Steigende Energiepreise erhöhen die Wohnkosten. „Solare Sanierung“ soll Abhilfe schaffen: Wohnungsgesellschaften modernisieren die Heizungs- sowie Warmwasserversorgung und ergänzen sie mit Solaranlagen. Die Kosten werden auf die Kaltmiete umgelegt, aber in gleicher Höhe sollen Heizkosten eingespart werden. Bislang größtes Problem: Die Eigentümer ziehen noch nicht so richtig mit.
Wenn Mieter in Berlin immer mehr für ihre Wohnung aufbringen müssen, liegt das nicht unbedingt an explodierenden Nettokaltmieten. „Vor allem die Nebenkosten treiben die Ausgaben in die Höhe, und steigende Energiepreise haben daran den entscheidenden Anteil“, bilanziert Frank Heunemann von der Berliner Energieagentur. „Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar.“ Gute Vorsätze, in den eigenen vier Wänden Energie zu sparen, stoßen irgendwann an ihre Grenzen. Auch Wärmedämmung und moderne Technik für Heizung und warmes Wasser sind nötig: Auf die Vermieter kommt es an. Vor allem den Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften sollen nun Investitionen schmackhaft gemacht werden.
Im April haben die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) und die Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft (UVS) die Kampagne „Solare Sanierung“ gestartet. Die zentrale Aussage, mit der sie sich an Vermieter wenden: „Der wirtschaftliche Einsatz von Solarwärme nach dem Konzept der solaren Sanierung erschließt jetzt neue Einsparpotenziale für Wohnungsbauunternehmen – warmmietenneutral und mit hoher Akzeptanz bei den Mietern.“ Eigentümer sollen animiert werden, bei ohnehin anstehenden Instandsetzungen von Mehrfamilienhausdächern gleich zur Modernisierung zu schreiten. Ihr Vorteil: Die Kosten für den Einbau der neuen Heizung und Warmwasserversorgung können auf die Kaltmiete umgelegt werden. Fragt sich, warum dies auf „hohe Akzeptanz bei den Mietern“ stoßen soll. Ganz einfach: „Die neue Anlage spart von Beginn an so viel Energie ein, dass die Nebenkosten mindestens ebenso stark sinken, wie die Kaltmiete angehoben wird“, erläutert Marc-Olaf Thiem, einer der Väter der solaren Sanierung und Ansprechpartner für interessierte Unternehmen bei der UVS. „Dieses Konzept ermöglicht eine Modernisierung, die keiner Seite etwas kostet.“
Anreiz für Sonnen-Einsteiger
Die schnellsten Interessenten erhalten sogar einen Bonus: „Für die ersten zehn Unternehmen mit einer Referenzanlage haben wir insgesamt rund 30.000 Euro bereitgestellt“, erläutert Gerd Boström von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Gemeinsam mit dem Energiefonds Berlin übernehmen wir die Finanzierung der Vorplanung einschließlich einer Berechnung nach Energiespar-Verordnung für das entsprechende Objekt.“ Alle gebauten Anlagen werden zudem über ein Jahr messtechnisch ausgewertet, damit die Unternehmen für die Folgejahre eine detaillierte Entscheidungsgrundlage erhalten.
Was mit einmaligem und eher symbolischem finanziellen Anreiz sowie Information und Beratung in Berlin angekurbelt werden soll, hat sich bei einigen Projekten in der Praxis bereits bewährt. Eine Vorreiterin in Sachen solare Sanierung ist die Wohnungsbaugesellschaft DEGEWO. Als sie eines ihrer Gebäude in Wedding (Baujahr 1969) sanierte, nahm die solare Sanierung ihren Anfang: Die Heizungs- und Warmwasserversorgung wurde erneuert und auf den Stand moderner Brennwerttechnik gebracht. Damit ging ein Wechsel von Heizöl auf Erdgas einher. Hinzu kam die thermische Solaranlage auf dem zusätzlich gedämmten Dach. Für 137 Wohnungen wurden 164 Quadratmeter Flachkollektoren errichtet.
Die Gesamtkosten beliefen sich auf 340000 Euro. Die reinen Investitionskosten, abzüglich Fördermittel, Umstellbeihilfe der GASAG etcetera beliefen sich inklusive aller Instandhaltungsmaßnahmen auf 166.000 Euro. Die Refinanzierung erfolgte im Wesentlichen über die Modernisierungsumlage auf die Kaltmiete. Durch Kostensenkung bei den Nebenkosten war die Sanierung für die Anwohner – auch ohne Zuschüsse – warmmietenneutral. Dank Fördermitteln sank die Belastung der Mieter sogar. Das Projekt wurde auf den Berliner Energietagen mit dem Preis „Klimaschutzpartner des Jahres 2002“ ausgezeichnet. „Dieses Solarkonzept ist als Musterbeispiel bundesweit für eine Vielzahl von Wohngebäuden einsetzbar“, betont Volker Ries von der DEGEWO. Das Wohnungsbauunternehmen hat zwischenzeitlich eine Reihe weiterer Projekte realisiert. Im Zuge der Kampagne „Solare Sanierung“ hat der Vorstand des Wohnungsbauunternehmens GESOBAU eine Bestandsanalyse in Auftrag gegeben. Bei der GEWOBAG wird dies derzeit geprüft.
