Leitsätze:
1.Der Gegenstandswert für einen Mietaufhebungsvertrag bemisst sich gemäß § 8 Abs. 2 BRAGO i.V.m. § 25 KostO nach dem dreifachen Jahresbetrag der Miete. Weitere Vereinbarungen (Entschädigungen, Schönheitsreparaturen) werden zum Gegenstandswert hinzugerechnet. Die Vergleichsgebühr ist aus dem gesamten Gegenstandswert zu berechnen.
2. Der Rechtsanwalt kann eingehende Fremdgeldbeträge mit Gebührenforderungen aufrechnen.
3. Den Rechtsanwalt trifft keine Aufklärungspflicht im Hinblick auf das Kostenrisiko.
4. Das Vorhandensein einer Rechtschutzversicherung lässt nicht darauf schließen, dass das Mandat von einer Kostendeckungszusage abhängig gemacht wird.
AG Charlottenburg, Urteil vom 9.4.03 – 202 C 541/02 –
Mitgeteilt von G. Baumgärtel, Bürovorsteherin im RA- und Notarfach
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Kläger nehmen die Beklagten auf Auszahlung eines Restbetrages einer Entschädigungszahlung in Anspruch, die die Beklagten in ihrer Eigenschaft als Rechtsanwälte für die Kläger in Empfang nahmen.
Die Kläger beauftragten die Beklagten im September 2001 mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen in einer Auseinandersetzung mit deren Vermieterin, der S… GmbH. Anlass für die Beauftragung der Beklagten war ein Wasserschaden, der die Mietwohnung der Kläger unbewohnbar machte. Die Kläger begehrten zunächst Ersatz für entstandene Sachschäden, eine Übergangswohnung und die vollständige Instandsetzung ihrer Wohnung. In der Folgezeit verschlechterte sich das Verhältnis zur Vermieterin und die Instandsetzung der Wohnung verzögerte sich. Die Kläger wollten deshalb nicht länger am Mietvertrag festhalten. Der Beklagte zu 1) verhandelte daraufhin mit der Vermieterin über eine Mietaufhebung. Anfang Juni 2002 wurde ein Mietaufhebungsvertrag mit der S… GmbH geschlossen, in dem diese sich u.a. verpflichtete, an die Kläger eine Entschädigungszahlung in Höhe von 10000,- Euro zu zahlen. Dieser Betrag wurde vereinbarungsgemäß auf das Konto der Beklagten überwiesen. Diese kehrten hiervon einen Teilbetrag von 6500,- Euro an die Kläger aus und behielten 3500,- Euro zur Verrechnung mit ihrer Gebührenforderung ein.
Die Kläger sind bei der A… Rechtschutzversicherungs AG rechtschutzversichert. Hierauf hatten sie die Beklagten zu Beginn des Mandatsverhältnisses hingewiesen. Der Beklagte zu 1) forderte am 24.9.2001 die Kostendeckungszusage der Rechtschutzversicherung ein.
Am 25.7.2002 rechneten die Beklagten ihre Gebühren aus einem Gegenstandswert von 117081,13 Euro ab. Hiernach ergab sich eine Gebührenforderung von 6616,01 Euro. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kostennote Bezug genommen. Die Rechtschutzversicherung leistete zunächst Zahlungen von 3140,75 Euro. Es verblieb eine offene Gebührenforderung von 3475,26 Euro, welche die Beklagten mit der einbehaltenen Entschädigungszahlung verrechneten. Die Rechtschutzversicherung der Kläger wies darauf hin, dass sie die Anwaltsgebühren für den Aufhebungsvertrag mit der Entschädigungszahlung nicht erstatten werde, weil insoweit ein Versicherungsfall nicht eingetreten sei. Vergleichsweise zahlte sie noch einen Betrag von 1515,25 Euro. Diesen Betrag leiteten die Beklagten an die Kläger weiter. Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Auszahlung des Restbetrages der Entschädigungssumme in Höhe von 1984,75 Euro (3500,- Euro abzüglich 1515,25 Euro).
