Leitsätze:
a) Zu den Voraussetzungen einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung in Bezug auf die Mietsache (im Anschluss an BGH, Urteil vom 23. September 2009 – VIII ZR 300/08, NJW 2010, 1133).
b) Fehlt es an einer Beschaffenheitsvereinbarung, bestimmt sich der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand der Mietsache nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben.
c) Eine vorübergehende erhöhte Verkehrslärmbelastung aufgrund von Straßenbauarbeiten stellt unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer jedenfalls dann, wenn sie sich innerhalb der in Innenstadtlagen üblichen Grenzen hält, keinen zur Minderung berechtigenden Mangel der vermieteten Wohnung dar.
BGH vom 19.12.2012 – VIII ZR 152/12 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 8 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Mieter bewohnten seit 2004 eine Wohnung in der Schlossallee in Pankow. Von Juni 2009 bis November 2010 wurde der stadteinwärts fahrende Verkehr über die Schlossallee umgeleitet, weil auf der gesamten Länge der Pasewalker Straße, über welche der Verkehr bis dahin gelaufen war, umfangreiche Straßenbauarbeiten durchgeführt wurden. Die Mieter minderten wegen der hierdurch gestiegenen Lärmbelastung die Miete ab Oktober 2009. Der Vermieter hielt die Minderung für unberechtigt und klagte ausstehende Mieten ein. Der BGH gab ihm Recht.
Nach Ansicht des BGH reiche es für die Annahme einer stillschweigend geschlossenen Beschaffenheitsvereinbarung nicht aus, dass der Mieter bei Vertragsabschluss die verhältnismäßig geringe Belastung durch Verkehrslärm als vorteilhaft wahrnimmt und er sich (möglicherweise) auch deswegen zur Anmietung der Wohnung entscheidet. Erforderlich sei vielmehr, dass der Vermieter erkennt oder erkennen musste, dass der Mieter die vorhandene geringe Lärmbelastung als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Zustand der Wohnung ansieht, und dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert.
Im vorliegenden Fall gab es keine Anhaltspunkte für eine von den Mietvertragsparteien getroffene Beschaffenheitsvereinbarung. Deshalb sei – so der BGH – für die Bestimmung des vertragsgemäßen Zustands der Wohnung im Streitfall die Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben maßgebend. Danach stelle sich hier die vorübergehende Erhöhung der Lärmbelastung nicht als ein zur Minderung berechtigender Mangel der Wohnung dar. Denn die vom Mieter vorgetragenen Lärmwerte stellten nach den Feststellungen der Vorinstanzen nach den im Berliner Mietspiegel 2009 ausgewiesenen Werten keine hohe Belastung dar. Aus diesem Grund habe der Mieter die erhöhte Lärmbelastung redlicherweise hinzunehmen.
08.05.2017