist der Vermieter weder verpflichtet, von sich aus vor Abschluss eines unbefristeten Mietvertrags unaufgefordert Ermittlungen über einen möglichen künftigen Eigenbedarf anzustellen (sogenannte „Bedarfsvorschau“) noch den Mieter ungefragt über mögliche oder konkret vorhersehbare Eigenbedarfssituationen zu unterrichten. Daher liegt kein Rechtsmissbrauch vor, wenn der Vermieter einen unbefristeten Mietvertrag wegen eines nach Vertragsschluss entstandenen Eigenbedarfs kündigt und das Entstehen dieses Eigenbedarfs für ihn zwar im Rahmen einer „Bedarfsvorschau“ erkennbar gewesen wäre, er jedoch bei Vertragsabschluss eine solche Kündigung nicht zumindest erwogen hat (BGH v. 4.2.2015 – VIII ZR 154/14).
Etwas anderes hat allerdings dann zu gelten, wenn der Vermieter anlässlich des Vertragsabschlusses von sich aus oder auf Fragen des Mieters vorsätzlich unrichtige Angaben über den derzeitigen Stand ihm bekannter, für die Beurteilung einer Eigenbedarfssituation maßgebender Tatsachen gemacht hat (BGH v. 4.2.2015 – VIII ZR 154/14).
Und: Die Kündigung kurze Zeit nach Vertragsabschluss allein macht diese noch nicht treuwidrig, wenn der Eigenbedarf bei Abschluss des Mietvertrages noch nicht absehbar war (BGH v. 20.3.2013 – VIII ZR 233/12).
7.7 Zweckverfehlende unvernünftige Eigenbedarfskündigung?
Hiervon ist auszugehen, wenn die gekündigte Wohnung für die Nutzungswünsche des Vermieters objektiv ungeeignet ist. In einem solchen Fall ist die Eigenbedarfskündigung unzulässig.
Beispiele:
- Die 80jährige gehbehinderte Mutter soll im 4. Stock eines Mietshauses ohne Fahrstuhl untergebracht werden
- Die angebliche pflegebedürftige Person ist nur noch in einem Krankenhaus medizinisch zu versorgen.
- Vermieter will mit seiner vierköpfigen Familie in eine 1-Zimmer-Wohnung ziehen.
- Wohnung steht zur Zwangsversteigerung an und wird demnächst an einen Dritt-Erwerber herausgegeben werden müssen.
- Das Fehlen eines Visums für einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland kann der Realisierbarkeit des Eigennutzungswunsches entgegenstehen.
7.8 Vorgetäuschter Eigenbedarf – keine Ernsthaftigkeit des Nutzungswunsches?
Gelingt bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung im Räumungsprozess der Nachweis, dass der Eigenbedarf nur vorgetäuscht ist, wird die Räumungsklage wegen rechtsmissbräuchlicher Kündigung abgewiesen werden. Gelingt der Nachweis der Vortäuschung erst nach Räumung der Wohnung, besteht ein Schadensersatzanspruch des Mieters aus Vertragsverletzung (BVerfG v. 26.9.2001 – 1 BvR 1185/01 -).
Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs kann auch dann vorgeschoben sein, wenn ein Vermieter seit längerem Verkaufsabsichten hegt und der von ihm benannten Eigenbedarfsperson den Wohnraum in der – dieser möglicherweise nicht offenbarten – Erwartung zur Miete überlässt („Strohmieter“), diese im Falle eines doch noch gelingenden gewinnbringenden Verkaufs ohne Schwierigkeiten zum Auszug bewegen zu können (BGH v. 10.5.2016 – VIII ZR 214/15 -).
8. Greift die „Sozialklausel“ der §§ 574 ff. BGB
Unabhängig davon, wie zunächst die Rechtmäßigkeit der Eigenbedarfskündigung einzuschätzen ist, sollten Mieter prüfen, ob für sie oder ihre Angehörigen eine Härte im Sinne der §§ 574 ff. BGB vorliegt. In einem solche Falle kann bei rechtzeitiger Geltendmachung des Härtefalles trotz möglicherweise wirksamer Kündigung das Verbleiben der Mieter in der Wohnung vom Gericht angeordnet werden.
