Leitsatz:
Wer im Einzugsbereich eines Flughafens eine Wohnung anmietet, muss grundsätzlich mit einem erhöhten Flugaufkommen rechnen und kann deshalb wegen des Fluglärms die Miete nicht mindern.
LG Berlin vom 18.2.2013 – 67 S 275/12 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Es ging um eine im Jahre 1968 im damaligen West-Berlin in der Nähe zum Flughafen Schönefeld angemietete Wohnung. Die Mieterin wollte wegen des inzwischen stärker gewordenen Fluglärms die Miete mindern. Das Landgericht wies ihre Klage auf Rückzahlung von unter Vorbehalt gezahlter Miete jedoch zurück.
Aus dem Grundgedanken des § 536 b BGB, nach dem eine Minderung ausgeschlossen ist, wenn der Mieter den Mangel der Mietsache bei Abschluss des Mietvertrages kennt, ergebe sich, dass der Mieter nicht berechtigt sei, den Mietzins herabzusetzen, wenn die Beeinträchtigung zwar erst im Laufe der Mietzeit eintrete, der Mieter jedoch bereits bei Abschluss des Mietvertrages mit dem Eintritt der Störung rechnen musste. Vorliegend musste die Mieterin bereits aufgrund der Lage ihrer Wohnung in der Gegend des bei Vertragsabschluss schon vorhandenen Flughafens Schönefeld mit Fluglärm rechnen. Bei einer Wohnung, die in der Nähe eines betriebenen Flughafens gelegen ist, sei grundsätzlich mit Fluglärm zu rechnen und es entspreche nicht dem Willen der Mietvertragsparteien und der Verkehrssitte, darin einen Fehler der Mietsache zu sehen, der zu einer Minderung berechtige.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass sich der Flughafen im Gebiet der damals noch existierenden DDR befindet und mithin dort zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses weit weniger Flugverkehr zu verzeichnen war. Die Mieterin konnte nicht darauf vertrauen, dass es bei dem geringen Flugverkehr bleibe. Sie musste sowohl mit einer dauerhaften Zunahme des Luftverkehrs als auch mit dem Ausbau am vorhandenen Standort und der damit einhergehenden weiteren Zunahme des Fluglärmpegels rechnen. Ein Mieter könne grundsätzlich ohnehin nicht davon ausgehen, dass der zur Zeit des Vertragsschlusses bestehende Zustand für die gesamte Dauer des auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrags unverändert bestehen bleibe (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2012 – VIII ZR 152/12).
Es könne dahinstehen, ob die zu erwartende Zunahme des Flugverkehrs durch den Ausbau des Flughafens zum Gesamtflughafen Berlin die Grenze der üblichen Lärmstörung übersteige. Allein aus dem zukünftig erwarteten Ansteigen des Fluglärms könne nicht auf einen derzeit beachtlichen Mangel der Wohnung geschlossen werden.
Urteilstext
Gründe:
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO Bezug genommen. Von der Darstellung des Tatbestandes wird im Übrigen gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II.
1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthaft und die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer ist erreicht. Die Form- und Fristvorschriften der §§ 517, 519 und 520 ZPO sind erfüllt.
Die im Wege der Berufung erfolgte Klageerweiterung ist nach § 533 ZPO zulässig.
Die Sachdienlichkeit ist zu bejahen, da die Erweiterung der Klage auf die weiteren Mietzahlungen zur Erledigung des Streitstoffes führt. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann sie nicht mit der Begründung verneint werden, durch die Zulassung der Klageerweiterung würde eine Tatsacheninstanz verloren gehen. Aus dem Umstand, dass nach § 533 ZPO eine Klageänderung im zweiten Rechtszug als sachdienlich zugelassen werden kann, folgt, dass das Gesetz im Interesse der Prozesswirtschaftlichkeit den Verlust einer Tatsacheninstanz in Kauf nimmt (vgl. BGH NJW 1984,1522, 1555; Musielak /Ball, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 533 Rn. 5).
Die Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO sind ebenfalls erfüllt, da die Klägerin die Klageerweiterung auf dieselben Mängel stützt.
2. Die Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.
Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Mieten gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB zu.
Das Amtsgericht geht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass die Klägerin wegen des von dem Flughafen Schönefeld ausgehenden Lärms nicht zur Minderung gemäß § 536 Abs. 1 BGB berechtigt war.
Selbst wenn unterstellt wird, dass entsprechend dem Vortrag der Beklagten in ihrer Wohnung in störender Weise Fluglärm zu hören war, handelt es sich dabei nicht um einen zur Minderung berechtigenden Mangel.
Ein Mangel ist zu bejahen, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache von demjenigen, der vertraglich vereinbart wurde beziehungsweise vorausgesetzt nachteilig abweicht. Maßgeblich ist, ob die Störung nach den bei Vertragsabschluss ersichtlichen Umständen als vertraglich vorausgesetzt gelten kann. Aus dem Grundgedanken des § 536 b BGB, nach dem eine Minderung ausgeschlossen ist, wenn der Mieter den Mangel der Mietsache bei Abschluss des Mietvertrages kennt, ergibt sich, dass der Mieter nicht berechtigt ist, den Mietzins herabzusetzen, wenn die Beeinträchtigung zwar erst im Laufe der Mietzeit eintritt, der Mieter jedoch bereits bei Abschluss des Mietvertrages mit dem Eintritt der Störung rechnen musste (vgl. OLG München, Urteil vom 26.03.1993 – 21 U 6002/92 – NJW-RR 1994, 654).
