Leitsatz:
Der Vermieter muss bei einem Vollwartungsvertrag für den Aufzug darlegen, wie hoch der umlagefähige Lohn- und Materialanteil des Vollunterhaltungsvertrages tatsächlich ist. Anderenfalls wird die Abrechnung insoweit nicht fällig.
LG Berlin, Urteil vom 20.9.93 – 67 S 109/93 –
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Die Klägerin kann von den Beklagten insgesamt 956,14 DM an rückständigem Mietzins für die von diesen im Hause … innegehaltene, im Sozialen Wohnungsbau errichtete Wohnung verlangen.
Jedoch steht der Klägerin zurzeit kein fälliger Anspruch aus der Abrechnung vom 9.7.1991 über die Kosten des in dem Haus befindlichen Aufzuges zu. …
… Bedenken erweckt die Tatsache, dass die Klägerin Wartungskosten in der Gesamthöhe von 5693,34 DM in Ansatz gebracht hat. Dieser Betrag ergibt sich aus einer Rechnung der Firma O… GmbH vom 11.12.1989 über 5280,48 DM und einer weiteren Rechnung vom 2.10.1990 über 412,86 DM. Mit diesen beiden Rechnungen sollen insgesamt 80 Prozent der Leistungen vergütet werden, die die Firma O… GmbH nach Maßgabe eines Vertrages über einen „Vollunterhaltungsdienst“ vom 2.5.1988 zu erbringen hat. Gemäß Ziffer 2 des genannten Vertrages hat die Firma O… die Verpflichtung übernommen, die erforderlichen Arbeiten zur Überprüfung, Nachstellung, Schmierung und Reinigung vorzunehmen. Dabei handelt es sich um Arbeiten, deren Kosten sowohl gemäß Nr. 7 der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. BV als auch nach § 24 Abs. 1 NMV umlagefähig sind. Nach beiden Bestimmungen können u.a. die Kosten der Überwachung und Pflege der Anlage, der regelmäßigen Prüfung ihrer Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit einschließlich der Einstellung durch einen Fachmann sowie die Kosten der Reinigung der Anlage umgelegt werden.
Neben den genannten Arbeiten bezieht sich der Vollunterhaltungsvertrag aber auch auf die Instandsetzung und Auswechslung folgender Teile des Fahrstuhls: Maschinen-, Motor-, Generator- und Kontrollerteile einschließlich Schneckenwelle, Schneckenrad, Kugel-, Rollen- und Gleitlager, Bremsbelege, Bürsten, Wicklungen, Kollektor, Läufer, Kontakte, Spulen, Steuerungs- und Anlasswiderstände, elektronische Schaltkreise und andere bewegliche Teile sowie Signallampen, Glühlampen und Leuchtstoffröhren für die Kabinenbeleuchtung. Weiterhin unterliegen gegebenenfalls der Erneuerung: die Einlagen der Führungsschuhe, die Führungsrollen (Nr. 3 des Vertrages), die Seile und die Treibscheibe sowie die Hängekabel (Nr. 4). Bei den letztgenannten Arbeiten handelt es sich eindeutig um Reparaturarbeiten, die nicht mehr zu den umlagefähigen Betriebskosten gehören. In welchem Umfang bei der Kalkulation des Vertragspreises die gegebenenfalls anfallenden Reparaturmaßnahmen berücksichtigt worden sind, ist dem Vertrag nicht zu entnehmen. Aufschluss hierüber ergibt sich nicht aus der Regelung zu Nr. 15 des Vertrages, wonach von dem Vertragspreis 20 Prozent auf den Materialanteil und 80 Prozent auf den Lohnanteil entfallen sollen. Denn in dem Lohnanteil sind selbstverständlich auch die anteiligen Lohnkosten