Die Härtefälle werden zumeist nach folgenden Sachverhalten gruppiert: Fehlender angemessener und zumutbarer Ersatzwohnraum; hohes Alter; Gebrechlichkeit; Pflegebedürftigkeit; unheilbare Krankheit; psychische oder gesundheitliche Gefahren; Verwurzelung – lange Mietdauer – „Geburtshaus“; Armut wegen geringen Einkommens; Armut wegen Arbeitslosigkeit oder anderer (vorübergehender) Schicksalsschläge; heilbare Krankheit; Schwangerschaft; Kinderreichtum (Ersatzwohnung); Umschulungsschwierigkeiten für Kinder; Prüfungssituation; berufliche Nachteile; sonstige wirtschaftliche Folgen der Kündigung; Aufwendungen des Mieters für die gekündigte Wohnung; kurze Mietdauer; Zwischenumzug; sonstige Härten.
Die Einzelheiten zur Sozialklausel und zur Beachtung der notwendigen Fristen enthält unser Info Nr. 120.
9. Haben Mieter Schadensersatzansprüche?
Ist erst nach Auszug des Mieters eine vorgeschobene – oder anderweitig rechtsmissbräuchliche – Kündigung beweisbar oder ist der Kündigungsgrund noch vor Auszug des Mieters entfallen, ohne dass der Vermieter den Mieter rechtzeitig hierauf hingewiesen hat, kommen Schadensersatzansprüche in Frage. Denn ein Vermieter ist im Falle der Vortäuschung von Eigenbedarf – wie auch sonst bei einer schuldhaften (materiell) unberechtigten Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses – dem Mieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet (BGH v. 10.6.2015 – VIII ZR 99/14).
Beim Schadensersatz sollte zunächst die sog. Naturalrestitution, also die Wiedereinräumung des Mietbesitzes gefordert werden, solange dem Vermieter die Wiedereinräumung noch möglich ist (BGH v. 16.12.2009 – VIII ZR 313/08). Unmöglichkeit kann nicht bereits angenommen werden, wenn die Wohnung inzwischen anderweitig vermietet oder verkauft ist, sondern erst dann, wenn der Vermieter beweist, dass er die Verfügungsmacht über die Wohnung nicht mehr erlangen kann, sei es durch Kündigung, eine Abstandszahlung oder einen Rückerwerb.
Daneben ist an folgende Schadenspositionen zu denken: Rechtsverteidigungskosten (BGH v. 4.6.2014 – VIII ZR 289/13 -); Detektivkosten, Umzugskosten im weiteren Sinn (also die Kosten der Wohnungssuche wie Fahrkosten, Maklerkosten oder Kosten für Inserate; Kosten für ein Umzugsunternehmen und freiwillige Umzugshelfer, Umzugsservice der Telekom, Ummeldekosten), Aufwendungen für die neue Wohnung (Schönheitsreparaturen), nutzlos gewordene Aufwendungen für die bisherige Wohnung (z.B. nicht mehr verwendbare Einrichtungsgegenstände, Renovierungskosten, nicht abgewohnte Investitionen) sowie die Mietdifferenz.
Die Mietdifferenz ist richtigerweise solange zu zahlen, bis der Vermieter das Mietverhältnis anderweitig rechtmäßig beenden könnte und/oder durch zulässige Mieterhöhungen für die bisherige Wohnung die für die neue Wohnung gezahlte Miete erreicht würde. Der BGH hingegen erachtet pauschal den Zeitraum von 42 Monaten für angemessen (BGH v. 16.12.2009 – VIII ZR 313/08).
Für das Vorliegen und den Umfang der geltend gemachten Schadenspositionen ist der Mieter darlegungs- und beweispflichtig.
Weitere BMV-Infos:
- BMV-Info 24: Kündigung durch Vermieter – Wann dürfen Vermieter kündigen? Welche Schutzrechte haben Mieter?
- BMV-Info 26: Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen
- BMV-Info 27: Eigentümer- und Vermieterwechsel
- BMV-Info 31: Mietstreitigkeiten vor Gericht
- BMV-Info 91: Kündigungfristen
- BMV-Info 118: Einsichtnahme durch Mieter in das Grundbuch
- BMV-Info 120: Die Sozialklausel – Kündigungswiderspruch nach § 574 BGB
- BMV-Info 121: Räumungsfrist und Vollstreckungsschutz
- BMV-Info 159: Prozesskostenversicherung des Berliner Mietervereins
27.03.2022