Leitsätze:
Ein Zustimmungsverlangen, das unter Bezugnahme auf einen Mietspiegel geltend gemacht wird, entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 558 a BGB und ist unwirksam, wenn das Mietspiegelfeld, dem die Mietwohnung zuzuordnen ist, ein Leerfeld ist.
Die erforderliche Begründung zur Mieterhöhung kann in einem solchen Fall auch nicht durch Bezugnahme auf das „nächstgelegene“ Mietspiegelfeld ersetzt werden.
AG Schöneberg, Urteil vom 19.7.04 – 6 C 194/04 –
Mitgeteilt von RA Axel Tolle
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagten sind Mieter einer Wohnung im Haus G…-Straße in Berlin mit einer Wohnfläche von 90,10 qm. Die Wohnung war bis 1928 bezugsfertig und verfügt nicht über eine Sammelheizung. Die Bruttokaltmiete beträgt 332,34 Euro.
Mit Schreiben vom 4. Dezember 2003 forderte die Klägerin von den Beklagten die Zustimmung zu einer Erhöhung der Bruttokaltmiete von 332,34 auf 398,81 Euro ab dem 1. März 2004 und nahm zur Begründung Bezug auf das Mietspiegelfeld I 3 des Berliner Mietspiegels 2003. … Die Beklagten stimmten nicht zu.
Mit ihrer am 26. April 2004 bei Gericht eingegangenen und den Beklagten am 21. Mai 2004 zugestellten Klage verfolgt die Klägerin ihr Zustimmungsverlangen weiter.
Die Klägerin meint, da das einschlägige Rasterfeld L 3 keine Eintragungen enthält, könne sie das nächstgelegene Rasterfeld des Mietspiegels zur Begründung ihres Erhöhungsverlangens heranziehen, da die Abweichung der Wohnfläche nur marginal sei.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, der Erhöhung der Bruttokaltmiete für die Wohnung G…-Straße in Berlin, 1. Stock rechts, von bisher 332,34 Euro auf nunmehr 398,81 Euro in Höhe von 66,47 Euro mit Wirkung ab 1.3.2004 zuzustimmen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten halten das Erhöhungsverlangen für unwirksam, weil das der Wohnung zuzuordnende Rasterfeld ein Leerfeld ist.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist unzulässig. Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagten aus § 558 Abs. 1 BGB auf Zustimmung zu einer Erhöhung der Bruttokaltmiete auf 398,81 Euro nicht zu, denn die Klage ist vor Ablauf der Klagefrist des § 558 b Abs. 2 BGB erhoben.
Der Ablauf der Klagefrist ist Sachurteilsvoraussetzung. Voraussetzung für deren Einhaltung ist, dass der Zustimmungsklage eine formal wirksame Mieterhöhungserklärung vorangegangen ist, denn nur dadurch wird die Zustimmungsfrist des Mieters nach § 558 b Abs.1 BGB und die sich unmittelbar daran anschließende Klagefrist des § 558 b Abs. 2 BGB ausgelöst. Die Mieterhöhungserklärung vom 4. Dezember 2003 hat die Zustimmungsfrist aber nicht in Gang gesetzt, denn sie ist formal unwirksam. Es fehlt an der gemäß § 558 a Abs. 1 BGB erforderlichen Begründung des Zustimmungsverlangens. Gemäß § 558 a Abs. 2 BGB kann zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens Bezug genommen werden auf einen Mietspiegel, eine Auskunft aus einer Mietdatenbank, ein mit Gründen versehenes Sachverständigengutachten oder die Angabe von mindestens drei Vergleichswohnungen. Die Klägerin hat sich zur Begründung zwar auf den Berliner Mietspiegel 2003, der als qualifizierter Mietspiegel im Sinn von § 558 d BGB anzusehen ist, berufen und das Mietspiegelfeld I 3 angegeben. Das Feld I 3 ist aber für die Wohnung der Beklagten nicht einschlägig, denn es weist die ortsübliche Vergleichsmiete für Wohnungen mit einer Wohnfläche von 60 qm bis 90 qm aus, während die Wohnung der Beklagten eine Wohnfläche von 90,10 qm hat.