Vorliegend musste die Klägerin bereits aufgrund der Lage ihrer Wohnung in der Gegend des bei Vertragsabschluss schon vorhandenen Flughafens Schönefeld mit Fluglärm rechnen.
Bei einer Wohnung, die in der Nähe eines betriebenen Flughafens gelegen ist, ist grundsätzlich mit Fluglärm zu rechnen und es entspricht nicht dem Willen der Parteien und der Verkehrssitte, darin einen Fehler der Mietsache zu sehen, der zu einer Minderung berechtigt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sich der Flughafen im Gebiet der damals noch existierenden DDR befindet und mithin dort zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses weit weniger Flugverkehr zu verzeichnen war. Die Klägerin konnte nicht darauf vertrauen, dass es bei dem geringen Flugverkehr bleibt. Sie musste sowohl mit einer dauerhaften Zunahme des Luftverkehrs als auch mit dem Ausbau am vorhandenen Standort und der damit einhergehenden weiteren Zunahme des Fluglärmpegels rechnen.
Ein Mieter kann grundsätzlich ohnehin nicht davon ausgehen, dass der zur Zeit des Vertragsschlusses bestehende Zustand für die gesamte Dauer des auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrags unverändert bestehend bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2012 – VIII ZR 152/12 – zitiert nach juris).
Im vorliegenden Einzelfall kommt darüber hinaus hinzu, dass der Mietvertrag bereits Ende 1968 geschlossen wurde, mithin zu einem Zeitpunkt, in dem in der Bundesrepublik Deutschland gerade nicht von dem dauerhaften Bestand der politischen Verhältnisse ausgegangen wurde. Vielmehr war sieben Jahre nach dem Mauerbau aufgrund der besonderen politischen Lage in Berlin zunächst noch die Einschätzung vorherrschend, bei der Berliner Mauer handele es sich nur um eine vorübergehende Maßnahme, und es wurde die zeitlich absehbare Grenzöffnung für durchaus wahrscheinlich gehalten, wenn nicht sogar erwartet. Auch angesichts dessen musste die Klägerin damit rechnen, dass es nach der Grenzöffnung entsprechend der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung in der Großstadt Berlin zur stetigen Zunahme des Flugverkehrs kommt und eine Lärmsteigerung redlicherweise hinnehmen (vgl. auch AG Neukölln, Urt. v. 6.6.2007 -19 C 105/07- zitiert nach juris, wo bei Anmietung im Jahre 1972 der nach Grenzöffnung 1989 zugenommene Straßenverkehrslärm nicht als Mietmangel angesehen wurde; siehe auch LG Berlin, Urteil vom 29.01.1981 – 62 S 191/80 – BeckRS 2010,09717 zu verstärktem Flugverkehr am Flughafen Tegel; vgl. auch BGH, a.a.O., zu Verkehrslärm und Minderung).
Es ist nicht ersichtlich, dass vorliegend die üblichen Grenzen der zu erwartenden Lärmstörung überschritten werden. Die Klägerin wohnt in der Großstadt Berlin, in der nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des allgemeinen Lebensrisikos ohnehin mit Lärmbelastungen, jedenfalls in Flughafennähe mit stärkerem, im Laufe der Zeit zunehmendem Fluglärm zu rechnen ist.
Es kann dahinstehen, ob die zu erwartenden Zunahme des Flugverkehrs durch den Ausbau des Flughafens zum Gesamtflughafen Berlin die Grenze der üblichen Lärmstörung übersteigt. Allein aus dem zukünftig erwarteten Ansteigen des Fluglärms kann nicht auf einen derzeit beachtlichen Mangel der Wohnung geschlossen werden.
Die Klägerin kann einen Mangel schließlich nicht daraus herleiten, die Fenster würden nicht den gegenwärtigen Schallschutzbestimmungen entsprechen.
Aufgrund ihres Mietvertrages aus dem Jahre 1968 besteht kein Anspruch auf Einhaltung des heute geltenden Schallschutzes, da es grundsätzlich auf den Maßstab ankommt, der bei der Errichtung des Gebäudes galt (vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmidt, Mietrecht, 10. Aufl. 2011, § 536 BGB Rdnr. 20, 28 m.w.N). Dieser allgemein anerkannte Grundsatz wird dadurch bestätigt, dass der Vermieter nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Rahmen seiner Gebrauchsgewährungspflicht ohnehin nicht zu einer laufenden Modernisierung verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.1010 – VIII ZR 343/08 zitiert nach juris).
Auch daraus ergibt sich, dass die Klägerin nach dem unstreitig erfolgten Einbau von Schallschutzfenstern im Jahre 2008 einen darüber hinausgehenden Standard nicht beanspruchen kann.
Da somit bereits kein Mangels der Mietsache vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob der Fluglärmpegel so erheblich ist, daß er die Tauglichkeit des Wohnraums mindert.
Aus obigen Gründen ist auch der weiterhin geltend gemachte Mangelbeseitigungsanspruch gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB ebensowenig wie die zulässige Feststellungsklagen (§ 256 ZPO) begründet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
IV.
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
06.07.2017