Leitsatz:
Der Abzug ersparter Instandsetzungen anlässlich der Anbringung einer Wärmedämmung an der Fassade umfasst sämtliche Gerüstkosten (Gerüst, Plane, Fangnetze und so weiter) sowie die Kosten für die Entfernung des Altputzes.
LG Berlin vom 14.12.2012 – 63 S 252/12 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die im Rahmen einer energieeinsparenden Wärmedämmung der Fassade anfallenden Kosten sind insoweit nicht umlegbar, als es sich um Kosten handelt, die auch bei einer bloßen Instandsetzung der Fassade angefallen wären. Waren zum Zeitpunkt der Modernisierung auch Instandsetzungsmaßnahmen konkret fällig, gehört zu den umlegbaren Modernisierungskosten nur der Teil der Aufwendungen, der über die Instandsetzung hinausgeht. Also der gesamte Sockel der Kosten, der auch für die Instandsetzung angefallen wäre (Gerüst, Plane, Fangnetze et cetera), ist nicht anzusetzen. Es ist daher nicht zutreffend, wenn der Vermieter die Gerüstkosten anteilig auf die Modernisierung und die Instandsetzung verteilt, indem auf die Gesamtkosten eine Quote angewandt wird, die den Modernisierungs- und Instandsetzungsanteil jeweils angeben soll.
Urteilstext
Gründe:
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestands gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
Die Klägerin kann gemäß § 535 Abs. 2 BGB für die Zeit von Februar 2009 bis Juli 2009 restliche Mieten in Höhe von insgesamt 487,60 EUR verlangen. Die von dem Beklagten geschuldete Miete hat sich aufgrund der Mieterhöhungserklärung vom 19. November 2008 aufgrund vorangegangener Modernisierungsmaßnahmen gemäß § 559 Abs. 1 BGB um 94,02 EUR erhöht.
Die Mieterhöhungserklärung ist formell wirksam. Insbesondere hat die Klägerin die fiktiv ersparten Instandsetzungskosten hinreichend konkret angegeben. Soweit sich der Vermieter bei einer Mieterhöhung wegen Modernisierung fiktiv ersparte Instandsetzungskosten anrechnen lassen muss, ist im Rahmen der formellen Wirksamkeit einer Modernisierungs-Mieterhöhungserklärung nicht erforderlich, dass der Vermieter mitteilt, auf Grundlage welcher tatsächlichen Verhältnisse er den angegebenen Instandsetzungsabzug berechnet hat. Der Mieter muss nur in die Lage versetzt werden, den begehrten Erhöhungsbetrag rechnerisch nachzuvollziehen. Ob hinsichtlich einzelner Modernisierungsmaßnahmen ein höherer Instandsetzungsabzug angebracht war, ist eine Frage der materiellen Begründetheit (LG Berlin, Urteil vom 15. November 2011 – 63 S 145/11, ZMR 2012, 352). Auch diesen Anforderungen genügt die Mieterhöhungserklärung vom 19. November 2008, da die Klägerin in deren Anlage im Einzelnen angegeben hat, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Instandhaltungskosten von den einzelnen Maßnahmen abgezogen wurden.
Die Mieterhöhungserklärung rechtfertigt auch in der Sache teilweise die verlangte Mieterhöhung. Die Klägerin hat zwischenzeitlich die auf die Modernisierungsmaßnahmen entfallenden Kosten durch Rechnungen der beauftragten Firmen dargetan. Hierzu sind nicht zwingend Originalrechnungen vorzulegen. Die von der Klägerin im Rahmen des elektronischen Datenaustauschs mit den Handwerkern angefertigten Rechnungsdrucke nebst Massenaufstellungen enthalten für den Mieter nachvollziehbare und prüffähige Angaben. Bei Zweifeln am Wahrheitsgehalt kann er diese ggf. durch Nachfrage bei den Firmen verifizieren. Insofern ist die Sachlage nicht anders, als wenn er Zweifel an der Richtigkeit vermeintlicher Originalrechnungen hat.
Danach ergibt sich für die materielle Wirksamkeit der Mieterhöhung folgendes:
Die Kosten der Fensterbänke aus der Rechnung der Fa. H. in Höhe von 16.887,13 EUR sind umlegbar. Diese stehen ersichtlich im Zusammenhang mit der Fassadendämmung, da durch die Dämmung die Fassade dicker wird und daher auch neue – tiefere – Fensterbänke erforderlich werden. Insoweit hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass an den alten Fensterbänken bereits konkreter Instandsetzungsbedarf bestand.
Bei den Kosten der Fassadendämmung gemäß Rechnung der Fa. G. sind die Positionen 120-180 nicht umlegbar. Hierbei handelt es sich um Kosten, die auch bei einer bloßen Instandsetzung der Fassade angefallen wären. Waren – wie hier – zum Zeitpunkt der Modernisierung auch Instandsetzungsmaßnahmen konkret fällig, gehört zu den umlegbaren Modernisierungskosten nur der Teil der Aufwendungen, der über die Instandsetzung hinausgeht. Also der gesamte Sockel der Kosten, der auch für die Instandsetzung angefallen wäre (Gerüst, Plane, Fangnetze etc.), ist nicht anzusetzen. Es ist daher nicht zutreffend, wenn die Klägerin die Gerüstkosten anteilig auf die Modernisierung und die Instandsetzung verteilt, indem auf die Gesamtkosten eine Quote angewandt wird, die den Modernisierungs- und Instandsetzungsanteil jeweils angeben soll (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht 10. Aufl., § 559 Rn 166).
