Leitsätze:
1. Der Rückzahlungsanspruch des Mieters wegen Mietpreisüberhöhung unterliegt in der Regel nicht der Verwirkung.
2. Allein durch die Zahlung der vertraglich vereinbarten – jedoch gemäß § 5 WiStG überhöhten – Miete setzt der Mieter keinen Umstand, der den Vermieter dazu veranlassen durfte, darauf zu vertrauen, dass der Mieter keinen Rückzahlungsanspruch geltend machen werde.
LG Berlin, Urteil vom 29.11.01 – 62 S 177/01 –
Mitgeteilt von RAen Ludger Freienhofer & Wolfgang Hak
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Der Rückzahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 2495,12 DM für das Jahr 1995 ist weder verjährt noch verwirkt. Der Rückzahlungsanspruch unterliegt der vierjährigen Verjährungsfrist (vgl. HansOLG Hamburg, Rechtsentscheid vom 30.1.1989 – 4 U 229/88 – NJW-RR 1989, 458). Die Klageschrift ist bei Gericht am 30.12.1999 bereits mit Kostenvorschuss eingegangen. Die Frage, ob eine Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung anzunehmen ist, hängt im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles ab; deren Würdigung ist Sache des Tatrichters (BGH, Urteil vom 6.12.1988 – XI ZR 19/88 – BGHR BGB § 242 Verwirkung 7 m.N.). Der Ablauf eines längeren Zeitraumes, innerhalb dessen der Anspruch nicht geltend gemacht worden ist, genügt im Allgemeinen allein nicht zur Annahme der Verwirkung. Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (vgl. BGH, NJW 1982, 1999 = LM § 1361 BGB Nr. 30). Es ist schon fraglich, ob die erste dieser Voraussetzungen – das Unterlassen der an sich möglichen Geltendmachung des Rechts während einer längeren Zeitspanne – hier angenommen werden kann. Insoweit gilt nämlich allgemein der Grundsatz, dass um so seltener Raum für eine Verwirkung sein wird, je kürzer die Verjährungsfrist ist (vgl. BGH, NJW-RR 1989, 818 = LM § 242 (Cc) BGB Nr. 46). Der Verstoß gegen Treu und Glauben, der den Verwirkungstatbestand begründet, besteht in der Illoyalität der verspäteten Geltendmachung des Anspruchs, die darin zu sehen ist, dass die Forderung noch verfolgt wird, obwohl der Vertragspartner bereits darauf vertrauen durfte, dass keine Forderungen mehr geltend gemacht werden und er sich hierauf auch bereits eingerichtet hat (BGH NJW 1984, 1684). Voraussetzung ist hierbei, dass zu dem Zeitablauf besondere auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (vgl. BGHZ 105, 290 (298)). Hierfür ist nichts ersichtlich. Dass die Beklagten die Mieteinnahmen versteuert haben, ist für das Vorliegen eines Umstandsmomentes irrelevant. Allein durch die Zahlung der Miete in der vertraglich vereinbarten Höhe haben die Kläger keinen Umstand gesetzt, der die Beklagten dazu veranlassen durfte, darauf zu vertrauen, dass die Kläger keine Rückzahlungsansprüche geltend machen werden. Dieser Fall ist nämlich in § 814 BGB ausdrücklich gesetzlich dahingehend geregelt, dass eine Rückforderung nur ausscheidet, wenn der Leistende positive Kenntnis hatte, zu der Leistung nicht verpflichtet gewesen zu sein. Dabei wäre es nicht ausreichend, wenn der Leistende Kenntnis von den Tatsachen hat, aus denen sich das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung ergibt, er muss vielmehr wissen, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet (vgl. BGH NJW 1997, 2381, 2382). Weder bloße Zweifel an der Nichtschuld sind ausreichend (vgl. BGH WM 1973, 294), noch würde es genügen, wenn die Nichtkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhte (vgl. BGH WM 1972, 283). Soweit die Beklagten auf eine Entscheidung des Landgerichts Frankfurt/Main (GE 2000, 58) Bezug nehmen, das im dortigen Fall eine Verwirkung bejaht hat, kann dieser Entscheidung nicht gefolgt werden. Für das Umstandsmoment bedarf es eines Verhaltens des Berechtigten, das nicht vorliegt. Die Ansicht des LG Frankfurt, der Mieter habe sich aus der Presse über die zulässige Miete informieren können, mag tatsächlich zutreffen, ist jedoch rechtlich irrelevant. Die Möglichkeit einer Informationseinholung setzt kein Umstandsmoment zu Gunsten des Vermieters. Wenn der Mieter die Möglichkeit hat, sich über die zulässige Miete zu informieren, hat die auch der Vermieter, der dann ggf. aus § 817 S.1 BGB auf Rückzahlung in Anspruch genommen werden kann. Im Rahmen des § 817 S.1 BGB findet §814 BGB jedoch keine Anwendung (vgl. BGH LM § 762 BGB Nr. 1). …
28.05.2018