Leitsätze:
1. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB setzt im Gegensatz zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges ein Verschulden des Mieters voraus. Während der Mieter beim Zahlungsverzug für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen hat und sich deswegen nicht auf § 286 Abs. 4 BGB berufen kann, entlastet ihn im Rahmen von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine unverschuldete Zahlungsunfähigkeit.
2. Der Mieter hat Zahlungsverzögerungen aufgrund unverschuldeter wirtschaftlicher Schwierigkeiten (Arbeitslosigkeit, Krankheit) nicht zu vertreten. Der Mieter kann sich auf unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe berufen. Im Rahmen des Verschuldens kann zudem eine nachträgliche Zahlung des Mieters zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, weil sie ein etwaiges Fehlverhalten in einem milderen Licht erscheinen lässt.
3. Für fehlendes Verschulden ist der Mieter darlegungs- und beweispflichtig.
Kammergericht, Urteil vom 24.7.08 – 8 U 26/08 –
Mitgeteilt von RA Falko Kalisch
Urteilstext
Aus den Gründen:
Die zulässige Berufung der Klägerinnen ist begründet.
Die Klägerinnen haben gegen den Beklagten Anspruch auf Räumung gemäß § 546 Abs. 1 BGB. Die Klägerinnen machen mit der Berufung zu Recht geltend, dass die Kündigung vom 25. Mai 2007 als ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam ist. Denn der Beklagte hat seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
1. Zwar war die Kündigung vom 25. Mai 2007 – entgegen der Ansicht des Amtsgerichts – zunächst auch als außerordentliche Kündigung begründet. Dem Beklagten kam insoweit aber die Heilungswirkung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zugute. Die Klägerinnen machen mit der Berufung zu Recht geltend, dass ein Kündigungsrecht gemäß § 543 Abs. 2 Ziffer 3 a BGB bestanden hat. Nach der Regelung in § 4 Ziffer 1 des Mietvertrages war die Miete spätestens zum 3. Werktag des Monats fällig. Der Beklagte hat die Miete in Höhe von 490,48 Euro für Februar 2006 zunächst nicht gezahlt. Auf die Märzmiete hat der Beklagte am 1. März 2007 nur einen Betrag von 370,95 Euro gezahlt. Der Beklagte war daher am 4. Werktag des Monats März mit mehr als einer Monatsmiete (Februar 2007 490,48 Euro und anteilig März 120,43 Euro = 610,91 Euro) in Verzug. Das Kündigungsrecht entsteht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der Nr. 3 lit. a oder lit. b vorliegen. Ein einmal entstandenes Kündigungsrecht bleibt auch dann erhalten, wenn sich der Rückstand in der Folgezeit reduziert. Es ist nicht erforderlich, dass noch zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein Rückstand im Sinne der genannten Vorschriften besteht. Der einmal gegebene Kündigungsgrund nach § 543 BGB wird nur dadurch beseitigt, dass der Mieter den Vermieter vollständig befriedigt, bevor die Kündigung wirksam geworden ist, d.h. dem Mieter zugegangen ist (BGH ZMR 1971, 27; BGH ZMR 1988, 16; vgl. Schmidt/Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Auflage, § 543 BGB, Rdnr. 121; Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 9. Auflage, § 569 BGB, Rdnr. 16; Lammel/Anwaltkommentar, Wohnraummietrecht, 3. Auflage, § 543 BGB, Rdnr. 123). Dagegen ist nicht erforderlich, dass der Verzug in dem Umfang, der den Kündigungsgrund ausgelöst hat, noch bei Wirksamwerden der Kündigung bestanden hat (vgl. Sternel, Mietrecht, 3. Auflage, Rdnr. IV, 408; Sternel Aktuell, 2. Auflage, Rdnr. 519 mHa BGH BB 1987, 2123; LG Köln ZMR 2002, 428, 429; LG Kassel ZMR 1994, Sonderdruck VII). Es kommt – entgegen der Ansicht des Amtsgerichts – nicht darauf an, dass bei Ausspruch der Kündigung noch ein Rückstand in Höhe von mehr als einer Monatsmiete bestand.