Gleichfalls nicht umlegbar sind die Positionen 1140-1170, die sich auf die Entfernung des alten, nicht tragfähigen Altputzes beziehen.
Es verbleiben daher hinsichtlich der Fassadendämmung die Positionen 1180-1620 über 238.321,56 EUR aus der tabellarischen Aufstellung über die „Modernisierungskosten aus der Rechnung der Fa. G. GmbH betreffend Gerüststellung und Fassadenarbeiten über 438.567,69 EUR“. Die Einwendungen der Beklagten gegen die Positionen 1210 und 1220 greifen nicht durch. Auch wenn hinsichtlich der verwendeten Steinwolle als Dämmmaterial keine Abstimmung mit der Bauaufsicht erfolgt sein sollte, handelt es sich bei diesen Kosten im Hinblick auf die tatsächlich gegebene Energieeinsparung gleichwohl um Modernisierungskosten. Hinsichtlich der Position 1540 hat die Klägerin nunmehr nur noch die wegen der Dämmung entstandenen Mehrkosten des Edelkratzputzes umgelegt. Bei den Positionen 1560 und 1620 fehlt es an einem Vortrag der Beklagten, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß die Regenfallrohranschlüsse bzw. der Sockel bereits vor Durchführung der Modernisierungsarbeiten instandsetzungsbedürftig waren.
Gleichfalls umlegbar sind die von der Fa. G. in Rechnung gestellten Kosten der Dämmung der Kellerdecke über 35.024,05 EUR und der Dämmung der obersten Geschossdecke über 25.568,41 EUR.
Insoweit bestand vor Durchführung der Arbeiten auch nach dem Vortrag der Beklagten kein konkreter Instandsetzungsbedarf. Soweit die Beklagte die Kosten der Dämmung der Kellerdecke pauschal in Abrede stellt, ist dies nicht ausreichend, da die Kosten unter den Positionen 1460 und 1470 ausdrücklich mit der Leistungsbeschreibung „KD-Dämmung, Steinwolle 80 mm“ bzw. „Haftbrücke“ ausgewiesen wurden. Die Kosten der Dämmung der obersten Geschossdecke ergeben sich aus der Anlage zur Rechnung der Fa. G. vom 30.09.2008.
Ferner umlegbar sind auch die Kosten für die Verlängerung der Wasserhähne über 741,41 EUR und der Steckdosen auf den Balkonen über 9.735,08 EUR gemäß Rechnungen der Fa. F. & W. vom 16. Oktober 2008. Die Klägerin hat im vorliegenden Verfahren vorgetragen, dass die Kosten für die Verlängerung der Wasserhähne und die Erneuerung der Steckdosen auf den Balkonen, ebenso wie die breiteren Fensterbänke, dem Umstand geschuldet sind, dass durch die zusätzlich aufgebrachte Wärmedämmung sich die Stärke der Außenwände erhöht hat. Der Beklagte ist diesem Vorbringen nicht mehr entgegengetreten.
In Bezug auf die Kosten für das ornithologische Gutachten und gärtnerischen Arbeiten zur Schaffung einer Baufreiheit für das Gerüst handelt es sich entsprechend den obigen Ausführungen zur Fassadendämmung um Aufwendungen, die auch bei einer Instandsetzung angefallen wären.
Hinsichtlich der Kosten der energiewirtschaftlichen Auswertung fehlt es an einem nachvollziehbaren Vortrag der Klägerin, inwiefern diese im Rahmen der Modernisierung veranlasst waren und welche Leistungen für 41 Einheiten zu einem Einzelpreis von jeweils 60,– EUR in Rechnungsgestellt worden sind.
Damit berechnet sich die Mieterhöhung nach allem wie folgt:
umlegbare Kosten: 326.277,64 EUR
× 11%: 35.890,543 EUR
/ 12 Monate / 2.810,30 m²: 1,07 EUR/m²
× 87,87 m²: 94,02 EUR mtl.
Diese Mieterhöhung bleibt gegenüber der geltend gemachten Erhöhung um 114,67 EUR um 20,65 EUR zurück. Für den streitgegenständlichen Zweitraum vom sechs Monaten folgt daraus, dass die Klageforderung um 123,90 EUR zu vermindern ist und sich die begründete Klageforderung wie folgt zusammensetzt:
Februar 2009: 49,34 EUR
März 2009: 62,18 EUR
April 2009: 94,02 EUR
Mai 2009: 94,02 EUR
Juni 2009: 94,02 EUR
Juli 2009: 94,02 EUR
Rücklastschriftkosten: 6,00 EUR
Mahnkosten: 13,50 EUR
Summe: 507,10 EUR
Da die obige Mieterhöhung um 94,02 EUR das Zustimmungsverlangen gemäß § 558 BGB vom 13. August 2010, mit dem hilfsweise eine Zustimmung zur Mieterhöhung um 86,93 EUR verlangt worden ist, übersteigt, läuft letzteres ins Leere, sodass über den Hilfsantrag nicht zu entscheiden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
03.01.2018