Die Kläger vertreten die Auffassung, den Beklagten stehe ein Honoraranspruch in dieser Höhe nicht zu. Die Beklagten seien von einem zu hohen Gegenstandswert ausgegangen. Darüber hinaus stünde ihnen ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zu, der auf Freistellung von der Gebührenforderung gerichtet ist. Sie meinen, die Beklagten hätten eine Pflichtverletzung begangen, indem sie die Kläger nicht darüber aufklärten, dass bei einem Aushandeln eines Mietaufhebungsvertrages mit Abfindungszahlung weitere Gebühren anfallen, die nicht von der Rechtschutzversicherung übernommen werden.
Die Kläger beantragen, die Beklagten zu verurteilen, an die Kläger 1984,75 Euro nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszins seit dem 17.9.2002 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten machen geltend, die Verhandlungen mit der Rechtschutzversicherung hätten sie im Rahmen eines allgemeinen Services durchgeführt, wofür sie den Klägern auch keine besonderen Kosten in Rechnung stellen. Eine besondere Aufklärungspflicht treffe sie hieraus nicht. Darüber hinaus behaupten die Beklagten, sie hätten die Kläger schon im Oktober 2001 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass gesonderte Gebühren für die Verhandlung und den Abschluss eines Mietaufhebungsvertrages entstehen werden und von den Klägern selbst zu tragen seien. …
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist nur zum Teil erfolgreich.
Die Kläger haben gegen die Beklagten Anspruch auf Zahlung von 458,44 Euro aus §§ 667, 665 BGB. Die Beklagten haben im Rahmen ihrer Mandatierung den vereinbarten Abfindungsbetrag in Höhe von 10000,- Euro von der damaligen Vermieterin der Kläger erhalten. Neben den bisher ausgekehrten 6500,- Euro haben die Beklagten weitere 458,44 Euro an die Kläger herauszugeben. Gegenüber den einbehaltenen 3500,- Euro konnten die Beklagten in Höhe von 3041,56 Euro erfolgreich mit einem restlichen Gebührenanspruch aufrechnen, § 389 BGB. Diese Aufrechnung greift durch, weil den Klägern Ansprüche wegen einer PVV des Anwaltsvertrages nicht zustehen.
Die Beklagten haben einen Gebührenanspruch in Höhe von 6182,31 Euro. Die anwaltlichen Gebühren bemessen sich aus einem Gegenstandswert von 117081,13 Euro. Nach § 7 Abs. 1 BRAGO berechnen sich die Gebühren nach dem Wert, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert). Die Werte mehrerer Gegenstände derselben Angelegenheit werden zusammengerechnet (§ 7 Abs. 2 BRAGO). Im Einzelnen setzt sich der Gegenstandswert folgendermaßen zusammen:
a) bezifferte Schäden (45000,00 DM): 23008,13 Euro
b) Lagerkosten: 311,46 Euro
c) Instandsetzung der Wohnung: 42948,52 Euro.
Gegenstand des Mandats war die vollständige Instandsetzung der durch den Wasserschaden unbewohnbar gewordenen Wohnung. Es ging nicht um die Geltendmachung von Mietminderungsbeträgen, sondern um die Wiederherstellung des vertragsgemäßen Gebrauchs. Für Instandsetzungsklagen sind nach der ganz überwiegenden Auffassung der Berliner Mietberufungskammern (ZK 65 GE 2002, 191; ZK 63 GE 2002, 192; ZK 67 GE 2002, 733; KG GE 2002, 930) sowie der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts für den Streitwert der 3 1/2-fache Jahresbetrag der fiktiven Minderung anzusetzen. Bei einer Minderungsquote von vorliegend 100 Prozent ergibt dies 84000,00 DM = 42948,52 Euro.
d) Mietaufhebungsvereinbarung: 50813,02 Euro
Gegenstandswert: 117081,13 Euro
Die Wertberechnung hierfür richtet sich nach § 8 Abs. 2 BRAGO in Verbindung mit § 25 Abs. 1 KostO. Der Abschluss einer Mietaufhebungsvereinbarung kann nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein, weswegen sich die Wertbemessung nicht nach § 8 Abs. 1 BRAGO in Verbindung mit §§ 3 ZPO und 16 GKG richtet. Nach § 25 Abs. 1 KostO ist hierfür der 3-fache Jahresbetrag des Mietzinses anzusetzen, dies sind 36 x 2000,00 DM = 72000,00 DM = 36813,02 Euro. Auch die Positionen Entschädigungssumme von 10000,- Euro sowie der Verzicht auf Schönheitsreparaturen (4000,- Euro) sind in die Berechnung des Gegenstandswerts einzubeziehen. Beide Positionen waren in dem Mietaufhebungsvertrag mit geregelt worden (AG Charlottenburg JurBüro 2001, Seite 86).
