Pressemitteilung Nr. 05/06
Am Montag, 22. Mai 2006 um 19.00 Uhr
fand im bcc Berliner Congress Center „Haus des Lehrers“ die
Podiumsdiskussion mit dem Finanzsenator: Die Zukunft der Städtischen Wohnungsbaugesellschaften in Berlin
statt.
Begrüßung:
Herr Edwin Massalsky
Vorsitzender des Berliner Mietervereins e.V.
Teilnehmer:
- Herr Dr. Thilo Sarrazin
Senator für Finanzen (SPD), Senat von Berlin - Herr Bernd Schimmler
Wohnungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus - Herr Dr. Michail Nelken
Wohnungspolitischer Sprecher der Die Linke.PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus - Herr Ralf Reppert
Stadtentwicklungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus - Frau Barbara Oesterheld
Wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Abgeordnetenhaus - Herr Michael Schick
Spitzenkandidat der FDP Charlottenburg-Wilmersdorf für die Abgeordnetenhauswahl 2006 / Wirtschaftsexperte
- Herr Hartmann Vetter
Hauptgeschäftsführer Berliner Mieterverein e.V.
Diskussionsleitung:
Herr Armin Hentschel
Institut für Soziale Stadtentwicklung
No Future für die Städtischen?
Diskussion mit dem Finanzsenator über die Zukunft der städtischen Wohnungsunternehmen
Full house bei der Podiumsdiskussion mit Finanzsenator Thilo Sarrazin und Fraktionsvertretern. Auf Einladung des Berliner Mieterverein e.V. (BMV) waren im Haus des Lehrers am Alexanderplatz Vertreter aller Fraktionen im Abgeordnetenhaus zur Podiumsdiskussion über die Zukunft der Städtischen Wohnungsunternehmen erschienen.
„Brauchen wir die Städtischen und wenn ja, wozu brauchen wir sie?“ Über diese Kernfrage – so der Vorsitzende des Berliner Mieterverein e.V. Edwin Massalsky – sollte diskutiert werden. Auf eine Antwort des Finanzsenators musste die Versammlung allerdings erfolglos warten. „Behalten oder nicht, das hat keinen Einfluss auf den Wohnungsmarkt. Es gibt keinen belegbaren Zusammenhang zwischen niedrigen Mieten und dem Anteil der Wohnungen, die die städtischen Wohnungsunternehmen haben.“ Als Beleg führte der Finanzsenator zahlreiche Städte an, die diesen angeblichen Zusammenhang widerlegten. Eine Position, die vom PDS-Koalitionspartner auf dem Podium – Nelken – unterstrichen wurde. Um billige Wohnungen zu sichern, brauche man die Städtischen nicht. Allerdings, so Nelken, hätten wohnungspolitische Argumente beim Verkauf auch gar keine Rolle gespielt. Eine Einsicht, die wohl kaum einen der Anwesenden überraschte. Dafür sorgte Nelkens These, dass auch der erwartete Gesundungseffekt nicht eingetreten sei, für mehr Diskussionsstoff.
Der Hauptgeschäftsführer des BMV, Hartmann Vetter, widersprach Sarrazin. Er hält den Städtevergleich für oberflächlich und unterstrich die weitergehende Bedeutung der städtischen Wohnungsunternehmen für die Stadt. Es gehe, so Vetter, um die Unternehmen als Partner für eine sozial integrative Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik. Es gehe um das Absichern eines Vermieterverhaltens, das langfristig eine ordentliche Bewirtschaftung von Wohnungen und einen angemessenen Umgang mit Mieterinteressen sichere, die bekanntermaßen nicht darauf zu reduzieren seien, „… dass die Mieten niedrig sind.“ Mit dem „Schwarzbuch Privatisierung“ habe man belegt, dass die neuen Investoren auch eine besorgniserregende neue Gangart eingeführt hätten. Entscheidend sei, an wen veräußert werde. Mit dieser Aussage war das „Heuschreckenthema“ auf dem Tisch, auf das wohl die meisten Anwesenden gewartet hatten. Bis auf den FDP-Vertreter herrschte zwischen den SPD-, PDS-, CDU- und Grünen-Fraktionären auf dem Podium Konsens, dass weitere Abverkäufe den Berliner Wohnungsmarkt nicht zur Weidefläche für Heuschrecken machen dürfe, die den Berlinern nach dem Abgrasen nur noch die teure Schadensverwaltung übrig ließe. Der Finanzsenator bescheinigte den so genannten Heuschrecken dagegen große „Seriosität“ und warf dem Mieterverein Angstpropaganda vor. Ob die abschließende Aufforderung Hartmann Vetters Früchte trägt, sich doch einmal eingehend mit den Schwarzbuch-Inhalten zu befassen statt von Panikmache zu reden, wird man sehen. In jedem Fall aber stehen Unternehmen wie Cerberus, Oaktree, Apellas, Vivacon und andere nun in Berlin unter verstärkter Beobachtung der Öffentlichkeit. Eine bürgerliche Öffentlichkeit, an die ein Mieter britischer Herkunft unter lautem Beifall der Anwesenden den Appell gerichtet hatte, nicht tatenlos zuzuschauen, wie durch Privatisierung kommunaler Wohnungen Schritt für Schritt Londoner Verhältnisse entstehen, die im letzten Jahrzehnt zu einer Vervielfachung der Mieten und zu einer Stadtvertreibung der Bewohner geführt hätten.
AH
02.01.2014