Für die Wohnung der Beklagten ist – wie die Klägerin selbst zugesteht – das Rasterfeld L 3 einschlägig, das jedoch keine Einträge aufweist. Ein Zustimmungsverlangen, das unter Bezugnahme auf einen Mietspiegel geltend gemacht wird, das Rasterfeld, dem die Mietwohnung zuzuordnen ist, aber ein Leerfeld ist, entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 558 a BGB. Bei Vorliegen eines Leerfeldes ist dem Mieter die Möglichkeit genommen, sich über die ortsübliche Vergleichsmiete für seine Wohnung zu informieren und diese nachzuprüfen (LG Berlin GE 1990, 311). Die Notwendigkeit, das Erhöhungsverlangen zu rechtfertigen, und die Zustimmungsfrist sollen dem Mieter die Möglichkeit der Information und Nachprüfung geben (BVerfG NJW 1979, 31). Der Mieter soll sich innerhalb der Zustimmungsfrist darüber schlüssig werden, ob das Erhöhungsverlangen begründet ist. Diese Möglichkeit wird ihm genommen, wenn das für seine Wohnung einschlägige Feld des Mietspiegels keine Einträge aufweist, denn in diesem Fall kann der Mieter die ortsübliche Vergleichsmiete dem Mietspiegel gerade nicht entnehmen.
Die erforderliche Begründung kann auch nicht durch die Bezugnahme auf das „nächstgelegene“ Rasterfeld ersetzt werden. Zum einen ist das nächstgelegene Feld, wie auch die Klagebegründung zeigt, nicht ohne weiteres bestimmbar, denn die Klägerin hält sowohl das Feld I 3 als auch das Feld L 4 für vergleichbar. Zum anderen weisen die „nächstgelegenen“ Felder die ortsübliche Vergleichsmiete für Wohnungen aus, die mit der streitgegenständlichen Wohnung gerade nicht vergleichbar sind, weil sie entweder eine andere Größe oder bereits auf Grund ihrer späteren Bezugsfertigkeit eine andere Ausstattung haben. Die ortsübliche Vergleichsmiete müsste daher durch Interpolation der Werte aus nicht einschlägigen Rasterfeldern gewonnen werden. Ein Verfahren, dass dem juristisch nicht vorgebildeten Mieter nicht möglich und abzulehnen ist, weil keine Grundsätze dafür bestehen, in welcher Weise die Berechnung zu erfolgen hat (LG Hamburg ZMR 1981, 120-121).
Auch wenn die für das Feld I 3 maßgebliche Wohnfläche vorliegend nur um 0,11 qm überschritten wird, kommt die Heranziehung dieses Feldes nicht in Betracht. Bei einer Wohnfläche von 89,99 qm handelt es sich um die für das Feld I 3 maximale Wohnfläche, so dass die überwiegende Anzahl der für die Ermittlung der Werte herangezogenen Wohnungen eine geringe Größe hat. Zum anderen handelt es sich bei den im Mietspiegel vorgegebenen qm-Angaben um feststehende Werte. Eine Abweichung hiervon würde – auch im Interesse der Rechtssicherheit für Mieter und Vermieter – voraussetzen, dass eindeutige Regeln existieren, bis zu welcher Abweichung die Einordnung in ein anderes Rasterfeld noch als zulässig erachtet wird, um eine von vornherein feststehende Einordnung zu ermöglichen. Weder bestehen aber derartige Regeln noch ist eine Erforderlichkeit erkennbar, solche aufzustellen. Denn gemäß 558 a Abs. 2 BGB kann ein Erhöhungsverlangen auch mit anderen Mitteln begründet werden. Die Ansicht der Klägerin, sie sei andernfalls verpflichtet, zur Begründung ihres Zustimmungsverlangens ein teures Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben, ist nicht richtig. Nach § 558 a Abs. 2 Nr. 4 BGB genügt es zur Begründung eines Erhöhungsverlangens beispielsweise auch, wenn sich der Vermieter auf entsprechende Entgelte für einzelne vergleichbare Wohnungen beruft, wobei die Angabe von drei Vergleichswohnungen, die auch aus seinem eigenen Bestand stammen können, ausreichend ist. …
10.03.2013