Die fristlose Kündigung ist aber gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB unwirksam geworden, weil der Beklagte sämtliche Mietrückstände und Nutzungsentschädigungen unstreitig durch Zahlung am 9. November 2007 ausgeglichen hat. Die Räumungsklage ist dem Beklagten am 13. September 2007 zugestellt worden, so dass die zweimonatige Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB eingehalten ist.
2. Die in dem Kündigungsschreiben vom 25. Mai 2007 hilfsweise erklärte ordentliche (fristgemäße) Kündigung hat das Mietverhältnis zwischen den Parteien beendet.
Nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum nur ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein solches Interesse liegt gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB insbesondere dann vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt. Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist u.a. dann gegeben, wenn der Mieter – wie hier – für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung eines nicht unerheblichen Teils des Mietzinses in Verzug gerät, weil dann sogar das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 a BGB besteht (vgl. BGH Urteil vom 11. Februar 2005 – VIII ZR 6/04, NZM 2005,334 = WuM 2005, 250; BGH Urteil vom 25. Oktober 2006 – VIII ZR 102/06, GE 2006, 46 = NZM 2007, 35; BGH Urteil vom 28. November 2007 – VIII ZR 145/07, GE 2008, 114 = NZM 2008, 121). Die einmal eingetretene Pflichtverletzung kann – anders als bei einer außerordentlichen Kündigung – nicht durch die bloße nachträgliche Zahlung wieder geheilt werden (vgl. BGH, a.a.O.).
Ferner setzt § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Gegensatz zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges ein Verschulden des Mieters voraus. Während der Mieter beim Zahlungsverzug für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen hat und sich deswegen nicht auf § 286 Abs. 4 BGB berufen kann, entlastet ihn im Rahmen von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine unverschuldete Zahlungsunfähigkeit (vgl. BGH Urteil vom 16. Februar 2005 – VIII ZR 6/04, a.a.O.). Der Mieter hat Zahlungsverzögerungen aufgrund unverschuldeter wirtschaftlicher Schwierigkeiten (Arbeitslosigkeit, Krankheit) nicht zu vertreten (Schmidt/Futterer/Blank, a.a.O., § 573 BGB, Rdnr. 30). Der Mieter kann sich auf unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe berufen. Im Rahmen des Verschuldens kann zudem eine nachträgliche Zahlung des Mieters zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, weil sie ein etwaiges Fehlverhalten in einem milderen Licht erscheinen lässt (vgl. BGH Urteil vom 16. Februar 2005 – VIII ZR 6/04, a.a.O.). Für fehlendes Verschulden ist der Mieter darlegungs- und beweispflichtig (Palandt/Weidenkaff, BGB, 67. Auflage, § 573 BGB, Rdnr. 22). Der Beklagte hat indes nicht ausreichend dargelegt, dass die Nichtzahlung des Mietzinses unverschuldet war.