Sensationelle Einsparung bei neuer Gerätegeneration
Im Falle einer Sanierung winken große Ersparnisse: „Die Kosten-Nutzen-Rechnung ist etwa drei Mal günstiger als bei solarthermischen Anlagen der vorhergehenden Generation“, sagt Jürgen Will, Geschäftsführer der Parabel GmbH, die die Anlagen unter anderem für die DEGEWO errichtet. Für das technische Konzept der solaren Sanierung wurde das Unternehmen mit dem „Deutschen Solarpreis“ ausgezeichnet. Innovativ ist nicht allein die Solaranlage, sondern deren Zusammenspiel mit der optimierten Brennkesseltechnik. Herzstück der Anlage ist die „Solare Energie Zentrale“ im Keller. Die sorgt unter anderem dafür, dass die Sonnenenergie direkt verbraucht wird. Lediglich bei Überschüssen wird sie gespeichert. Das entlastet die Brennkessel. Rund 30 Prozent Brennstoff können mit den Anlagen jährlich eingespart werden.
So beachtlich diese Zahlen nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch sind, gibt es dennoch kritische Stimmen zur solaren Sanierung: Die Wärmedämmung der Fassaden werde bei diesem Konzept vernachlässigt. Zwar betonen alle Beteiligten, dass dieses Element das Konzept optimiere. Doch in vielen Fällen verzichten die Wohnungsbauunternehmen auf ergänzende Dämmung. Sie kann bis zu drei Mal teurer sein, als die solare Sanierung. „Aber gerade hier liegt das größte Potenzial zur Energieeinsparung“, sagt Claudia Kunz, die für den „Bund für Umwelt und Naturschutz“ im Energiebeirat der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sitzt. Eine nachträgliche Dämmung empfiehlt sich nicht. Sie hätte zur Folge, dass die Heizanlage dann überdimensioniert wäre. Und genau das soll bei der solaren Sanierung verhindert werden.
Trotz dieser Kritik bescheinigen auch Umweltschützer der Kampagne, sie sei ein Schritt in die richtige Richtung. Doch die Initiatoren haben noch ein ganz anderes Problem: Mangelndes Interesse seitens der Wohnungsbauunternehmen. Obwohl der Senat 30.000 Euro losgeeist hat, haben sich seit April noch keine zehn Interessenten gefunden – trotz ökonomisch bestens durchkalkulierter Bilanzen. Vorurteile gegenüber der Solartechnologie werden der Wohnungswirtschaft hinter vorgehaltener Hand nachgesagt. Hoffnungsvolle Blicke richten sich nun auf die Genossenschaften. Sie seien näher an den Nutzern dran – und die profitierten schließlich ebenfalls erheblich davon.
Lars Klaaßen
MieterMagazin 8/05
Prämiertes DEGEWO-Projekt in der Stralsunder Straße in Wedding: wärmegedämmtes Dach mit solarthermischer Anlage
alle Fotos: DEGEWO
Prämiertes DEGEWO-Projekt: Solardach in der Swinemünder Straße
Optimales Zusammenspiel von Solartechnik und Brennkessel spart ein Drittel Energie: „SolarEnergieZentrale“ der DEGEWO in der Tapiauer Allee 37 in Charlottenburg
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Von der Analyse bis zur Auswertung
Solare Sanierung bedarf akkurater Planung. Am Anfang steht die Bestandsanalyse: Häuser, die im kommenden Jahr saniert werden sollen, werden nach grundlegender Eignung für die solare Sanierung untersucht. Bei der Vor-Ort-Analyse wird geklärt, was überhaupt technisch machbar ist. Daraus ergibt sich die Wirtschaftlichkeit einer Anlage. Die zu erwartenden Veränderungen bei Kalt- und Warmmieten können kalkuliert werden. Wichtig ist auch die Orientierung an der Energieeinsparverordnung: Stimmen die Rahmenbedingungen bei der Kesselerneuerung, kann das die Dämmung der Gebäudehülle ersparen. Erst wenn alle Daten zusammengetragen wurden, kann überhaupt entschieden werden, ob eine Sanierung sich für alle Beteiligten rechnet. Stimmen die Zahlen, geht es an die Realisierung: Bevor die Handwerker loslegen, muss die Modernisierung den Mietern angekündigt werden. Um sicherstellen zu können, dass die Anlage tatsächlich so viel einspart, wie erwartet, wird sie überwacht und die Betriebsergebnisse über einen Zeitraum von einem Jahr ausgewertet.
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05.02.2018