Leitsätze:
1. Ein Mieterhöhungsverlangen gemäß §§ 558 ff. BGB ist formell unwirksam, wenn sich der Vermieter zur Begründung auf den Mietspiegel bezieht, die Wohnung jedoch darin nicht ausgewiesen ist. Die ortsübliche Miete kann auch nicht durch Interpolation, Extrapolation oder Analogieschluss ermittelt werden.
2. Wohnungen mit Außen-WC werden vom Mietspiegel 2003 nicht erfasst.
LG Berlin, Urteil vom 28.10.04 – 67 S 190/04 –
Mitgeteilt von RA Henrik Solf
Urteilstext
Aus den Gründen
… Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete von 107,10 Euro monatlich auf 128,52 Euro monatlich aus § 558 Abs. 1 BGB.
Mit Vertrag vom 16./20. November 1995 mietete die Beklagte von der Bundesrepublik Deutschland die Wohnung in der K.-Allee, Hinterhaus, zweites Obergeschoss links, in Berlin, an. Die Kläger sind nach dem Erwerb des Grundstücks in den Mietvertrag eingetreten.
Mit Schreiben vom 8. Oktober 2003 verlangten die Kläger von der Beklagten die Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete von 107,10 Euro um 21,42 Euro auf 128,52 Euro ab dem 1. Januar 2004. Sie begründen dies mit dem Feld G 3 eines Mietspiegels 2002, dessen Werte 2,70 Euro – 2,87 Euro – 3,09 Euro lauten sollen. Für die vorhandene Außentoilette nahmen die Kläger einen Abschlag von 0,26 Euro vor.
Das Mieterhöhungsverlangen vom 8. Oktober 2003 ist formell unwirksam.
Dabei ist zunächst unbeachtlich, dass im der Beklagten vorliegenden Mieterhöhungsverlangen auf einen „Mietspiegel 2002“ Bezug genommen wird. Da ein solcher nicht existiert, konnte auf Grund des Erstellungsdatums des Mieterhöhungsverlangens ohne Schwierigkeiten geschlossen werden, dass es sich um den Mietspiegel 2003 handeln muss.
Indes genügt die Begründung der Mieterhöhung im Übrigen nicht den Anforderungen des § 558 a Abs. 2 BGB. Die Kläger wollten hier die Mieterhöhung mit einem Mietspiegel (Nr. 1) begründen. Dies verlangt, dass der Vermieter das einschlägige Mietspiegelfeld angibt (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 8. Aufl., § 558 a, Rn. 44). Schon hierzu ist das Erhöhungsverlangen fehlerhaft. Die Wohnung ist ausweislich des Mietvertrages vor 1918 erbaut. Eine Einordnung in das Feld G 3 des Mietspiegels 2003 für die östlichen Bezirke Berlins scheidet danach aus. Möglich wäre allenfalls auf Grund des Baualters eine Einordnung in Feld G 1 oder G 2. Die von den Klägern angegebenen – ungekürzten – Mietspannen von 2,70 Euro – 2,87 Euro – 3,09 Euro finden sich in keinem der Felder wieder (auch nicht im Mietspiegel 2003 für die westlichen Bezirke, ebenso nicht im Mietspiegel 2000). Auch diese Fehler ließen sich möglicherweise durch Einsatz der korrekten Daten beheben.
Indes scheidet eine Begründung des Mieterhöhungsverlangens mit dem Mietspiegel 2003 hier aus, weil die von der Beklagten bewohnte Wohnung vom Mietspiegel nicht erfasst wird. Die Wohnung ist laut Mietvertrag vor 1918 erbaut, umfasst 60,7 qm und verfügt unstreitig über eine Zentralheizung, aber kein Bad und hat nur eine Außentoilette. Hinsichtlich der Wohnungen der Baualtersklasse bis 1918 sieht der Mietspiegel indes nur Wohnungen mit Innen-WC (ebenso bei der Baualtersklasse 1919-49) vor. Abweichungen von den üblichen Feldern sind durch einen Abschlag von 0,20 Euro nur für Wohnungen ohne Sammelheizung und ohne Bad, aber jeweils mit Innen-WC vorgesehen. Wohnungen mit Außen-WC werden vom Mietspiegel 2003 nicht erfasst. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts darf hinsichtlich der formellen Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens für eine nicht vom Mietspiegel erfasste Wohnung keine Interpolation, Analogie oder Kombination anderer Felder erfolgen (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 8. Aufl., § 558 a, Rn. 42; Kinne/Schach, Miet- und Mietprozessrecht, 3. Aufl., Teil 1, § 558 a, Rn. 6; Kossmann, ZAP 2004, 701/721f.).
Das Mieterhöhungsverlangen wäre hier mit einem der anderen Mittel des § 558 a Abs. 2 BGB zu begründen gewesen. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts sind tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Begründung nahezu unmöglich sei, nur weil eine Wohnung nicht vom Mietspiegel erfasst wird, nicht gegeben. Auch die sonstigen nicht vom Mietspiegel erfassten Wohnungen, die so genannten „Ausreißer-Wohnungen“, die durch eine besondere Lage, Größe oder Ausstattung aus dem Rahmen des Mietspiegels fallen, sind noch so häufig am Markt, dass sich Mieterhöhungsverlangen mit Vergleichswohnungen oder Sachverständigengutachten rechtfertigen lassen.
Die Kläger haben entsprechende Begründungsmittel nicht nachgeliefert und auch keine Bemühungen in dieser Richtung vorgetragen, obwohl die Beklagte bereits in erster Instanz die Unwirksamkeit des Verlangens eingewandt hatte. …
05.03.2013