für eventuell anfallende Reparaturmaßnahmen enthalten. Die Kammer sieht sich nicht in der Lage zu bestimmen, wie hoch der eigentliche Lohn- und Materialanteil (zum Beispiel Schmier- und Reinigungsmittel, Bremsbeläge und Bürsten) zu schätzen ist, der nach Maßgabe der oben stehenden Ausführungen umlagefähig ist. Der Kammer ist aus einem Parallelprozess der Klägerin, der dieselbe Wohnanlage betrifft, bekannt, dass die Firma O… GmbH auch Wartungsverträge mit einem geringeren Leistungsumfang anbietet. Gegebenenfalls kann die Klägerin ihre umlagefähigen Betriebskosten nur nach Maßgabe eines solchen fiktiven Wartungsvertrages ermitteln. Klarstellend sei bemerkt, dass es der Klägerin selbstverständlich unbenommen ist, einen Wartungsvertrag wie den vorliegenden abzuschließen. Sie ist lediglich gehindert, 80 Prozent der Kosten dieses Wartungsvertrages in die Umlageabrechnung einfließen zu lassen. …
Anmerkung:
Vollwartungsverträge für Aufzüge – Instandsetzung abziehen
Von Frank Maciejewski
Die Betriebskosten für den Aufzug liegen derzeit je nach Höhe des Hauses und Größe der Wohnanlage zwischen 0,12 und 0,77 Euro pro Quadratmeter im Monat. Im Berliner Durchschnitt macht diese Betriebskostenposition 0,22 Euro pro Quadratmeter monatlich aus. Jedoch sind nicht immer alle geltend gemachten Kostenpositionen mietrechtlich umlegbar. Neuere Urteile haben nun Bewegung in einen alten Streit gebracht.
Zumeist schließt der Hauseigentümer mit einem der bekannten Wartungsunternehmen einen so genannten Vollwartungsvertrag für den Aufzug ab, der selbstverständlich auch nicht umlagefähige Instandsetzungsarbeiten in unterschiedlichem Umfang einschließt. Bei Vollwartungsverträgen läuft deshalb alles auf die Frage hinaus: Wie hoch ist der zutreffende Abzug für Instandsetzungen?
In Berlin wurden früher relativ unkritisch die Kosten der Vollwartungsverträge im Verhältnis 20:80 aufgeteilt. Der Vollwartungsvertrag wird danach mit 20 Prozent als Pauschalvergütung für Instandhaltungskosten und mit 80 Prozent als Pauschalvergütung für umlagefähige Wartungskosten angesetzt (vgl. LG Berlin GE 82, 778; LG Berlin GE 87, 89; LG Berlin GE 87, 827; LG Berlin GE 88, 523; LG Berlin GE 90, 655). Mietrechtlich führt diese Sichtweise jedoch meist zu falschen Ergebnissen: Zunächst mag man die Richtigkeit des Abzuges von lediglich 20 Prozent für Instandsetzungskosten schon deshalb für fraglich halten, weil ein Großteil der Rechtsprechung höhere Abzüge vornimmt:
- 25 Prozent: LG Berlin GE 86, 1121
- 35 Prozent: LG Berlin GE 88, 463
- 37 Prozent: LG Hamburg GE 01, 992
- 40 Prozent: AG Bruchsal WM 88, 62; LG Aachen DWW 93, 42
- 40 Prozent bis 50 Prozent: AG Köln ZMR 94, IV<
- 50 Prozent: AG München WM 78, 87; AG Rheinbach WM 88, 221; LG Essen WM 91, 702
Gleichwohl ist vor pauschalen Ansätzen zu warnen. Der zutreffende Verteilungsschlüssel ist jeweils im konkreten Einzelfall zu ermitteln (LG Berlin GE 88, 463).
Der Vermieter ist verpflichtet, eine nachvollziehbare Grundlage für eine Schätzung darzulegen. Er ist darlegungs- und beweispflichtig für den Betriebskostenanteil (LG Essen WM 91, 702).