a) Der Beklagte hat hierzu in der ersten Instanz vorgetragen, dass er seit dem 1. Januar 2005 Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sei und dass er die Mietzahlung für Februar 2007 nicht rechtzeitig habe erbringen können, weil es bei ihm zu einer einmaligen finanziellen Notlage gekommen sei. Er sei nicht mehr in der Lage gewesen, seine Ausgaben zu bestreiten, da aufgrund des längerfristigen Bezuges von ALG II Rückstände aufgelaufen seien, auch weil er, der Beklagte, Waren des täglichen Bedarfs und Kleidung habe erwerben müssen. Nach dem Vortrag des Beklagten hat das Jobcenter die Übernahme der Miete mit der Begründung abgelehnt, dass die Wohnung für ihn zu teuer sei und nicht gewährleistet sei, dass die Zahlung des Differenzbetrages von 94,95 Euro fortgesetzt von Verwandten des Beklagten erbracht werden würde. Das Jobcenter habe zwar nicht die Übernahme der Mietschulden zugesagt, habe aber seitdem – unstreitig – zunächst 370,00 Euro, ab Juli 2007 dann 360,00 Euro direkt an die Hausverwaltung gezahlt. Dieser Vortrag reicht nicht aus, ein fehlendes Verschulden des Beklagten zu begründen. Der Beklagte bezieht seit Januar 2005 Arbeitslosengeld II, er ist – so nach seinem zuletzt im Schriftsatz vom 9. Juli 2008 angebrachten Vortrag – seit dem Jahre 2000 arbeitslos und hat zunächst Arbeitslosengeld und dann Sozialhilfe bezogen. Der Beklagte hat nicht im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen es gerade im Februar 2007 zu den wirtschaftlichen Engpässen gekommen ist und welche unvorhergesehenen Ausgaben er in diesem Zeitraum gehabt hat, so dass er die Miete nicht hat entrichten können. Soweit der Beklagte sich darauf beruft, dass er sich im Februar 2007 in Kenntnis dieser Notlage beim Jobcenter um Übernahme der Mietschulden bemüht habe, da er habe absehen können, dass er nicht zur Begleichung der Miete in der Lage sein würde, reicht dies – entgegen der Ansicht des Amtsgerichts – für die Annahme eines fehlenden Verschuldens nicht aus. Denn der Beklagte hat zum einen nicht erklärt, aus welchen Gründen es zu diesem wirtschaftlichen Engpass gekommen ist und zum anderen muss davon ausgegangen werden, dass der Beklagte sich zu spät um die Übernahme des Mietzinses beim Jobcenter bemüht hat. Denn wenn er erst im Februar 2007 das Jobcenter aufgesucht hat, konnte er nicht davon ausgehen, dass Mietzahlungen noch rechtzeitig bis zum 3. Werktag des Monats erfolgen würden. Auch der – nach Hinweis des Senats vom 15. Mai 2008 – angebrachte Vortrag ist nicht geeignet, ein fehlendes Verschulden des Beklagten hinsichtlich der Nichtzahlung des Mietzinses für Februar 2007 zu belegen. So hat der Beklagte pauschal behauptet, dass er einer Bekannten schon vor längerer Zeit darlehensweise einen Betrag von 600,00 Euro gegeben habe, wobei die Bekannte den Geldbetrag Anfang des Jahres 2007 habe zurückzahlen wollen. Der Vortrag des Beklagte ist zu unsubstantiiert. Der Beklagte hat die Umstände der Darlehenshingabe nach Ort, Zeit und Inhalt nicht näher substantiiert. Dies erscheint auch deswegen geboten, weil der Beklagte schon seit dem Jahre 2000 arbeitslos ist und auf staatliche Unterstützung angewiesen ist, so dass daher nur schwer nachvollziehbar ist, dass der Beklagte dennoch Beträge in dieser Größenordnung darlehensweise gegeben habe will. Auch die behauptete Zusage der Rückzahlung gerade Anfang des Jahres 2007 bleibt ohne Substanz. Soweit der Beklagte weiter geltend macht, dass er den Mietzins zu Recht um 25,48 Euro gemindert habe, kann auch insoweit fehlendes Verschulden nicht festgestellt werden. Denn der Beklagte hat den noch in erster Instanz erhobenen Einwand, zur Mietminderung berechtigt gewesen zu sein, in der Berufungsinstanz nicht weiterverfolgt. Soweit der Beklagte sich weiter darauf beruft, dass er unter depressiven Störungen gelitten habe und sich in dem maßgeblichen Zeitraum nicht habe sachgerecht verhalten können, ist sein Vortrag auch insoweit unzureichend. Insbesondere ist nicht dargelegt, inwieweit sein gesundheitlicher Zustand Einfluss auf die Mietzahlungen gehabt haben soll.
