Leitsätze:
1. Der Ausfall der Wasserversorgung rechtfertigt eine Minderung von 20 %, der Ausfall der Gasversorgung, soweit davon der Betrieb eines Herdes betroffen ist, ebenfalls eine Minderung von 10 % und der Ausfall der Heizung in den Heizmonaten eine Minderung von wenigstens 70 %.
2. Der Vermieter ist auch bei Bestehen einer vorhandenen Instandsetzungs- und Modernisierungsankündigung nicht berechtigt, den Mieter durch Unterbrechung der Gas- und Wasserversorgung vor vollendete Tatsachen zu stellen. Seine Duldungsansprüche muss er notfalls unter Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe durchsetzen. Die Berufung auf diese Ansprüche gegenüber den Besitzschutzansprüchen des Mieters ist ihm gemäß § 863 BGB verwehrt.
LG Berlin, Beschluss vom 18.8.02 – 67 T 70/02 –
Mitgeteilt von RA Norbert Wilke
Urteilstext
Gründe:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 26.6.2002 gegen die Kostenentscheidung in dem ihr am 12.6.2002 zugestellten Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Mitte ist gemäß §99 Abs. 2, § 567 Abs. 1 und Abs. 2, § 569 ZPO zulässig, hat jedoch keinen Erfolg.
Es ist zwar richtig, dass ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO immer noch gegeben sein kann, wenn der Beklagte nach Einlegung des Einspruchs gegen ein im ersten Termin gegen ihn ergangenes Versäumnisurteil den Anspruch im Einspruchstermin anerkennt, wie dies hier im Termin am 7.6. 2002 geschehen ist, nachdem die Beklagte gegen das am 11.1.2002 verkündete Versäumnisurteil Einspruch eingelegt und in der Einspruchsschrift den Anspruch anerkannt hat. Denn durch den Einspruch wird der Rechtsstreit gemäß § 342 ZPO in den Zustand zurückversetzt, in dem er sich vor dem Eintritt der Versäumnis befand (Baumbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 93 Rdnr. 102 m.w.N.).
Jedoch trägt die unterlegene Partei gemäß §§ 91, 93 ZPO die Kosten gleichwohl, wenn sie Anlass zur Erhebung der Klage gegeben hat. Dies war hier der Fall. Die Klägerin hatte die Beklagte darauf in Anspruch genommen, ihr in ihrer Wohnung Wasser in der Küche an den Zapfstellen am Ausguss, am Waschmaschinenanschluss und im Bad am Handwaschbecken sowie Gas für die Gasetagenheizung und den Gasherd zur Verfügung zu stellen. Es war unstreitig, dass die Beklagte am 12.3.2001 sowohl die Gas- als auch die Wasserversorgung unterbrochen hatte. Dies stellte eine Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht im Sinne der §§ 858, 862 BGB dar. In diesem Zusammenhang konnte sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass sie zur Vornahme dieser Maßnahmen gemäß § 541 a und § 541 b BGB a.F. berechtigt war. Sie hatte zwar mit Schreiben vom 30.8.2000 die Vornahme von verschiedenen Modernisierungsmaßnahmen angekündigt, gleichzeitig aber mitgeteilt, dass sie vor dem Beginn der Maßnahmen mit jedem Mieter eine individuelle Modernisierungsvereinbarung schließen wolle. Zu diesen Maßnahmen sollte unter anderem eine Umstellung der Einzelheizung auf Zentralheizung mit zentraler Warmwasserversorgung gehören. Als Instandsetzungsmaßnahmen sollten die Trinkwassersteigeleitungen und die Abwasserfallstränge durch neue Leitungen ersetzt werden. Die Arbeiten sollten in dem Zeitraum vom 5.3. 2001 bis zum 14.4.2001 stattfinden. Die Beklagte hatte schließlich mit Schreiben vom 20.2.2001 der Klägerin den Abschluss der angekündigten Modernisierungsvereinbarung angeboten. Gegenstand dieser Vereinbarung sollten unter anderem auch die Umstellung der vorhandenen Gasetagenheizung auf Zentralheizung mit Warmwasserversorgung und der „erstmalige Einbau eines Installationsschachtes in Küche und/oder Bad“ sein. Zu einem Vertragsschluss kam es nicht. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die Beklagte berechtigt war, auf ihre mit Schreiben vom 30.8.2000 näher umschriebenen Ansprüche auf Duldung von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen ohne weiteres zurückzugreifen, nachdem es nicht zum Abschluss der von ihr selbst gewünschten Vereinbarung gekommen war, oder ob sie nicht eine erneute Modernisierungs- und Instandsetzungsankündigung der Beklagten hätte zustellen müssen, um ihre Ansprüche aus § 541 a und 541 b BGB a.F. durchzusetzen. Denn sie war jedenfalls nicht berechtigt, die Klägerin durch Unterbrechung der Gas- und der Wasserversorgung vor vollendete Tatsachen zu stellen. Ihre Duldungsansprüche hätte sie notfalls unter Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe durchsetzen müssen. Die Berufung auf diese Ansprüche gegenüber den Besitzschutzansprüchen der Klägerin ist ihr gemäß § 863 BGB verwehrt. Dieser Gesichtspunkt hat Auswirkung auf die Frage der Veranlassung zur Erhebung der Klage. Die Klägerin hatte mit Schreiben des Mieterbundes vom 14.3.2001 die Beklagte auffordern lassen, die Wasser- und Gasversorgung bis spätestens 16.3.2001 wiederherzustellen. Dieser Aufforderung ist die Beklagte nicht nachgekommen. Vielmehr hatte sie mit Schreiben vom 15.3.2001 darauf hingewiesen, dass der Klägerin der Ausfall der Gas- und Wasserversorgung rechtzeitig mitgeteilt worden sei, und ihr destruktives Verhalten vorgeworfen. Als Verhalten in diesem Sinne hatte die Beklagte, wie ihrem Schreiben vom 13.3.2001 zu entnehmen ist, die Tatsache gewertet, dass die Klägerin ihr nicht den Zutritt zur ihrer Wohnung gewährt hat, um die Erneuerung der „Be- und Entwässerungsleitungen als auch der in Ihrer Mietfläche befindlichen Heizungsanlage (Gasetagenheizung)“ als „reine Instandsetzungsmaßnahmen“ zu ermöglichen. Die Beklagte hat Anlass zur Erhebung der Klage im Sinne des § 93 ZPO gegeben, indem sie auf das Schreiben vom 14.3.2001 nicht das getan hat, was sie hätte tun müssen, um den Besitzschutzanspruch aus § 862 BGB zu erfüllen, nämlich die Unterbrechung der Gasversorgung und der Wasserversorgung an den Stellen des Hauses außerhalb der Wohnung der Klägerin rückgängig zu machen, wo sie die Demontage der Gas- und Wasserleitungen hat vornehmen lassen. Die Ankündigung einer Erfüllungsmaßnahme stellt es nicht dar, wenn sie von der Klägerin anlässlich der Unterbrechung der Wasserversorgung sogleich die Duldung der Errichtung eines Schachtes für Be- und Entwässerungsleitungen sowie anlässlich der Unterbrechung der Gasversorgung den Austausch der vorhandenen Gasetagenheizung gegen eine Zentralheizung verlangt. Denn es war wiederum der Punkt erreicht, dass die Beklagte versucht hat, im Wege der Vornahme von Instandsetzungsmaßnahmen Handlungen innerhalb der Wohnung der Klägerin vorzunehmen, die über eine reine Beseitigung der Besitzstörung hinausgingen, sondern eine Veränderung der Mietsache darstellten, wie dies beim Einbau eines Installationsschachtes und der Veränderung der Heizungsanlage offensichtlich ist. Ob der Beklagten Duldungsansprüche hinsichtlich aller Maßnahmen zustanden – was insbesondere für die Qualifizierung der Veränderung der Heizungsanlage als Instandsetzungsmaßnahme zweifelhaft ist, weil deren Instandsetzungsbedürftigkeit nicht ohne weiteres ersichtlich ist – kann dahinstehen, denn die Beklagte konnte sich auf solche Ansprüche gegenüber den Besitzschutzansprüchen der Klägerin nicht berufen, § 863 BGB.
Die Festsetzung des Streitwertes für den ersten Rechtszug beruht auf § 3 ZPO, § 25 Abs. 2 GKG. Der Streitwert für die Klage errechnet sich anhand der gegenwärtigen Nettomiete von 304,79 DM. Bei einer Klage auf Mangelbeseitigung richtet sich der Streitwert grundsätzlich in analoger Anwendung von § 9 ZPO nach dem 42-fachen Betrag einer möglichen Minderung des Mietzinses. Der Ausfall der Wasserversorgung rechtfertigt eine Minderung von 20 %, der Ausfall der Gasversorgung, soweit davon der Betrieb eines Herdes betroffen ist, ebenfalls eine Minderung von 10 % und der Ausfall der Heizung in den Heizmonaten eine Minderung von wenigstens 70%, wobei zu berücksichtigen ist, dass das Absinken der Wohnraumtemperatur in den Heizmonaten durchaus unterschiedlich ausfallen kann. Auf weitere Überlegungen kann hier verzichtet werden, weil der Ausfall der Heizung im Zusammenwirken mit den sonstigen Mängeln auf jeden Fall eine Minderung von 100 % in den Heizmonaten rechtfertigt. Auf den Zeitraum von 42 Monaten entfallen 24,5 Heizmonate, was zu folgender Minderung führt: 304,79 DM x 24,5 = 7467,36 DM. Für die restlichen 17,5 Monate kommt nur die Minderung von 30 % in Betracht: 304,79 DM x 30 % x 17,50 Monate = 1600,15 DM. Insgesamt ergibt sich damit ein Streitwert von 9067,51 DM = 4636,14 Euro. …
Anmerkung der Redaktion:
Die in der Entscheidung zitierten Paragraphen entsprechen der bis zum 31.8.2001 geltenden Rechtslage.
02.01.2018