Aus diesem Gegenstandswert stehen den Beklagten eine 13/10-Geschäftsgebühr gemäß §§ 11, 118 Abs. 1 Ziffer 1 BRAGO und die 15/10-Vergleichsgebühr gemäß §§ 11, 23 BRAGO zu. Die Höhe der Besprechungsgebühr nach § 118 Abs. 1 Ziffer 2 BRAGO ist jedoch nur mit 7,5/10 anzusetzen. Die Beklagten haben nicht dargetan, warum die von ihnen festgesetzte höhere Gebühr von 10/10 gerechtfertigt sein soll. Es obliegt dem jeweiligen Anwalt darzutun, dass und aus welchen Umständen eine höhere Gebühr berechtigt ist. Ausgangspunkt ist nämlich der Mittelwert der Rahmengebühr, die bei § 118 BRAGO bei 7,5/10 liegt. Die Gebührenforderung setzt sich demnach wie folgt zusammen:
Geschäftsgebühr 13/10: 1944,19 Euro
Besprechungsgebühr 7,5/10: 1121,65 Euro
Vergleichsgebühr 15/10: 2243,29 Euro
Post- und Telekommunikationsentgelte § 26 BRAGO: 20,45 Euro
Zwischensumme: 5329,58 Euro
16 % Mehrwertsteuer: 852,73 Euro
Gebührenforderung: 6182,31 Euro
Abzüglich der Zahlung der Rechtschutzversicherung von 3140,75 Euro ergibt sich für die Beklagten ein aufrechenbarer Gebührenanspruch von 3041,56 Euro. Den Differenzbetrag zu 3500,- Euro von 458,44 Euro haben sie an die Kläger noch zu zahlen.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Freistellung von der Gebührenforderung wegen einer positiven Vertragsverletzung durch die Beklagten. Die Beklagten traf keine Pflicht, die Kläger darauf hinzuweisen, dass für ihr Tätigwerden Kosten anfallen können, die von ihrer Rechtschutzversicherung nicht übernommen würden. Die Frage der Kostenerstattung durch eine Rechtschutzversicherung gehört in den Verantwortungsbereich des Versicherungsnehmers, also des Mandanten. Er muss sich in seinem eigenen Interesse selbst vergewissern, inwieweit die Kosten für das anwaltliche Tätigwerden von seiner Rechtschutzversicherung übernommen werden. Den Rechtsanwalt treffen in diesem Zusammenhang keine Aufklärungs-, Hinweis- oder Warnpflichten. Die Deckungsanfrage holt der Rechtsanwalt regelmäßig im eigenen Interesse ein, um seinen Gebührenanspruch wirtschaftlich weitgehend abzusichern. Es wäre nicht sachgerecht, dem Rechtsanwalt hierdurch Aufklärungspflichten zu überbürden. Rechtliche Auskünfte bezogen auf das Rechtschutzversicherungsverhältnis schuldet ein Rechtsanwalt solange nicht, wie er nicht ausdrücklich ein – kostenpflichtiges – Mandat für die Durchsetzung von Ansprüchen gegen die Rechtschutzversicherung erteilt bekommen hat. Zu sachlichen Auskünften wird der Rechtsanwalt schon deshalb nicht in der Lage sein, weil ihm die einzelnen Versicherungsbedingungen in der Regel nicht bekannt sind. Der Hinweis auf eine Rechtschutzversicherung durch einen Mandanten muss von einem Rechtsanwalt auch nicht so verstanden werden, dass dieser ein anwaltliches Tätigwerden nur und ausschließlich im Rahmen des Versicherungsschutzes wünscht. Dies müsste der Mandant klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, etwa indem er darauf hinweist, dass er ein anwaltliches Handeln nicht wünscht und ausdrücklich nicht beauftragt, wenn ihm dadurch selbst Kosten entstehen. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben. …
09.04.2016