b) Der Rückstand ist auch nicht binnen kurzer Zeit ausgeglichen worden. Zwar ist am 16. März 2003 ein Teilbetrag von 94,95 Euro auf die Miete von Februar 2007 gezahlt worden und auf die Märzmiete am 1. März 2007 ein Betrag von 370,05 Euro und am 5. April 2007 ein weiterer Teilbetrag von 94,95 Euro. Bei Ausspruch der Kündigung am 25. Mai 2007 war der Beklagten aber noch mit weiteren Zahlungen, nämlich insgesamt in Höhe von 763,79 Euro in Verzug. Danach sind Rückstände für Juni mit 60,54 Euro und für Juli und August von jeweils 70,59 Euro aufgelaufen. Vollständig erfolgte ein Ausgleich erst am 9. November 2007, nachdem die Räumungsklage am 13. September 2007 zugestellt worden war und damit ein halbes Jahr nach der Kündigung. Ferner war zu dieser Zeit auch die Heizkostenabrechnung vom 14. Juli 2007 in Höhe von 420,73 Euro offen, die die Klägerinnen in diesem Prozess klageweise geltend gemacht haben. Das Amtsgericht hat den Beklagten, der gegen die Abrechnung keine Einwände erhoben hat, zur Zahlung verurteilt. Insoweit hat der Beklagte das Urteil nicht angegriffen und einen Ausgleich der Forderung erst im Laufe des Berufungsverfahrens – wie er im Schriftsatz vom 7. April 2008 unbestritten vorgetragen hat – vorgenommen. Das Fehlverhalten des Beklagten kann auch deswegen nicht als geringfügig eingestuft werden.
3. Ohne Erfolg macht der Beklagte weiter geltend, dass die Klägerinnen ihn vor Ausspruch der Kündigung hätten abmahnen müssen. Die Frage, ob der ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses wegen schuldhafter nicht unerheblicher Pflichtverletzung eine Abmahnung vorauszugehen hat, war in Rechtsprechung und Literatur streitig (vgl. zum Meinungsstand BGH Urteil vom 28. November 2007 – VIII ZR 145/07, a.a.O.). Der BGH hat in diesem Urteil entschieden, dass die Kündigung eine Abmahnung nicht voraussetzt. Dies hat der BGH aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB, der eine solche nicht vorsieht, sowie aus dem Willen des Gesetzgebers und der Gesetzessystematik hergeleitet und erkannt, dass hierfür grundsätzlich auch kein praktisches Bedürfnis bestehe. Allerdings – so der BGH in dieser Entscheidung – kann der Abmahnung ausnahmsweise insofern eine Bedeutung zukommen, als erst ihre Missachtung durch den Mieter dessen Pflichtverletzung das erforderliche Gewicht verleiht, etwa weil vorher nur ein schlichtes Versehen des Mieters vorgelegen hat oder eine Duldung des Vermieters zu vermuten war. Solche besonderen Voraussetzungen sind hier aber nicht gegeben. Denn zum einen lagen aufgrund des Zahlungsverzuges die Voraussetzungen der außerordentlichen Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 a BGB vor und zum anderen hat der Beklagte auch in den folgenden Monaten April und Mai 2007 den Mietzins nicht vollständig gezahlt , so dass bei Ausspruch der Kündigung ein Rückstand von 763,79 Euro bestanden hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).
Dem Beklagten war auf seinen Antrag hin eine Räumungsfrist gemäß § 721 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu gewähren. Der Senat hält eine Räumungsfrist von sechs Monaten für angemessen. Hierbei war zu berücksichtigen, dass der Beklagte nunmehr seinen Mietzahlungsverpflichtungen nachkommt und ihm die Möglichkeit zu geben ist, sich Ersatzwohnraum zu beschaffen.
23.12.2017