Fehlt es an einer Schätzungsgrundlage dafür, welcher Anteil der geltend gemachten Kosten auf die Wartung und welcher auf die Instandsetzung entfällt, müssen die gesamten Kosten unberücksichtigt bleiben (vgl. LG Hamburg WM 89, 640; AG Rheinbach WM 88, 221). Das bedeutet, dass die Aufzugskosten so lange nicht fällig sind, wie der Vermieter nicht für den von ihm vorgenommenen Instandsetzungsabzug eine nachvollziehbare Erläuterung gibt. Die Abrechnung ist dann insoweit unwirksam (LG Berlin GE 88, 463; LG Hamburg WM 89, 640; LG Berlin GE 99, 777; LG Berlin GE 02, 931; LG Berlin GE 99, 777).Dies ist für Mieter besonders im Hinblick auf die Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB interessant. Gelingt dem Vermieter das Nachholen einer Erläuterung bis zum Ablauf dieser Frist nicht, kann er die Aufzugskosten nicht mehr geltend machen. Nicht richtig ist die Auffassung, dass im Falle mangelnder Nachvollziehbarkeit der Kostenaufschlüsselung das Gericht einfach einen pauschalen Abzug schätzen darf (vgl. LG Berlin GE 99, 777; a.A. AG Köln ZMR 94, IV).
Gibt der Vermieter eine nachvollziehbare Erklärung, zum Beispiel indem er die Kostenkalkulation des Wartungsunternehmens aufdeckt und sich zu Eigen macht, und kommt er dennoch zu einem Abzug von nur 20 Prozent, kann der Mieter dies gleichwohl substanziiert bestreiten. Um substanziiert bestreiten zu können, muss er allerdings Einblick in den Vollwartungsvertrag beim Vermieter genommen haben (LG Berlin GE 90, 655).
Die auf Grundlage der Kalkulation des Wartungsunternehmens vorgenommene Aufgliederung kann vor allem mit folgenden Argumenten angegriffen werden: Vielfach legen die Wartungsunternehmen die Instandhaltungsbegriffe nach DIN 31051 zu Grunde. Die Norm definiert Wartung, Instandhaltung und Instandsetzung, weicht aber vom mietrechtlichen Instandsetzungsbegriff ab, da die Instandsetzung nur auf die Reparatur größerer Anlagenteile bezogen wird. Auf dieser Basis wird der Instandsetzungsanteil dann lediglich mit 20 Prozent veranschlagt. Dass unter den betriebskostenrechtlichen Instandsetzungsbegriff auch kleinere Reparaturen fallen, bleibt unberücksichtigt.
Daneben werden meist 10 Prozent der Gesamtkosten des Wartungsvertrages für „Störungsbeseitigung“ kalkuliert. Aufwendungen für die Störungsbeseitigung sind jedoch nicht als Betriebkosten umlagefähig, denn diese gehen über diejenigen für bloße Wartung hinaus (AG München WM 78, 87; AG Bruchsal WM 88, 62; LG Berlin GE 88, 463; LG Hamburg GE 01, 992; LG Berlin GE 02, 931; a.A. noch LG Berlin GE 87, 827).
Des Weiteren werden in der Regel für den Ersatz von Kleinteilen 5 Prozent der Gesamtkosten des Wartungsvertrages veranschlagt. Auch dies sind Instandsetzungskosten, die nicht unter die umlagefähigen Betriebskosten fallen (AG Bruchsal WM 88, 62; LG Berlin GE 02, 931; a.A. noch LG Berlin GE 87, 827). Es gibt einen Unterschied zwischen typischen Wartungsarbeiten wie dem Ersatz von Schmier- und Reinigungsstoffen einerseits und dem Auswechseln kleinerer Ersatzteile andererseits (LG Berlin GE 88, 463).
Ergebnis: Die Position „Wartungskosten für den Aufzug“ innerhalb der Betriebskostenabrechnung wird so lange nicht fällig, wie der Vermieter nicht substanziiert darlegt, welche typischen Instandsetzungsarbeiten (mit welchem Anteil) in dem Vollwartungsvertrag enthalten und abgezogen sind. Bezieht sich der Vermieter zur Darlegung auf die Kalkulation der Wartungsfirma, sind auch die Kosten für Störungsdienst und Kleinteile als Instandsetzungskosten abzuziehen. Bei ordnungsgemäßer Darlegung durch den Vermieter wird bei den in Berlin üblicherweise verwendeten Standard-Kalkulationen insgesamt mit einem Abzug von 35 Prozent für nicht umlegbare Instandsetzungskosten zu rechnen sein.
04.01.2018